Schwierigkeiten in der Kommunikation aus psychoanalytischer Sicht

Kommunikation ist immer auch gegenseitiges Containment: Der Eine hält die Gefühle des anderen, schaut sie sich an, verdaut sie (oder auch nicht) und gibt dem anderen die Gefühle in verdauter (oder zumindest angedauter) Form zurück. Das ist zum Beispiel beim Trost oder bei der Beruhigung der Fall. Funktioniert das Containment gut, dann haben wir eine gute Kommunikation: Der Eine sagt was, der andere hört zu, denkt nach und sagt dem anderen etwas, der wiederum zuhört. Bei beiden trifft das Gesagte auf fruchtbaren, lockeren Boden (kommensales Containment). Der Eine zeigt durch seine Mimik und Gestik, wie es ihm geht, der andere nimmt es entsprechend auf. Keiner will mit dem anderen etwas „machen“, sondern man tauscht sich einfach aus.

Dann wiederum gibt es ungute Containment-Formen: Wer „zumacht“, der kann nichts aufnehmen. Was ich sage, prallt am anderen ab; ich werde auf mich selbst zurückgeworfen und werde wütend.

Oder der andere nimmt das, was ich ihm gebe und „dreht mir die Worte im Mund herum“. Der andere fällt vielleicht über mein Gesagtes her wie ein hungriger Wolf über seine Beute. Das ist dann so etwas wie ein „parasitäres Containment“: Der andere versucht, Nutzen von dem zu haben, was ich ihm gebe. Er will es kontrollieren. So wird echter Kontakt nicht möglich.

Schnelligkeit kann Gift sein für die Kommunikation. „Den hab‘ ich aus meinen Kontakten gelöscht“, sagen wir nach einer Whats-App-Diskussion. Oft reagieren wir in der Kommunikation rasend schnell – zu schnell. Wenn wir lernen, Beunruhigung auszuhalten und trotz Spannung zu warten, etwas „ankommen“ und sich transformieren zu lassen, werden wir uns wundern, wieviel schöner Kommunikation werden kann.

„Ich verstehe Dich zu sehr!“

Dann wiederum gibt es ein Containment, das „zu verständnisvoll“ ist. Der andere hat eine Phantasie davon, wie es mir geht und ist sich 100 Prozent sicher, dass es so ist. Dann versteht er mich nicht, sondern ist bezogen auf seine innere Phantasie, während er das Gefühl hat, mich „voll und ganz“ zu verstehen. Auch wird es schwierig, wenn zwei im selben Gefühlszustand zu sehr gefangen sind: Wenn ich meine Angst mitteilen möchte, der andere aber selbst in einem Angstzustand ist, dann verstärkt meine Angst möglicherweise seine Angst und umgekehrt: Blickt der andere „zu erschrocken“, dann kann es sein, dass ich mich davon noch ängstlicher fühle.

Der andere versteht mich zwar, aber es gibt eine Art „Folie à Deux“, eine „Verrücktheit zu zweit“, also einen gemeinsamen Gefühlszustand, in dem beide gefangen sind.

Die Mimik ist besonders am Lebensanfang wichtig

Wie sehr wir unsere Mimik einsetzen, ist von entscheidender Bedeutung für die Gefühle, die beim anderen entstehen. Das spielt eine große Rolle bei der Mutter-Kind-Kommunikation im Säuglingsalter, wo die Mutter ihre Gesichtsausdrücke noch „markiert“, also „übertreibt“, um dem Baby zu zeigen: „Schau her, so fühlst Du! Unter meinem übertriebenem Gesichtsausdruck liegt mein eigenes Gefühl und das unterscheidet sich von Deinem.“ So kann ich dem Baby zum Beispiel seine Überraschung spiegeln, aber selbst auch herüberbringen, dass ich selbst nicht überrascht bin. Bei dieser frühen Kommunikation kann vieles gelingen, aber auch furchtbar schief gehen.

Größenphantasien | Übertriebene Übertragung | Minderwertigkeitsgefühle | Soziale Phobie | Autismus | Trauma | Neurose | Psychose | Trauer | Körperzustände| Geschwisterkonflikte | Geldsorgen | innere Unruhe| Depressionen | Angst| Launen | Lebensumstände | Frühe Kindheit | Bindungserfahrungen | Narzissmus | Clown | Verstecklust | Exhititionslust | Rückzugswünsche | Rachegelüste | Provokation … all dies und noch viel mehr beeinflusst die Kommunikation.

Verschiedene Worte für Dasselbe finden

Ruhige Kommunikation kann dort stattfinden, wo jeder Worte hat. Wenn zwei ein gutes Gespür für sich selbst haben und gelernt haben, ihre Bedürfnisse und Gefühle in Worte zu fassen, dann brauchen sie keinen Körpereinsatz und keine Gewalt, um sich verständlich zu machen.

