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Schwindel und der Weg zu neuem Halt: Neuronitis vestibularis und Vestibularismigräne

Du wachst auf und alles dreht sich. Du musst Dich vielleicht übergeben, fühlst Dich benommen und bist wie seekrank, ohne auf einem Schiff zu sein. Die Diagnose: Neuronitis vestibularis – ein entzündeter Gleichgewichtsnerv. Vielleicht ist es aber auch eine Vestibularismigräne. Dieser Schwindel macht vor allem in den ersten Stunden sehr große Angst. Doch rede Dir gut zu und versuche, Dich ruhig zu verhalten. Wenn Du Deinen Mund und Deine Hände frei bewegen kannst, ist es sehr wahrscheinlich zumindest kein Schlaganfall. Du kannst den FAST-Test machen, um orientierend einen Schlaganfall festzustellen oder auszuschließen. Weiterlesen

Übelkeit beim Sex – woher kommt das?

„Wie kommt das Baby in den Bauch?“ In der Vorstellung kleiner Kinder hat die Schwangerschaft oft noch irgendwie mit dem Verdauungstrakt zu tun, obwohl sie ahnen, dass es noch ein anderes System gibt für Befruchtung, Schwangerschaft und Geburt. Wenn Kinder Szenen beobachten, die an Sexuelles erinnern (z.B. Geburten im Fernsehen), wird es ihnen manchmal übel. Auch als Erwachsene spüren wir die enge Verbindung von Magen-Darm- und Reproduktionstakt – rein körperlich, aber auch psychisch. Wenn wir dazu noch sexuellen Missbrauch oder Gewalt erfuhren, können Berührungen rasch Übelkeit in uns auslösen. Unsere (un-)bewussten Phantasien entstehen unter anderem durch körperliche Empfindungen und durch Erinnerungen. Viele sind ein Leben lang aktiv und allein schon manche Phantasie kann uns Übelkeit verursachen. Doch die Übelkeit beim Sex lässt sich auch mit dem Nervus vagus erklären. Weiterlesen

Psychogene Schluckstörungen und Phagophobie (Angst vor dem Schlucken) können quälen. Was hilft?

„Ich kann nicht schlucken, weil ich immer Angst habe, mich zu verschlucken.“ Sich zu verschlucken, also etwas in die Luftröhre zu bekommen, ist mit das Unangenehmste, was wir erleben können. Kein Wunder, dass manche davor richtig Panik haben. Wenn Du Dich verschluckst, bekommst Du für ein paar Augenblicke (eine gefühlte Ewigkeit) keine Luft mehr. Das Einatmen kann dann furchterregend klingen – Du hast dann einen sogenannten „Inspiratorischen Stridor“, also ein Erstickungsgeräusch beim Einatmen. Besonders, wer unter einer Schluckstörung leidet, kann verzweifeln. Was hilft?Weiterlesen

Emetophobie – die Angst, sich zu übergeben

Die Angst, sich zu übergeben (Emetophobie, specific phobia of vomiting, SPOV), kann enorme Ausmaße annehmen. Wenn Du selbst betroffen bist, hast Du vielleicht keine Freude mehr an gemeinsamen Mahlzeiten. Schon nach wenigen Bissen hast Du vielleicht das Gefühl, alles wieder ausspucken zu müssen. Du meidest vielleicht deswegen Konzerte, Unternehmungen mit Freunden oder Vorträge. Ein Globusgefühl oder ein ständiger Würgereiz kann die Folge eines angespannten vegetativen Nervensystems sein. Hier können tägliche Atemübungen helfen. Vielleicht hilft es Dir, immer ein Mittel gegen Übelkeit bei Dir zu haben – auch, wenn Du es nie nimmst, so hast Du vielleicht ein wenig das Gefühl, im Ernstfall etwas tun zu können. Weiterlesen

Wir müssen nicht immer „machen“

„Da muss jetzt unbedingt etwas passieren. Was soll ich tun?“ Nichts. Manchmal einfach nichts. Oder sogar öfter mal nichts. Wir kommen so oft in Bedrängnis, weil wir ständig das Gefühl haben, dass wir aktiv etwas tun sollen. Wir wollen immer sofort reagieren. Im Rechtsstreit, bei medizinischen Problemen, bei psychischen Beschwerden. Schlimmer noch: Wir wollen nicht nur sofort reagieren, wir wollen sogar verhindern, dass etwas passiert. Doch so kann sich nichts entfalten. Gerade in der Meditation oder in der Psychoanalyse entdecken die Menschen häufig unerwünschte Gefühle, die sie sofort wieder loswerden wollen, nachdem sie sie entdeckt haben: „Was soll ich jetzt tun?“, ist die Frage, die sofort kommt. Weiterlesen

