Psychotherapie-Antrag an den Gutachter – wie schreibt man ihn?

Damit eine Langzeit-Psychotherapie von den Krankenkassen gezahlt wird, muss der kassenärztliche Psychotherapeut einen Patienten-Bericht an den Gutachter der Krankenkasse schreiben. Der Bericht kann frei formuliert werden und sollte nicht länger als zwei Din-A4-Seiten sein. Den Psychotherapie-Bericht an den Gutachter schreibt man nur, wenn man Vertrags-Psychotherapeut ist. Die Anträge beim Kostenerstattungsverfahren von Therapeuten in Privatpraxen gehen zur Begutachtung an den MdK (Medizinischen Dienst der Krankenkassen). Wenn man im Kostenerstattungsverfahren arbeitet, soll man die Formulare der Kassenärztlichen Vereinigung/Krankenkassen nicht nutzen.

Der Patienten-Bericht an den Gutachter muss bei den gesetzlichen Krankenkassen in einen speziellen Umschlag (PTV 8) gelegt werden. Die Umschläge können bei der Kassenärztlichen Vereinigung bestellt werden. Der Umschlag muss fest verschlossen werden. Die Chiffre-Nummer besteht aus dem Anfangsbuchstaben des Nachnamens des Patienten sowie seinem Geburtsdatum (6-stellig). Keinesfalls darf der Name des Patienten im Bericht an den Gutachter erscheinen.

Stellt man als Psychotherapeut einer Privatpraxis einen Kostenerstattungsantrag bei der gesetzlichen Kasse (offiziell stellt der Patient den Antrag, aber der Therapeut liefert die Unterlagen), dann kommt der Patientenbericht in einen handelsüblichen, neutralen Umschlag.

„Im Rahmen dessen (Anmerkung Voos: Gutachterantragsverfahren) wurden in den letzten Jahren 3-4%
(Kassenärztliche Bundesvereinigung, 18.04.2019) der Anträge auf Kostenübernahme für tiefenpsychologisch bzw. analytisch fundierte Psychotherapie und Verhaltenstherapie von Gutachtern nicht befürwortet.“ (Lisa-Marie Linn, 2022: Gutachterverfahren in der ambulanten Psychotherapie –
Gründe und Prädiktoren der Nichtbefürwortung von Anträgen, PDF).

Der Bericht an den Gutachter sollte folgende Informationen enthalten:
gemäß PTV-3: Leitfaden für den Therapeuten zur Erstellung des Berichts an den Gutachter, PTV = Psychotherapievereinbarung, siehe https://www.kbv.de/media/PTV3_web.pdf

  • 1. Soziodemographische Daten: Beruf, Familienstand etc.
  • 2. Symptomatik und psychischer Befund
  • 3. Somatischer Befund/Konsiliarbericht, aktuelle Psychopharmaka, Vorbehandlungen
  • 4. Behandlungsrelevante Angaben zur Lebensgeschichte, zur Krankheitsanamnese, zur Psychodynamik
  • 5. Diagnose zum Zeitpunkt der Antragstellung, ggf. Differenzialdiagnose
  • 6. Behandlungsplan und Prognose, inklusive Begründung des Settings
  • 7. Zusätzliche erforderliche Angaben beim Umwandlungsantrag: Begründung der Umwandlung von Kurzzeit- in Langzeittherapie, bisheriger Verlauf

„Dem Patienten geht es schlecht. Es soll ihm wieder besser gehen.“ (Gelesen auf derStandard.at) Das wäre die angenehme Kurzform eines Psychotherapie-Antrags.

Wichtig:

  • Die Diagnose sollte im Bericht an den Gutachter sowohl als ICD-Diagnose als auch als „Neurosenpsychologische Diagnose“ formuliert sein, z.B. „Depression vor dem Hintergrund einer Individuationsproblematik“.
  • Die Symptome und Auslöser der Krise, die zum Besuch des Psychotherapeuten führten, sollten genau beschrieben werden.
  • Besonders wichtig ist der Punkt „Psychodynamik“:

Wie ist diese Störung entstanden? Welche unbewussten Wünsche gibt es? Was ist der Grundkonflikt? Wie wehrt der Patient seine Triebe/Wünsche ab? Was zeigt sich in der Übertragung und Gegenübertragung?