Bildung hilft sehr dabei, ruhig zu kommunizieren, denn sie zeichnet sich dadurch aus, dass man einen Sachverhalt in verschiedenen Worten schildern kann oder dass man für eine Sache mehrere Begriffe kennt. Wer gebildet ist, weiß, dass die Dinge komplex sind und es mehrere Ansichten gibt.

Fehlt die Wortgewandtheit, so wiederholen die Personen immer wieder denselben Satz oder dasselbe Wort, werden dabei nur immer lauter. Bildung spiegelt sich auch im Gesicht wider: Die Ausdrücke variieren stärker, die Mimik ist differenzierter, sodass sich leichter erfassen lässt, wie es dem Menschen gerade geht.

Die unbewusste Phantasie vom Gefressenwerden

Besonders stark kann die Kommunikation von unbewussten Phantasien gesteuert sein. Es kann zum Besipiel sein, dass man die unbewusste Phantasie hat, der andere könne in den eigenen Körper steigen oder man selbst könne in den Körper des anderen schlüpfen.

Bei kleinen Kindern spielt diese Phantasie eine große Rolle, was sich z.B. in der Metapher vom „bösen Wolf“ widerspiegelt.

Auch bei Psychotikern dreht sich vieles um das Thema Fressen und Gefressen-Werden: Die Angst, der andere könnte die eigenen Gedanken lesen, ist auch die Angst, der andere sei irgendwie „in mir“. Auch der gesunde Erwachsene kann immer wieder unbewusste Phantasien zur Inkorporation haben, z.B. wenn man den anderen „zum Fressen gern“ hat.

Bei der Magersucht und anderen Essstörungen sowie beim Reizdarmsyndrom und anderen Darmerkrankungen können unbewusste Phantasien zum Fressen-und-Gefressen-Werden beteiligt sein.

Spiegelneurone und Telepathie in der Kommunikation

Wenn ein anderer sich weh tut, können wir uns seinen Schmerz vorstellen – unsere eigenen „Spiegelneuronen“ in unseren Schmerzzentren springen an. Durch dieses Modell kann ebenfalls die Vorstellung entstehen, ein anderer sei in uns drin bzw. er sei ein Teil von uns. Auch bei Ängsten vor Gedankenübertragung bzw. Telepathie haben wir manchmal das unheimliche Gefühl, den anderen in uns zu haben.

Der Körper ist eine Grenze mit Fenstern und Türen

Der Körper ist immer eine Grenze. Ich kann nicht „in den anderen einsteigen“, ich kann ihm nur nahe sein. Wenn der andere ein Bild sieht, kann ich nicht in seine Sehrinde einsteigen, aber ich kann das gleiche Bild anschauen. Wir können beide dasselbe Bild anschauen und uns darüber austauschen. Bei uns beiden werden durch das Bild vielleicht die gleichen Hirnareale aktiviert, aber wie wir es empfinden und fühlen, hängt auch von der Gefühlsmatrix ab, in der wir leben.

Die Einsicht, dass ich eine Einheit bin und körperlich getrennt bin von anderen, kann unangenehmste Gefühle wachrufen. Manche bekommen eine Art „Ich-Attacke“, sie fühlen sich in sich selbst wie in einem Gefängnis und immer und immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen. Das passiert oft dann, wenn sie sich sowieso schon einsam fühlen. Hier hilft manchmal der Gedanke, dass der Körper zwar abgeschlossen ist, dass es aber Fenster, Türen und Durchgänge gibt, wobei wir die Öffnung steuern können.

Grenzen in Körper und Psyche

Körperlich bildet das Zwerchfell eine Grenze zwischen „oben und unten“, wir haben einen Magenpförtner zwischen Magen und Darm, wir können unsere Augen und unseren Mund schließen.

Der Verdauungsapparat ist zwar durchgängig, aber er filtert, was er durchlässt. Die Psyche hängt eng mit dem Verdauungsapparat zusammen.

Es gibt ein Bewusstsein und ein Unbewusstes, das durch eine Grenze getrennt ist. Diese Grenze, der „Zensor“ ist nur halbdurchlässig. Wir können etwas ins Unbewusste verdrängen, doch manchmal erscheint es wieder. Anderes wiederum ist von Beginn an unbewusst und bleibt sozusagen immer im Keller.

Durchgängig und doch geschützt

Wir fühlen uns wohl, wenn wir das Gefühl haben, dass unser Darm gerade in gesunder Weise durchgängig ist. Wir haben keinen Durchfall und keine Verstopfung, sondern das richtige Maß an Anspannung und Entspannung. In der Psyche können wir etwas Ähnliches erleben: Es ist keine „Wand“ da und die Kommunikation mit uns selbst und mit dem anderen ist ungestört. Es fühlt sich leicht und beschützt an.

