Willkommen

44 Wie werde ich Psychotherapeut*in/Psychoanalytiker*in? Psychoanalytische Technik nach Bion

In Psychoanalysen braucht man sehr viel Geduld – und den Glauben daran, dass das Wesentliche, um das es geht, schon auftauchen wird. Der britische Psychoanalytiker Wilfred Bion (1897-1979) gilt als der Psychoanalytiker, der für „Intuition“ steht. Gleichzeitig lässt er das Objektive, das Logische nicht aus dem Blick. Bions ehemaliger Analysand James S. Grotstein (1925-2015, Melanie-Klein-Trust) hat in seinem Buch „A Beam of Intense Darkness“ die wichtigsten Erkenntnisse Bions zusammengefasst (Wilfred Bions Legacy to Psychoanalysis, Karnac Books, 2007 and Kommentar von James Grotstein, Karnac). Weiterlesen

38 Wie werde ich Psychoanalytiker*in? Das Kasuistisch-technische Seminar

In der psychoanalytischen Ausbildung stellt man seinen Patienten („Ausbildungsfall“) bzw. die Behandlung regelmäßig seiner Ausbildungsgruppe vor. Bei der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) und der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) wird hierfür der Begriff Kasuistisch-technisches Seminar („KT“ oder „KTS“) benutzt. Es ist ein Pflicht-Seminar, das Ausbildungskandidaten (AK) nach dem Vorkolloquium einmal pro Woche besuchen. Alle Kandidaten behandeln ihre Patienten (Ausbildungsfälle) drei bis vier Mal pro Woche, meist im Liegen auf der Couch – es sei denn, sie haben gerade erst das Vorkolloquium bestanden und suchen noch nach einem geeigneten Patienten.

Auch wenn man noch keine eigenen Fälle hat, kann man als Ausbildungskandidat*in nach dem Vorkolloquium am KT teilnehmen und sich mit seinen Ideen am vorgestellten Fall beteiligen. Geleitet wird das Seminar von Lehranalytikern.

Phantasien sind treffender als gedacht

Ein Ausbildungskandidat stellt seinen Patienten vor. Er berichtet aus einer Psychoanalyse-Sitzung, von seinen Phantasien dazu und von seinen Gegenübertragungen. Er erzählt etwas zur Lebensgeschichte des Patienten, der immer anonym bleibt. Die anderen Kandidaten sagen, welche Phantasien bei ihnen entstanden sind. Es ist immer wieder erstaunlich, wie treffend diese Phantasien sein können und wie sehr sie dem Kandidaten, der seinen Fall vorstellt, damit helfen. Bei dieser Arbeit kann sich jeder ganz seinen Einfällen, Ideen und inneren Bildern überlassen. Ohne Ziel, ohne System. Es ist wie Spielen. Ein kreativer Prozess, der beiden hilft: dem Patienten und dem angehenden Analytiker.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Dieser Beitrag erschien erstmals am 5.5.2015
Aktualisiert am 17.7.2023

Wie wird man Psychoanalytiker? 113: Das psychoanalytische Erstinterview

Wenn sich ein Patient bei uns zu einem ersten psychoanalytischen Gespräch anmeldet, passiert schon viel. Hat er uns eine Mail geschrieben? Hat die Sekretärin des Ausbildungsinstituts einen Termin für uns festgelegt? Konnten wir mit dem Patienten am Telefon...

Dieser Beitrag ist nur für Mitglieder sichtbar.

Jetzt Mitglied werden

Wie wird man Psychoanalytiker? 112: „Und dann habe ich die Stunde beendet.“

In Kasuistisch-Technischen Seminaren, in denen angehende Psychoanalytiker*innen ihren Fall vorstellen, ist oft der Satz zu hören: "Und dann war die Stunde zu Ende." Dieser Satz zeigt vielleicht, wie gehaltvoll der Anfang und das Ende der Stunde sind. Gerade a...

Dieser Beitrag ist nur für Mitglieder sichtbar.

