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Mentalisierungsschwäche – eine Kurzgeschichte

Er war klein, der Raum, und eng. In so einem Raum wurde er immer wieder überfallen und gequält. Als Kind. Heute ist er erwachsen. Doch wenn er zum Gespräch muss in den dritten Stock, fühlt er sich hilflos. Er kann nicht mehr denken, reagiert in Angst. Seine Fähigkeit zu mentalisieren ist weg. Doch ist sie an den Ort gebunden. Beide nehmen ihre Stühle und setzen sich aufs freie Feld. Um sie herum die frische Luft. Und das Mentalisieren wird möglich, weil die Angst, überfallen zu werden, in die Weite entschwunden ist.

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Mehr als ein Teddy: Winnicott über das Übergangsobjekt und den Übergangsraum

Donald Woods Winnicott (1896-1971) war ein britischer Kinderarzt und Kinderpsychoanalytiker. Er prägte zum Beispiel die Begriffe „Übergangsobjekt“ (1953) und „Übergangsraum“. Ein Übergangsobjekt ist ein Objekt, das die Verbindung zwischen Säugling und Mutter herstellt, wenn sie nicht da ist. Das Übergangsobjekt macht es dem Kind möglich, eine Trennung auszuhalten. Es dient als Verbindungsstück zwischen ihm selbst und der Mutter, also zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Innenwelt und Außenwelt. Weiterlesen

Liebe macht Angst.

Liebe macht Angst, denn sie geschieht einfach. Die erste Liebe, die ein Kind empfindet, ist die Liebe zur Mutter. Was aber, wenn die unbarmherzige Abhängigkeit von der Mutter in die Hölle führt? Was, wenn die Mutter ihr Baby quält? Was, wenn das Kind irgendwan...

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Was hilft gegen Schwindel? Der Tanz der Derwische

Alles, was das Gleichgewichtssystem beansprucht, trainiert es gleichzeitig. Die gesamte Muskulatur hat mit ihrer Tiefenwahrnehmung Auswirkungen auf das Gleichgewichtssystem. Den Tanz der Derwische zu erlernen, könnte da doch vielleicht eine Methode sein, um Schwindel auf Dauer zu lindern. Der drehende Tanz, den die Derwische tanzen, heißt „Sema“ (so heißt auch die Zeremonie); der sich drehende Derwisch ist ein „Semazen“. Der Derwisch folgt einer muslimischen Glaubensrichtung namens „Sufismus“. Der Anatom und Gerichtsmediziner Philippe Charlier (auf Twitter @doctroptard hat auf seiner Weltreise den türkischen HNO-Arzt Dr. Murat Enoz (www.ent-istanbul.com) besucht. Der Arzt erzählt, dass sich die Derwische durch eine ausgesprochen gute Gesundheit auszeichnen.Weiterlesen

SSRI: Entzugssymptome beim Absetzen möglich

Antidepressiva, die zu der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI, selective serotonin reuptake inhibitors) gehören, können beim Absetzen zu Entzugserscheinungen führen. Das ist das Ergebnis einer Metaanalyse von Giovanni A. Fava und Kollegen. Die Entzugserscheinungen können auch bei vorsichtigem Absetzen auftreten. Dazu zählen Müdigkeit, Atemnot, Schwitzen, Schwindel, Sehstörungen und Halluzinationen. Es besteht die Gefahr, dass der Arzt oder Therapeut die Entzugssymptome als Verschlimmerung der ursprünglichen Symptome missinterpretiert. Weiterlesen

„Der hat ja gar nix.“ Warum Ärzte ihre Patienten nicht verstehen

„Der kommt jede Woche zu mir und lässt sich wegen Kleinigkeiten krankschreiben. Ein Weichei. Der hat gar nix“, sagt die Ärztin verzweifelt. Doch was heißt es für den Patienten, „nichts Richtiges“ zu haben? Der Patient ist in diesem Fall ein einfacher Arbeiter. Doch Menschen aus allen Schichten sind davon betroffen, „nichts“ zu haben und doch zu leiden. Ärzte sind psychologisch einfach zu schlecht ausgebildet. „Als Arzt kann ich mich nicht um alles kümmern“, klagt der Arzt. „Ich bin schließlich kein Sozialarbeiter und kein Psychologe.“ Ärzte sind oft überlastet mit der Situation – doch was genau ist so belastend?

„Wenn ich doch wenigstens eine deftige Depression mit vielen trübseligen Gedanken hätte. Aber das Schlimme ist ja: Da ist nichts – nur eine absolute, erschreckende Leere“, klagt ein Patient. Auch, wenn man diese Leeregefühle als Depression bezeichnen kann, so taucht doch eines immer wieder auf: „Nichts“ zu haben oder zu fühlen, ist für viele das Unangenehmste, was passieren kann.

