Das kennt wohl jeder: Wer gerade auf’s Steißbein (Os coccygeum) gefallen ist, bekommt in den ersten Sekunden keine Luft mehr. Es scheint kaum möglich, den Brustkorb zu weiten und Luft zu holen. Es kann helfen, dann sofort die Arme nach hinten zu strecken, um den Brustkorb zu weiten. Meistens erklären Ärzte, dass die Atemnot nach Sturz auf’s Steißbein mit der Stauchung der Wirbelsäule zu tun hat, bei der auch die Nerven, die an den Unterseiten der Rippen entlanglaufen, mitbetroffen sind. Aber da muss mehr sein. Weiterlesen
„Ich habe so viel zu erledigen, ich kann mich nicht hinsetzen und ‚Oom‘ singen“, sagt eine Frau. Sobald sie sich vornimmt, Yoga zu machen oder zu meditieren, drängen sich ihr unglaublich wichtige, ja lebenswichtige Dinge auf: Der Streit mit dem Partner, das nicht überwiesene Geld, der zu verschiebende Termin, der Schimmel im Kühlschrank, der Hautfleck, der wie Krebs aussieht, die Drohung des Nachbarn, einen Rechtsstreit zu beginnen – all das schwirrt im Kopf herum. „Ich muss mich doch sofort daran begeben, zu telefonieren, zu schreiben, zu reden, zu handeln, damit um mich herum keine Brände entstehen, oder?“ „Wenn ich ruhig werde, obwohl um mich herum alles höchst beunruhigend ist, dann betäube ich mich doch selbst, oder?! Wenn ich Geldsorgen habe und eine Stunde meditiere, anstatt zu arbeiten, dann wird doch alles viel schlimmer!“
„Ich habe Angst, dass ich durch das Ruhigwerden nicht mehr auf die alltäglichen Katastrophen reagiere und dann irgendwann aufwache und merke, dass alles kaputtgegangen ist, nur weil ich in meiner Ruhe nichts bemerkt habe“, sagt einer.
Doch wenn man sich trotz der Brände und Aufregungen in einem und um einen herum hinsetzt und versucht, ruhig zu werden, stellt man oft fest: Das Leben regelt sich von selbst. Der Anrufer, der eben noch so dringend drängte, hat eine andere Lösung gefunden. Der verschobene Termin wird durch einen günstigeren ersetzt. Die Flammen, die man als sehr hoch phantasierte, sind nur kleine Kerzenscheine. Und anstatt „betäubt“ zu sein, wird man durch die Ausgeglichenheit sensibler für Entwicklungen, kann über die Dinge besser nachdenken, sie ruhiger beeinflussen und leichter mit anderen reden. Bei der Meditation ist es dann manchmal wie im Urlaub: Während man in den ersten Tagen noch unruhig ist, merkt man nach einiger Zeit vielleicht, wie man ruhiger wird und mehr Abstand gewinnt. Auch, wenn wir nicht da sind, geht das Leben weiter. Irgendetwas fängt uns auf, hält uns, wenn wir ruhig werden.
Irgendwann merken wir: Nicht das Ruhig-Werden ist das Problem, sondern das dauerhafte Mitbrennen, Mit-Hetzen, Handeln und Aktiv-Sein. Durch das Ruhigwerden werden unsere Größenphantasien kleiner, wir werden im positiven Sinne etwas unwichtiger. Der Lebenspuls geht weiter, so wie unser Herz einfach weiterschlägt, ganz besonders dann, wenn wir es in Ruhe lassen.
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 11.5.2017
Aktualisiert am 5.9.2020