Psychoanalytiker stellen nicht (nur) Diagnosen nach ICD-10, sondern (auch) sogenannte „Neurosenpsychologische Diagnosen“. Diese klingen oft blumig, wie z.B. „Mittelschwere depressiv-hysterische Neurose in Verbindung mit einem psychotraumatischen Belastungssyndrom (nach Fischer und Riedesser 1999) bei sexuellem Missbrauch“ (Quelle: Psychotraumatherapie: Tiefenpsychologisch-imaginative Behandlung von traumatisierten Patienten. Schattauer-Verlag, 1. April 2006). Roderich Hohage erklärt: „Die vollständige Diagnose (hat) drei Teile; in der Praxis reicht es aber aus, wenn zumindest zwei der drei Teile sinnvoll miteinander verbunden werden.“ (Text & Bild: © Dunja Voos)
Die drei Teile der Diagnose (Quelle: z.B. Hohage 2004):
Teil 1 = Symptomatik des Patienten (kann entfallen, wenn „eindeutig abgrenzbare Symptome fehlen“)
Teil 2 = Psychodynamik, z.B. Konfliktdiagnose nach der Operationalisierten Psychodanymischen Diagnostik (OPD), z.B. „Abhängigkeits-Autonomie-Konflikt“.
Teil 3 = struktureller Anteil, also „typische Charakterformationen, typische Persönlichkeitsstörungen oder andere strukturelle Merkmale“ (Hohage), z.B. „Depressive Dekompensation einer Persönlichkeitsstörung mit histrionischen Zügen“.
„Die Patientin zeigt das Bild einer leichten depressiven Episode (ICD-10 F32.0) bei anankastischer und ängstlich dependenter Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.5 und F60.7) auf neurotischem Niveau.“
Quelle: Peter Wollschläger: Mit Hilfe der operationalisierten psychodynamischen Diagnostik zum Gutachtenantrag für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Psychotherapie 16. Jahrg. 2011, Bd. 15, Heft 1©, cip-medien.com, PDF S. 6
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Literatur:
Hohage, Roderich:
Neurosenpsychologische Diagnose
In: Analytisch orientierte Psychotherapie in der Praxis – Diagnostik, Behandlungsplanung, Kassenanträge
Schattauer-Verlag, 4. Auflage, 2004
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 19.4.2017
Aktualisiert am 27.8.2017
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