Manchmal haben wir jedoch den Eindruck, eine deftige Mahlzeit liege uns „wie ein Stein“ im Magen. Neuigkeiten, die uns überfordern, können wir psychisch nur schwer „verdauen“ – das fühlt sich dann psychisch ähnlich an wie der körperliche „Stein im Magen“. Überfordernde Eindrücke müssen wir unter Umständen „auskotzen“ – so wird uns schlecht oder wir bekommen Durchfall, wenn wir einen Unfall sehen.

Auch das anstehende Gespräch mit dem Chef kann Durchfall verursachen – wir fühlen uns nicht mehr „ganz dicht“ und befürchten, es könnte „etwas durchsickern“, was verborgen bleiben soll, z.B. unsere Wut auf den Chef.

Manchmal hat man das Gefühl, da gibt es innerlich eine Wand, die da nicht sein soll. Zwischen mir und dem anderen – oder auch zwischen mir und meinen Gefühlen. So kann man sich vor anderen verschließen und nichts aufnehmen, vor allem wenn man hauptsächlich die Erfahrung gemacht hat, dass von den Eltern nichts Gutes kam. Hier kann vielleicht die Vorstellung helfen, einen Filter zu haben oder eine semipermeable Schutzmembran, die filtert, was man aufnimmt, so wie die Muschel das Wasser filtert, das sie aufnimmt.

Das Vegetativum kommuniziert mit

Kommunikation ist immer auch vegetativ. Blitzschnell kann Schweißgeruch auftreten, wenn ich mich durch einen anderen unter Stress gesetzt fühle.

Liebe geht durch den Magen und auch Wut liegt im Bauch. Zwischen mir und dem anderen kann es zu einer vegetativen Angleichung kommen, dem sogenannten „Attunement“ (= Affektabstimmung). Die Atmung kann sich angleichen oder auch Darmgeräusche können durch die Entspannung des Darms bei beiden hörbar werden. Die Nähe eines vertrauten Anderen und insbesondere die Berührung kann schmerzlindernd wirken.

Gestörte Kommunikation durch falsche Sicherheit

Manchmal fühlen wir uns so sicher: Wir glauben sicher, dass die Dinge so sind, wie wir sie sehen und dass der andere uns verstanden hat. Wenn wir merken, dass er das nicht hat – oder uns anders verstanden hat, als wir es mit unserem festen inneren Schema erwarteten, fallen wir aus allen Wolken. Wenn wir aber wissen, dass wir nie sicher sein können – weder über die Dinge noch über das, was im anderen wirklich vorgeht – werden wir innerlich flexibler. Dann haben wir nicht mehr so oft das Gefühl, dass der andere so „unpassend“ antwortet.

Einigermaßen sicher können wir uns nur unserer eigenen Gefühle und Körperwahrnehmungen sein

Das Gefühl stimmt immer. Doch wozu es gehört, ist immer die Frage. wie wir unser Gefühl interpretieren, kann zu einer Reihe von „Fehlern“ führen. Wir meinen vielleicht, wir fürchten den Kollegen, dabei fürchten wir uns vor Erinnerungen, die er in uns wachruft. Richtig ist das Gefühl der Angst. „Falsch“ ist die Zuordnung – der Kollege kann nichts dafür. Auch bei Phobien gibt es solche Verschiebungen, z.B. kann ich bewusst eine Spinnenphobie haben, unbewusst aber das Netz fürchten, wenn ich mich in einer Lebenssituation gefangen fühle.

Komplexe Kommunikation

Kommunikation ist nie einfach. Oft müssen wir uns fragen: Was inszenieren wir? Warum trotzen wir und zeigen wir Widerstand? Vor welchen Gefühlen haben wir Angst? Welche Phantasien haben wir vom Gegenüber? Wie sehen unsere „inneren Objekte“ aus und wie kommunizieren wir mit ihnen? Wie sprechen wir mit uns selbst und wie sieht unsere „Matrix“ aus, unsere innere Brille, unsere innere Gefühlswelt, durch die wir alles wahrnehmen? Wie sehen unsere Übertragungen und Gegenübertragungen aus? Wo kommt es zur projektiven Identifizierung (vereinfachtes Beispiel: „Ich mache, dass Du Dich fühlst, wie ich mich fühle.“)?

Missverständnisse lassen sich in keiner Kommunikation verhindern. Es kommt zu Annäherungen oder zu Entfernungen. Aber Eines ist klar: Wohl jeder sehnt sich nach ungestörter Kommunikation, nach Harmonie und Nähe in Sicherheit bei dem gleichzeitigen Gefühl von Freiheit und Schutz, nach Berührung, Gemeinsamkeit und Verbindung.

Bei so vielen Unsicherheiten in der Kommunikation hilft nur Eines: das Ernstnehmen. Wer sich selbst und den anderen ernstnimmt und wer so gut wie möglich die Wahrheit erforschen will, erfährt oft eine tief befriedigende Kommunikation.

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 18.3.2018
Aktualisiert am 19.4.2020

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