Wir können unsere Ohren bewusst spitzen

Wenn Dir etwas interessant erscheint, dann spannt sich Dein Trommelfellmuskel an, sodass Du in dem Moment besser hören kannst. Der französische Hals-Nasen-Ohren-Arzt Alfred Tomatis widmete sich diesem Phänomen ganz besonders. Der Arzt Dirk Beckedorf und der Psychologe Franz Müller beschreiben in ihrem Zeitschriftenbeitrag, wie die Ohren mit den Themen Beruhigung, Bindung und Kommunikation zusammenhängen. Dabei erläutern sie auch die Polyvagaltheorie nach Stephen Porges (1999).

Wir tragen einen großen Ruhenerv in uns, den Nervus vagus (= 10. Gehirnnerv, gehört zum parasympathsichen Nervensystem). Der Vagusnerv erhält auch Äste vom Trommelfell. Er ist also insbesondere für den Empfang von Sinnesreizen zuständig. Für die Bewegung des Trommelfells sorgt der 5. Hirnnerv (Nervus trigeminus). Er bewirkt, dass sich der Trommelfellmuskel (Musculus tensor tympani) anspannt. Der Steigbügelmuskel wird vom 7. Hirnnerven (Nervus facialis) bedient.

Der Nervus vagus hingegen leitet Erregungen an das Gehirn weiter und ist somit ein sensibler (= sensorischer) Nerv. Für Bewegung sorgt der Nervus vagus unter anderem im weichen Gaumen, in der Speiseröhre und im Darmbereich – dort wirkt er also „motorisch“. Der Forscher Stephen Porges stellte die Theorie auf, dass der Vagus-Nerv aus einem älteren, hinteren (= dorsalen) Anteil besteht und einem jüngeren, vorderen (= ventralen) Anteil, der insbesondere an unserer Kommunikation inklusive Hören, Stimme und Gesichts-Mimik beteiligt ist.

Der vordere Nervus vagus sorgt für Ruhe

Der vordere Nervus Vagus ist aktiv, wenn wir ruhig und entspannt sind. Der Nervus vagus gibt Äste zum Trommelfell und auch zum Kehlkopf ab – hier sieht man, wie sehr das Hören mit unserer Stimme zusammenhängt. Der Nervus vagus gibt auch einen kleinen Hautast über dem Ohr ab (Ramus auricularis). „Der Ramus articularis ist der einzige Hautast des Nervus vagus“ (www.kenhub.com/de/library/anatomie/nervus-vagus). Vielleicht greifen sich kleine Kinder auch deshalb immer zum Ohr, wenn sie müde sind.

Wenn wir bestimmte Frequenzen nicht hören können, dann können wir auch mit unserer Stimme diese Frequenzen kaum erklingen lassen (Erstes Tomatis-Gesetz). So wird klar, warum bei Erkältungen sowohl die Ohren als auch die Stimme leiden. Das Zweite Tomatis-Gesetz besagt, dass die fehlenden Frequenzen in der Stimme wieder auftauchen, sobald das Ohr die Gelegenheit bekommt, „schlecht gehörte Frequenzen wieder normal zu hören“ (Beckedorf und Müller, 2014).

Gute Musik hilft dem Körper

Wenn wir also Gutes hören, so beeinflussen wir damit unseren ganzen Körper. Wir werden ruhiger, atmen ruhiger und auch der Herzschlag beruhigt sich. Bei der Ausatmung geht der Herzschlag etwas langsamer als bei der Einatmung – das ist mit ein Grund, warum bei den Atemübungen im Yoga (Pranayama) die Ausatmung eine so wichtige Rolle spielt.

Interessant werden diese Zusammenhänge auch für die Psychoanalyse, denn der Psychoanalytiker sitzt hinter der Couch und der Patient hört nur seine Stimme. Wenn der Psychoanalytiker eine stimmige Deutung abgibt, dann wirkt das in Kombination mit der Stimme des Analytikers ganz besonders beruhigend.

