In der Psychoanalyse-Ausbildung stellst Du die Sitzungen, die Du mit Deinem Ausbildungs-Patienten hast, nach jeder vierten Stunde (Beispiel DPV) Deinem Supervisor vor. Hier kommt es besonders auf das „szenische Verstehen“ an. Es ist also nicht nur das konkrete Geschehen wichtig – es geht auch um die Dinge, die sich im Vorder-, im Hintergrund und auf Nebenschauplätzen abspielen. Die Informationen, die Du zwischen den Zeilen des Gesagten erhältst, sind ebenso wichtig wie das Gesagte und Gedachte selbst. In welcher Stimme sprach der Patient und wie war er gekleidet? Mit welcher Stimme oder Körperhaltung hast Du geantwortet? Was waren Deine Phantasien, Deine Körperreaktionen und Gefühle? Du beschreibst also nicht nur, was Dir mit dem Patienten konkret passiert, sondern Du beschreibst die Handelnden und die Bühne dazu. Außerdem bildest Du Hypothesen: Wie erkläre ich mir das, was da passiert? Das kann dazu führen, dass Du anfangs jede Stunde detailliert aufschreibt. Beim ersten Analyse-Patienten, der phasenweise vier Mal pro Woche kommt, klappt das noch wunderbar, doch beim zweiten Patienten kann es im Arbeitsalltag schon eng werden. Weiterlesen
Wer beschließt, Psychotherapeut*in oder Psychoanalytiker*in zu werden, hat sich wahrscheinlich schon lange viele Gedanken gemacht. Was viele nicht wissen: Voraussetzung für eine Ausbildung zum Psychoanalytiker/zur Psychoanalytikerin ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium, aber das muss nicht unbedingt Medizin oder Psychologie sein. Es gibt auch Akademiker anderer Fachrichtungen, die z.B. bei der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV), der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) oder der Gesellschaft für Psychoanalyse und Psychotherapie (GPP) eine Ausbildung zum/zur Psychoanalytiker*in machen. Das ist zwar oft sehr schwierig, aber möglich. Nach abgeschlossener Ausbildung sind sie dann sogenannte „Laien-Analytiker“ – doch die Ausbildung ist dieselbe wie bei Ärzten und Psychologen auch. Weiterlesen
Um Psychotherapeut*in/Psychoanalytiker*in zu werden, brauchst Du ein Interesse daran, das Aversive zu untersuchen. Deswegen ist dieser Beruf oft auch so schwierig und deswegen scheuen sich viele Patienten davor, eine psychoanalytische Psychotherapie zu beginnen. Manchmal machen wir Halt, bevor es zu aversiv wird. Wir sagen, wir wollen den Patienten schonen, doch wollen wir häufig auch uns selbst schonen. Rasch schauen wir nach den den Stärken und Ressourcen. Doch wenn Patienten eine ähnliche Atmosphäre schaffen wie die, in der sie groß geworden sind, wenn es also auch um Gewalt, Schuld, Ekel und (noch) nicht Benennbares geht, dann ist es oft schwer auszuhalten.Weiterlesen
Wenn wir eine strenge Mutter hatten, dann brauchen wir eine weiche Psychotherapeutin, damit wir eine emotional korrigierende Erfahrung machen können und dadurch gesund werden. Meinen wir. Doch so leicht geht es oft nicht. Wir sehnen uns so sehr danach, selbst eine „emotional korrigierende Erfahrung“ zu machen oder sie unseren Patienten zur Verfügung zu stellen, dass wir uns da vielleicht manchmal verausgaben. Wir sind nicht nur in der Psychotherapie auf der Suche nach der emotional korrigierenden Erfahrung, sondern auch in der Partnerschaft oder Elternschaft.Weiterlesen
„Meine alte Therapeutin hat während der Sitzung immer mitgeschrieben“, sagt ein Patient. Er ist irritiert, dass ich nicht mitschreibe. Er fragt sich, ob mich mir alles merken kann. Während der Sitzung mitzuschreiben kann Vorteile haben, weil man die Informationen ordnen kann. Durch das Mitschreiben können sich manche Therapeuten besser konzentrieren. Beim Patienten kann dadurch das Gefühl entstehen, dass das, was er sagt, gut gehalten wird und einen Platz findet. Er spürt, dass es wichtig ist, was er sagt. Das Mitschreiben hat jedoch auch Nachteile. Manche Therapeuten schreiben gerade zu Beginn ihrer Therapeuten-Tätigkeit sehr viel mit. Weiterlesen