Jetzt Mitglied werden

69 Wie wird man Psychoanalytiker? Kurze Sätze greifen tief

„Wenn jemand in Hypnose ist, müssen Sie in kurzen Sätzen sprechen“, sagt die Hypnoselehrerin. „Dieser eine Satz hat mir den Rest gegeben!“, sagen wir nach dem Streit. Kurze Sätze bleiben haften. Sie erreichen unser Innerstes – vor allem dann, wenn wir uns in einem meditativen Zustand befinden, wie es z.B. in der Psychoanalyse häufig der Fall ist. Ein Satz kann viele Gefühle, Phantasien und Assoziationen wecken. Er kann stark wirken. Es sitzt. In der Psychoanalyse-Ausbildung kennen Ausbildungskandidaten die Wirksamkeit kurzer Sätze aus der eigenen Lehranalyse. Doch wenn die ersten eigenen Patienten kommen, stehen viele unter Druck: „Ich muss dem Patienten doch was Gutes sagen, ich muss ihm doch etwas erklären, ihm mit auf den Weg geben“, denkt man. Oder: „Die nächste Supervision ist schon am Montag, da muss ich doch jetzt noch was Schlaues sagen.“Weiterlesen

57 Wie wird man Psychoanalytiker? Aus: „Wie kann ich gut sein?“ wird: „Was für ein Bild male ich?“

"Nach dem letzten kasuistisch-technischen Seminar (KT) war ich echt geknickt. Ich habe so viel Kritik geerntet!", sagt eine Ausbildungskandidatin. Das Leben in der Psychoanalyse-Ausbildung erscheint gerade am Anfang oft so hart, weil gesagt wird, was gedac...

Dieser Beitrag ist nur für Mitglieder sichtbar.

Jetzt Mitglied werden

54 Wie werde ich Psychoanalytikerin? Kritische Literatur lesen: Jeffrey Masson: „Final Analysis“

Wer eine Psychoanalyse-Ausbildung macht, betreibt täglich eine Art Hochleistungssport. Man braucht ein gutes Durchhaltevermögen, das nur aufrecht erhalten kann, wenn es mehr Freud als Leid gibt. Die Abhängigkeit von Patienten, Gutachtern, Krankenkassen, Supervisoren, Institutsleitern, Lehranalytikern und den Finanzen lehrt einen, mit Ungewissheiten zu leben. Man ist wieder Schüler und stellt sich selbst in Frage. Man lernt, dass auch Psychoanalytiker nur Menschen sind, die die Institutsstrukturen mitgestalten und unter Systemen leiden.

Psychoanalyse ist immer mit intensiven Beziehungen und somit auch mit starken Gefühlen verbunden. Liebe, Trauer, Neid, Eifersucht, Angst, Ärger, Hass, Rachegefühle und Enttäuschungen werden in der Ausbildung auch deshalb so intensiv erlebt, weil ein Ausbildungsinstitut familiäre Strukturen bietet, in denen viele alte Probleme wieder zutage treten können.

Krisen gehören zur Ausbildung

Einige kommen vielleicht mehrmals an den Punkt, an dem sie sich fragen, ob sie die Ausbildung überhaupt fortsetzen möchten. An so einem Punkt liest man vielleicht auch gerne mal kritische Literatur wie das Buch von Jeffrey Moussaieff Masson (geb. 1941): „Final Analysis. The Making and Unmaking of a Psychoanalyst“ (Addison-Wesley Publishing Company, 1990, amazon).

Der Autor wurde bekannt durch sein Buch „The Assault on Truth“, in dem er darüber schrieb, warum sich Freud (angeblich) von der Verführungstheorie distanzierte. Masson wollte betonen, dass sexueller Missbrauch in der Kindheit meistens tatsächlich stattgefunden hat, wenn sich Patientinnen und Patienten daran erinnern können. Unter anderem in der Folge dieser Diskussionen wurde er als Direktor des Sigmund-Freud-Archivs („These documents are protected and preserved at the United States Library of Congress“) und als Psychoanalytiker aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPA) entlassen.

Ein Weg zum Psychoanalytiker

Der Autor Jeffrey Moussaieff Masson war Anfang 30 und lehrte als Professor für Sanskrit an der University of Toronto, Kanada, als er seine Ausbildung zum Psychoanalytiker begann. Hier erlebte Masson unglaubliche Geschichten. Es war die Zeit, in der die Analytiker noch hinter der Couch rauchten, es keine Ethikkommissionen und keine verlässlichen Non-Reporting-Systeme gab (Non-Reporting-System = der Lehranalytiker darf in der Ausbildungskommission nichts über seinen Ausbildungskandidaten erzählen).

