„Psychoanalytiker werden dafür bezahlt, dass sie nichts sagen“, heißt es. „Manchmal frage ich mich, warum ich dahin gehe – der sagt ja gar nichts“, sagt ein Patient. „Sie können das Schweigen nicht aushalten“, sagt der Supervisor. „Ich bin so froh, dass Sie gerade nichts sagen“, sagt eine Analysandin tief berührt. Schweigen und dem Schweigen ausgesetzt zu sein, ist immer anders. Es gibt desinteressiertes, gelangweiltes, interessiertes, haltendes, nachdenkliches, beschwingtes, friedliches Schweigen und viele Arten mehr. Manchmal ist vom Analytiker oder vom Patienten rein gar nichts zu hören. Manchmal hört man, wie sich einer der beiden über Pulli, Hose oder Gesicht streicht. Einen Augenblick später hört man den Atem. Weiterlesen
Der Satz „Ich mache mir Sorgen um Sie“ ist sicher einer der sensibelsten in der Psychotherapie. Es kann so vieles heißen. Das Sich-Sorgen kann anzeigen, dass eine bedeutsame Bindung zwischen Analytiker*in und Analysand*in entstanden ist. Manche erleben es vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben, dass sich überhaupt jemand um sie sorgt. Hier kann der Satz eine korrigierende emotionale Erfahrung ermöglichen. Er kann jedoch auch verunsichern und auf fruchtlose Weise beunruhigen. Der Satz kann das Gefühl auslösen, dass etwas Schlimmes passieren wird, ohne dass irgendjemand hier noch die Zügel in der Hand hätte.Weiterlesen
„Also Du hast den Patienten verstanden. Und was machst Du dann, damit Du ihm hilfst?“, werde ich manchmal gefragt. „Da hat der Analytiker mich verstanden und ich habe mich allein dadurch um Längen besser gefühlt. Ich habe das Gefühl, es hat sich wirklich etwas verändert“, erzählt eine Patientin. „Und dann?“, fragt die Freundin. „Nichts ‚und dann‘ – das hat gereicht“, sagt die Patientin. Tatsächlich geraten Patienten und Analytiker manchmal in Erklärungsnot, wenn es an dieser Stelle um die Wirkung der Psychoanalyse geht. Es müsse doch etwas folgen, man müsse doch etwas machen, so der Gedanke. Doch man darf gelassen bleiben. Weiterlesen
Das intensive Zuhören zu erlernen, ist sicher eine der größten Herausforderungen in der psychothearpeutischen Ausbildung. Der amerikanische Psychoanalytiker Lewis Aron (1952-2019) hat in einem wunderbaren Zitat zusammengefasst, worum es in der Psychoanalyse geht (2009, frei übersetzt von Voos): „Das ist es, was Psychoanalyse ist. Das ist es, was wir anbieten: Wir hören den Menschen ganz genau zu, über eine lange Zeit und mit einer großen Intensität. Wir hören auf das, was sie sagen und auf das, was sie nicht sagen; auf das, was sie in Worten sagen und jenes, was sie mit ihren Körpern und ihren Handlungen ausdrücken. Und wir hören ihnen zu, indem wir uns selbst zuhören – wir achten auf unsere Psyche, unsere Träumereien und unsere körperlichen Reaktionen.“ Weiterlesen
„Du hast ja Angst vor Deinem eigenen Baby!“, wird Müttern manchmal vorgeworfen. In der Tat können Babys mit ihrer Unersättlichkeit Angst machen: „Was, wenn ich Fieber habe und mein Baby nicht versorgen kann?“, denkt die Mutter. Enge Zweierbeziehungen können sehr einengen. Gerade, wenn ich als angehende Psychotherapeutin/Psychoanalytikerin selbst frühtraumatisiert bin, kann ich erneut erleben, wie gefährlich eine enge und abhängige Beziehung werden kann. Wenn Angst und Wut aufkommen, lässt die Mentalisierungsfähigkeit nach – ich bin damit beschäftigt, mich selbst zu schützen. Die Kunst ist es, in der Therapie weiterhin mentalisierungsfähig zu bleiben, auch, wenn man gerade Angst hat oder von Aggression überwältigt ist. Weiterlesen
Ein Psychoanalytiker hört lange zu und deutet dann. Er findet im Dickicht eine Lichtung, beschreibt das Gefühl oder Bild, das in ihm entstanden ist, er hat eine Idee, errät den Zustand des Patienten oder stellt einen bisher nicht gesehenen Zusammenhang her. „Deutung“ in der Psychoanalyse heißt vereinfacht: etwas Unbewusstes bewusst werden lassen. Eine Deutung weist auf die „Bedeutung“ von etwas hin. Doch wann ist das, was der Analytiker sagt, nur eine Äußerung, und wann eine Deutung? Wenn eine Deutung (englisch: Interpretation) zutrifft, dann sind Patient und Analytiker oft berührt und erleichtert. Beide haben dann das Gefühl, etwas verstanden zu haben. Weiterlesen
In der Psychoanalyse-Ausbildung stellst Du die Sitzungen, die Du mit Deinem Ausbildungs-Patienten hast, nach jeder vierten Stunde (Beispiel DPV) Deinem Supervisor vor. Hier kommt es besonders auf das „szenische Verstehen“ an. Es ist also nicht nur das konkrete Geschehen wichtig – es geht auch um die Dinge, die sich im Vorder-, im Hintergrund und auf Nebenschauplätzen abspielen. Die Informationen, die Du zwischen den Zeilen des Gesagten erhältst, sind ebenso wichtig wie das Gesagte und Gedachte selbst. In welcher Stimme sprach der Patient und wie war er gekleidet? Mit welcher Stimme oder Körperhaltung hast Du geantwortet? Was waren Deine Phantasien, Deine Körperreaktionen und Gefühle? Du beschreibst also nicht nur, was Dir mit dem Patienten konkret passiert, sondern Du beschreibst die Handelnden und die Bühne dazu. Außerdem bildest Du Hypothesen: Wie erkläre ich mir das, was da passiert? Das kann dazu führen, dass Du anfangs jede Stunde detailliert aufschreibt. Beim ersten Analyse-Patienten, der phasenweise vier Mal pro Woche kommt, klappt das noch wunderbar, doch beim zweiten Patienten kann es im Arbeitsalltag schon eng werden. Weiterlesen
Wer beschließt, Psychotherapeut*in oder Psychoanalytiker*in zu werden, hat sich wahrscheinlich schon lange viele Gedanken gemacht. Was viele nicht wissen: Voraussetzung für eine Ausbildung zum Psychoanalytiker/zur Psychoanalytikerin ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium, aber das muss nicht unbedingt Medizin oder Psychologie sein. Es gibt auch Akademiker anderer Fachrichtungen, die z.B. bei der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV), der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) oder der Gesellschaft für Psychoanalyse und Psychotherapie (GPP) eine Ausbildung zum/zur Psychoanalytiker*in machen. Das ist zwar oft sehr schwierig, aber möglich. Nach abgeschlossener Ausbildung sind sie dann sogenannte „Laien-Analytiker“ – doch die Ausbildung ist dieselbe wie bei Ärzten und Psychologen auch. Weiterlesen