Das Vagusparadox

So sehr der Nervus vagus für die gute Ruhe zuständig ist, so sehr kann er aber auch in starken Stresssituationen gefährlich aktiv werden: Er kann das Herz so verlangsamen (Vagusbremse), dass man daran sterben kann (siehe auch Auge-Herz-Reflex). Er ist auch am Totstellreflex beteiligt – eine Mischung aus äußerem Gelähmtsein und höchster innerer Anspannung unter Beteiligung des sympathischen Nervensystems. Der vordere Vagus aber kann die Vagusbremse auch wieder lockern (gemäß Polyvagaltheorie).

Der hintere Teil des Vagus hat keine Myelinscheiden, also keine Ummantelung, das heißt, er leitet die Nervenimpulse langsamer als der vordere Teil, der Myelinscheiden hat. Nerven mit Myelinscheiden leiten etwa 10-mal schneller als Nerven ohne Myelinscheiden (gut erklärt auf Spektrum.de).

„Unter normalen Umständen ist der dorsale Vagus durch den Sympathikus und dieser wiederum durch den ventralen Vagus gebremst. Immer kontolliert also das entwicklungsgeschichtlich jüngere System das ältere. Nur im Notfall springt das ältere System sozusagen in die Bresche (Prinzip von Jackson JH: Evolution and dissolution of the nervous system., 1958)“ (Beckedorf und Müller, 2014).

Unser emotionaler Zustand zeigt sich besonders in unserer Stimme: Wir brummen tief, wenn wir entspannt sind, und schreien spitz, wenn wir in Aufregung sind. Wir können uns selbst einmal zuhören – können wir uns selbst durch unsere eigene Stimme beruhigen? Manchmal wohl ja und manchmal eher nein …

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Literatur:

Dirk Beckedorf, Franz Müller:
Enrico Caruso, Alfred Tomatis und die moderne Neurobiologie
Prosoziales Hören, ruhiger Herzschlag und gelingende Kommunikation
Schweiz Z Ganzheitsmed 2014;26: 156-161, https://doi.org/10.1159/000362487, www.karger.com/Article/Fulltext/362487

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 2.2.2020
Aktualisiert am 18.4.2023

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Was macht Bildung mit unserem Gesicht?

„Die Chefs erkennen die Bewerber am Stallgeruch“, heißt es in den höheren Etagen. Die Bewerber bräuchten nur den Raum zu betreten und die Chefs wüssten bereits, wie sie sie einordnen können. Manchmal sind dann selbst die motiviertesten Menschen chancenlos, wenn es ihnen am entsprechenden Stallgeruch fehlt (siehe Soziologie-Professor emeritus Michael Harmann auf (deutschlandfunk.de, 2002), TU Darmstadt). Man kann es sich nicht antrainieren, weil z.B. auch die unwillkürliche Gesichtsmuskulatur viel über den Menschen aussagt. Es sind kleine Details, die wir nicht beeinflussen können. Viele intelligente Kinder kommen nicht in den Genuss von Bildung, weil ihr sozialer Stress zu hoch ist – sie sind beschäftigt mit den lauten Streitereien in der Familie, den unkontrollierbaren Reaktionen der Eltern und den Anspannungen, die durch Armut entstehen. Weiterlesen

Morgens soll das rechte Nasenloch frei sein

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Bei vielen Menschen wechselt die Durchlässigkeit der Nasenlöcher spürbar ca. alle 90 Minuten bis zwei Stunden: Einmal ist das linke Nasenloch freier, dann das rechte. Nach ayurvedischer Medizin gehört das rechte Nasenloch zum sympathischen Nervensystem und das linke Nasenloch zum parasympathischen Nervensystem. Der Arzt Dr. Prakash Malshe schreibt in seinem interessanten Buch „A Medical Understanding of Yoga“ (amazon), dass es gut sei, wenn morgens beim Aufstehen das rechte Nasenloch frei sei. Damit das rechte Nasenloch frei wird, solle man sich vor dem Aufstehen auf die linke Seite legen. Weiterlesen

Druck auf Achselhöhle macht Nase frei

druck_auf_axilla

Interessante Untersuchung aus dem Jahr 1985: Wenn man mit einer Holzkrücke 15 Minuten lang Druck auf die Achselhöhle (Axilla) ausübt, dann erhöht sich der Atemwiderstand am Nasenloch derselben Seite und es erniedrigt sich der Atemwiderstand der anderen Seite (Davies and Eccles 1985). Yogis wissen das seit je her: Mit der Faust in der linken Achselhöhle können sie das rechte Nasenloch aktivieren und umgekehrt (siehe unten: Padadhirasana, siehe Yoga-Vidya). Weiterlesen