„Da musstest Du ja sicher viel lesen und Theorien lernen“, hörte ich manchmal, wenn ich sagte, dass ich eine Ausbildung zur Psychoanalytikerin bei der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) gemacht (aber nicht abgeschlossen) habe. Doch diese Ausbildung ist anders als ein Medizin- oder anderes verkopftes Studium. Besonders in Prüfungen – sei es im Vorkolloquium, im Zentralseminar oder im Kolloquium – wird das deutlich. Worauf es in einer Psychoanalyse-Prüfung ankommt, zeigt aus meiner Sicht die wunderbare arte-Dokumentation „Dirigenten – jede Bewegung zählt“. Sie erzählt die Geschichte eines jungen Dirigenten, der an einem Wettbewerb teilnimmt und weit hinten landet, obwohl er über Talent, Musikalität, Technik, Wissen und Können verfügt. Er solle es noch einmal in zwei Jahren versuchen, wird ihm gesagt. Weiterlesen
Je schwerer eine Erkrankung, desto größer manchmal die Retterphantasie, könnte man vielleicht sagen. Ärzte, die mit dem Defibrillator zum Herzkranken laufen, sind – je nach Situation – hoch motiviert und wollen helfen. Schaffen sie es, so haben sie den Patienten gerettet. In der Psychotherapie- und Analyse-Ausbildung lernen Kandidaten oft, dass sie sich vor der Retterphantasie hüten sollten. Doch auch in der Psychotherapie kann man sich durch psychisch schwer kranke Patienten besonders herausgefordert fühlen. Da sich mehr oder weniger bewusste Retterphantasien nicht „verhindern“ lassen, ist es wichtig, sie zu bemerken. Eine Retterphantasie kann z.B. als Gegenübertragungsphantasie oder -Gefühl auf einen Patienten entstehen, der selbst einen „Größenwahn“ hat. Weiterlesen
In Psychoanalysen braucht man sehr viel Geduld – und den Glauben daran, dass das Wesentliche, um das es geht, schon auftauchen wird. Der britische Psychoanalytiker Wilfred Bion (1897-1979) gilt als der Psychoanalytiker, der für „Intuition“ steht. Gleichzeitig lässt er das Objektive, das Logische nicht aus dem Blick. Bions ehemaliger Analysand James S. Grotstein (1925-2015, Melanie-Klein-Trust) hat in seinem Buch „A Beam of Intense Darkness“ die wichtigsten Erkenntnisse Bions zusammengefasst (Wilfred Bions Legacy to Psychoanalysis, Karnac Books, 2007 and Kommentar von James Grotstein, Karnac). Weiterlesen
In der psychoanalytischen Ausbildung stellt man seinen Patienten („Ausbildungsfall“) bzw. die Behandlung regelmäßig seiner Ausbildungsgruppe vor. Bei der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) und der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) wird hierfür der Begriff Kasuistisch-technisches Seminar („KT“ oder „KTS“) benutzt. Es ist ein Pflicht-Seminar, das Ausbildungskandidaten (AK) nach dem Vorkolloquium einmal pro Woche besuchen. Alle Kandidaten behandeln ihre Patienten (Ausbildungsfälle) drei bis vier Mal pro Woche, meist im Liegen auf der Couch – es sei denn, sie haben gerade erst das Vorkolloquium bestanden und suchen noch nach einem geeigneten Patienten.
Auch wenn man noch keine eigenen Fälle hat, kann man als Ausbildungskandidat*in nach dem Vorkolloquium am KT teilnehmen und sich mit seinen Ideen am vorgestellten Fall beteiligen. Geleitet wird das Seminar von Lehranalytikern.
Ein Ausbildungskandidat stellt seinen Patienten vor. Er berichtet aus einer Psychoanalyse-Sitzung, von seinen Phantasien dazu und von seinen Gegenübertragungen. Er erzählt etwas zur Lebensgeschichte des Patienten, der immer anonym bleibt. Die anderen Kandidaten sagen, welche Phantasien bei ihnen entstanden sind. Es ist immer wieder erstaunlich, wie treffend diese Phantasien sein können und wie sehr sie dem Kandidaten, der seinen Fall vorstellt, damit helfen. Bei dieser Arbeit kann sich jeder ganz seinen Einfällen, Ideen und inneren Bildern überlassen. Ohne Ziel, ohne System. Es ist wie Spielen. Ein kreativer Prozess, der beiden hilft: dem Patienten und dem angehenden Analytiker.
Dieser Beitrag erschien erstmals am 5.5.2015
Aktualisiert am 17.7.2023