  • Der Gutachter sollte leicht einen Überblick über die „Art der Beziehungen, die Persönlichkeitsstruktur und die inneren Konflikte“ gewinnen. (Peter Wollschläger: Mit Hilfe der operationalisierten psychodynamischen Diagnostik zum Gutachtenantrag für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, https://sbt-in-berlin.de/cip-medien/06.Wollschlaeger.pdf)
  • Das Übertragungs- und Gegenübertragungsgeschehen sollte beschrieben werden.
  • Es ist oft günstig, sich für einen „Hauptstrang der (Entwicklungs-)Geschichte“ zu entscheiden.
  • Viele sagen, dass eine allgemeine Höhe des Strukturniveaus benannt werden sollte, auch, wenn das Niveau in Subbereichen oft unterschiedlich hoch ist. Ich selbst vermeide es mitunter, ein allgemeines Strukturniveau zu nennen, weil ich es oft als diskriminierend empfinde. Immer sollte man auch im Sinn haben, dass die Patienten ihren Bericht auf Verlangen lesen dürfen.
  • Der Psychotherapeut sollte genau begründen, warum er gerade dieses Setting für diesen Patienten als sinnvoll erachtet.
  • Ziele sollten formuliert werden und der Weg zum Ziel sollte als Konzept erscheinen.
  • Der Bericht sollte nur noch zwei Seiten lang sein. Ist er zu lang, kann der Gutachter ihn mit Bitte um Kürzung zurückschicken.

Bericht und Formulare

Der Bericht wird in einen geschlossenen roten Umschlag gelegt. Dieser wird zusammen mit den Formularen in einen großen Umschlag gesteckt und zur Krankenkasse geschickt.

Die wichtigsten Formulare sind:

Antrag des Versicherten auf Psychotherapie (PTV 1) (PTV = Psychotherapievereinbarung)
– Der Patient füllt diesen Antrag aus: ein Exemplar ist für die Krankenkasse, eines für den Therapeuten und eines für den Patienten selbst bestimmt.
Angaben des Therapeuten (PTV 2)
– Angaben des Therapeuten (zum Antrag des Versicherten/zum Bericht an den Gutachter), ebenfalls in 3-facher Ausfertigung

Alle Formulare auf einen Blick:
http://www.kbv.de/media/sp/02_Mustersammlung_PT.pdf
Die Vordrucke können bei den Kassenärztlichen Vereinigungen bestellt werden.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Links:

Lisa-Marie Linn (2022):
Gutachterverfahren in der ambulanten Psychotherapie –
Gründe und Prädiktoren der Nichtbefürwortung von Anträgen

Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin
Mainz, 2022
https://openscience.ub.uni-mainz.de/bitstream/20.500.12030/8249/1/gutachterverfahren_in_der_amb-20221106142628068.pdf

Dieter Adler:
Der Antrag auf psychodynamische Psychotherapie
Ein Leitfaden zur Berichterstellung (inkl. Kinder- und Jugendlichen- und Gruppenpsychotherapie)
Psychosozial-Verlag, 2018

Berichte schreiben
Eine Website von Dieter Adler (DPV)
www.berichte-schreiben.de

Elgeti, Hermann (2004):
Einführung in die Tiefenpsychologische Anamneseerhebung
und die Erstellung eines Berichtes zum Psychotherapie-Erstantrag

Medizinische Hochschule Hannover, 2004 (PDF)

Jungclaussen, Ingo; Stang, Martina (2013):
Berichte an den Gutachter: Braucht es immer einen Konflikt?
Deutsches Ärzteblatt, PP 12, Ausgabe April 2013, Seite 171
www.aerzteblatt.de/archiv/136985/Berichte-an-den-Gutachter-Braucht-es-immer-einen-Konflikt

Jungclaussen, Ingo (2012):
Handbuch Psychotherapie-Antrag:
Psychodynamisches Verstehen und effizientes Berichtschreiben in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie.
Schattauer-Taschenbuch, 28. Dezember 2012, amazon

Keil-Kuri, Eva (2009):
Kassenanträge – Denkanstoß statt Angstpartie
Schattauer-Verlag, 2009, amazon

Bühring, Petra (2004):
Kommerzielle Hilfe bei Psychotherapieanträgen: Eine Frage der Ehre
Ärzteblatt, PP 3, Ausgabe Juli 2004, Seite 308

Dieser Beitrag erschien erstmals am 10.1.2015
Aktualisiert am 30.12.2023

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