Masson beschreibt, wie er von seinem Lehranalytiker regelmäßig drangsaliert wurde, wie sein Lehranalytiker manchmal bis zu 45 Minuten zu spät kam und dann behauptete, er könne in seiner Praxis machen, was er wolle. Es ist kaum vorstellbar, wie ein Kandidat eine solche „Analyse“ aushalten konnte. Masson nahm unglaubliche Erniedrigungen hin, kam aber aufgrund seiner Abhängigkeit in der Ausbildung nicht von dieser Analyse los.

Das Gefühl des Ausgeschlossenseins

In der Ausbildung ist man sehr mit sich selbst beschäftigt und spürt seine Individualität vielleicht mehr denn je. Das kann unter Umständen dazu führen, dass man sich aus der Gruppe der Mit-Kandidaten ausgeschlossen fühlt, weil man denkt: „So spezielle Probleme wie ich hat hier niemand sonst.“ Das Problem kann sich verstärken, wenn man z.B. weder Arzt noch Psychologe ist und als Akademiker einer anderen Fachrichtung die Ausbildung macht. Viele Kandidaten in der Psychoanalyse-Ausbildung stammen aus einer gehobeneren sozialen Schicht („Wer wird Psychoanalytiker?“) und sind verheiratet. Masson schreibt, wie störend es sich anfühlen kann, wenn man diese Gemeinsamkeiten nicht teilen kann.

„Every single candidate was married – I believe it may even have been a prerequisite, perhaps as a sign of emotional maturity or of social conformity.“ S. 101

Zwischen Schmunzeln und Tragik

Bei vielem, was Masson schreibt, kann man als angehender Analytiker wirklich schmunzeln und denken: „gut getroffen“. Masson gelingt es, in einer spannenden, einfachen und doch intellektuellen Sprache die Psychoanalyse und „die Analytiker“ treffend darzustellen. Manchmal dachte ich beim Lesen erleichtert: „Ihm ging’s genauso.“ Es ist vielleicht schockierend zu lesen, dass anscheinend viele Psychoanalytiker damals, Anfang der 80er Jahre, auf vielen Ebenen noch sehr konform mit den Psychiatern gingen und z.B. Elektrokrampftherapien für eine gute Therapie-Möglichkeit hielten.

Im Laufe des Buches entsteht das Bild, dass Masson in der Psychoanalyse von nahezu jedem Kollegen letzten Endes enttäuscht wurde. Er schreibt, wie er sich in der Rolle des Psychoanalytikers selbst nicht wohl fühlte.

Die Lehranalyse ist wie eine Kindheit

„Die Lehranalyse ist das Kernstück der Psychoanalyse-Ausbildung.“ Diesen Satz höre ich oft in der Ausbildung. Manche sagen distanzierend: „Die Lehranalyse ist auch nicht alles.“ Aber vielleicht ist sie ein bisschen mit der Kindheit vergleichbar: „Mit einer Kindheit voll Liebe kann man ein ganzes Leben lang aushalten“ (Jean Paul). Und hier liegt vielleicht der Schlüssel zu diesem lebendigen, aber aufgrund der vielen negativen Erlebnisbeschreibungen auch manchmal ermüdenden Buch: Masson hatte keine gute Lehranalyse erfahren. Dadurch ist in ihm der Eindruck entstanden, dass es kaum Kommunikation von Herz-zu-Herz gibt.

„Wisdom, in this technical sense, is not all that difficult to come by. When you have read enough and been to enough case seminars, you know what is expected, what sounds profound, what gives comfort, what appears insightful even if it is not. So much of what I said came from my head, not from my heart. But if it had been any different, I would have been exhausted at the end of the day“ (S. 147).
„Weisheit, im technischen Sinne, kann man hier auf nicht allzu schwierigem Wege erlangen. Wenn du genug gelesen und genügend Fallseminare besucht hast, dann weißt du, was von dir erwartet wird, was tiefgründig klingt, was ein Wohlgefühl auslöst, was einsichtig erscheint, selbst wenn es das nicht ist. So viel von dem, was ich gesagt habe, kam aus meinem Kopf, nicht aus meinem Herzen. Aber wenn es anders gewesen wäre, wäre ich am Ende des Tages ausgelaugt gewesen.“

Und hierin findet sich wahrscheinlich ein „Missing Link“ bei Jeffrey Masson. Was aus dem Herzen kommt, ermüdet nicht, sondern gibt Kraft. Das ist jedoch vielleicht nur so zu spüren, wenn man als Analytiker selbst zuvor die Erfahrung machen konnte, dass die Lehranalyse für beide Beteiligte eine „Herzenssache“ war.

Anstrengend

Psychoanalyse ist konfrontativ, oft hart und erschöpfend, voller negativer Übertragungen und sie wirkt durch das Setting und die Abstinenzregeln manchmal kalt, fast unmenschlich. Alles Unangenehme aus der Kindheit findet hier wieder Platz. Aber sie ist eben gleichzeitig auch freiheitsliebend, haltgebend, tröstlich, gefühlvoll, manchmal unheimlich und oft zutiefst warmherzig und liebevoll (siehe IPA-Kongress 2017 über „Intimität“). Möglicherweise ist die Entwicklung hin zur Intersubjektivität und zur resonanten Präsenz die größte Veränderung, die die Psychoanalyse in ihrer Entwicklung erlebt hat und die in diesem Buch noch nicht auftauchen konnte.

Masson hat sich schließlich den Tieren zugewendet und schreibt hierzu viele inspirierende Bücher, wie z.B. „The Dog Who Couldn’t Stop Loving“ (Goodreads).

„Was euch wirklich müde macht, ist nicht eure emotionale Beteiligung als Arzt, sondern euer ständiger Versuch, diese zu verhindern und euch abzugrenzen.“ (Zitat aus dem Kurs „Arzt und Patient im Rollenspiel“ bei Professor Peter Helmich (1930-2008), Allgemeinmedizin, Uni Düsseldorf, 90er Jahre)

Verwandte Artikel in diesem Blog:

weitere links:

klaus schlagmann
Siegfried Bettighofer und seine Beschwichtigung der Therapie-Kritik von Margarete Akoluth
https://oedipus-online.de/index.php/siegfried-bettighofer/

Dieser Beitrag erschien erstmals am 15.6.2017
Aktualisiert am 23.8.2022

52 Wie wird man Psychoanalytiker? „No memory, no desire, no understanding“ – geht das in der Ausbildung?

„No memory, no desire, no understanding“ (nichts erinnern, nichts wünschen, nichts verstehen) – wenn es dem Psychoanalytiker gelingt, diese Haltung einzunehmen, kann er sich ganz auf das Hier und Jetzt der Analyse-Sitzung einlassen. Geprägt wurde der Begriff von Wilfred Ruprecht Bion (1897-1979). Doch in der Ausbildung zum Psychoanalytiker ist man häufig so angespannt, dass diese Haltung ein Ding der Unmöglichkeit zu sein scheint. Weiterlesen

87 Wie werde ich Psychoanalytikerin? Das Ausfallhonorar

Da ist man krank, sagt die Stunde ab und der Psychoanalytiker verlangt ein Ausfallhonorar von hundert Euro. "Es ist wie bei einem Englisch-Kurs in der Volkshochschule", erklärt der Analytiker. "Wenn Sie da nicht kommen, müssen Sie den Gesamtpreis ja auch z...

Dieser Beitrag ist nur für Mitglieder sichtbar.

Jetzt Mitglied werden

34 Wie wird man Psychoanalytiker? Viele Ängste ertragen

Sich auf den Weg zu machen, um Psychoanalytiker zu werden, bedeutet, sich unzähligen Ängsten auszusetzen. Handfeste Sorgen drehen sich um die Finanzierung, um Abhängigkeiten und das Organisieren der Ausbildung. Doch das ganze Berufsleben über beschäftigen ...

Dieser Beitrag ist nur für Mitglieder sichtbar.

Jetzt Mitglied werden