Priveligierte und unprivilegierte Welten treffen aufeinander

Wenn ein Arzt aus einer privilegierten Familie kommt, dann wird er möglicherweise nur ansatzweise nachvollziehen können, welche Qualen der Patient leidet, der „nichts“ hat. Manche Menschen leben in einer Perspektivlosigkeit ungeahnten Ausmaßes. Sie erleben zu Hause körperliche und/oder seelische Gewalt, können aber nicht darüber sprechen. Sie haben kein Geld, keine befriedigenden Beziehungen, keine Arbeit, die einen Sinn ergibt, keine Möglichkeit, ihre Gefühle zu steuern. Viele sind völlig isoliert und alleingelassen. Viele hatten nie eine Beziehung zu einem Menschen, durch den sie hätten reifen können.

Plattgedrückt

Von der Auswegslosigkeit sind manche Patienten schier „plattgedrückt“. „Der faule Sack hängt nur vor dem Computer“, sagt ein privilegierter Kollege. „Der müsste nur mal seinen Hintern hochkriegen, dann ging’s dem auch besser.“ Ich denke: Ob dieser Kollege jemals von Hartz IV gelebt hat? Hier zeigt sich sehr schön, warum sich Anstrengen nicht lohnt: Verdient der Betroffene zu viel nebenher, bekommt er weniger Hartz-IV-Geld. Das Argument lautet: Damit sich der Betroffene um eine echte Ganztagsstelle bemüht. Nicht in der Überlegung mit drin ist: Der Betroffene hat aufgrund seiner „Struktur“ und Umstände ja gar keine Chance, einen besseren Arbeitsplatz zu erhalten. Extra verdienen heißt für ihn: Es an einer anderen Stelle wieder abgezogen zu bekommen.

Die Not heißt also: „Nichts, Leerlauf“

Beim Arzt macht sich ein Gefühl breit, das der Patient gut kennt: Ratlosigkeit, Wut und das Gefühl, dass diese Situation nie aufhört. Dem Patienten ist schon geholfen, wenn er einen Arzt findet, der sich einfühlen kann. Ein Arzt, der eine Ahnung davon hat, wie Situationen lähmen können und der auch weiß, dass man nicht immer so kann, wie man will. Der weiß, dass es nicht reicht, „den Hintern hochzubekommen“, sondern der weiß, dass andere Menschen notwendig sind, um diesem Patienten zu helfen. Daher finde ich den „Numerus-Clausus“ (also eine gute Note als Eingangsticket zum Studium) so kontraproduktiv. Wir brauchen mehr Ärzte, die selbst aus prekären Verhältnissen kommen, die selbst Gewalt und Armut erlebt haben, damit den Patienten, die „nichts“ haben, besser geholfen werden kann.

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www.arbeiterkind.de

Dieser Beitrag erschien erstmals am 10.11.2013
Aktualisiert am 28.9.2015

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Unsicher-vermeidender Bindungsstil (Typ-A-Bindung)

Bei einem unsicher-vermeidenden = „distanzierten Bindungsstil“ (englisch: Dismissive Attachment Style) halten sich die Kinder die Eltern auf Distanz. Der Kontakt zu Mutter/Vater wird gemieden. Oft fanden übermäßig viele schmerzliche Szenen zwischen Kind und Mutter/Vater statt. Solche Kinder verhalten sich dann oft gerne so, als ob sie niemanden bräuchten.

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Im Gefühl überall zu Hause

Irgendwann war alles weg. Er war weg. Sie waren weg. Das Haus meiner Kindheit: weg. Die Badestelle meiner Kindheit: weg. Alles, was mir lieb und teuer war: weg. Doch dann ein Traum: Wieder in der Gegend der Felder meiner Kindheit. Die Möglichkeit, das Haus meiner Kindheit zurück zu bekommen. Doch ein Mann sagt: „Du brauchst nicht das Haus. Du brauchst das Gefühl, das du damit verbindest.“ Ich habe nicht nur den einen Menschen vermisst, sondern das Gefühl, meine Hand in eine andere zu legen. Nicht nur das eine Haus, sondern das Gefühl, in der alten Gegend zu sein, in einer ähnlichen Gegend zu sein, ähnliche Düfte zu wahrzunehmen, ähnliches Licht zu sehen. Das Wasser, in das ich steige: Es riecht so ähnlich und sieht so aus, wenn Regentropfen darauf fallen, wie das Wasser, das ich aus meiner Kindheit kenne.

Zuhause.

Bilder von Müttern aus der ganzen Welt gehen mir durch den Kopf: Egal, wie die Gesichter der Mütter und Kinder aussehen: Das Gefühl der Mutterliebe spiegelt sich in jedem Bild wieder. Es fühlt sich immer gleich an. Einzigartig. Einzigartigkeit ist so wertvoll. Doch Einzigartigkeit kann verschieden aussehen. Manchmal hängen wir am Einzigartigen und schaffen es nicht, uns zu lösen, weil wir nicht verstanden haben, dass noch etwas anderes einzigartig sein kann, aber universeller ist: das Gefühl. Die alten oder ähnlichen Düfte, die alten oder ähnlichen Gefühle – ich finde sie überall in der Welt wieder. Ich kann überall hingehen und wenn ich Orte, Menschen, Berührungen finde, in denen sich das vertraute Gefühl so oder ähnlich wieder einstellt, bin ich zu Hause.

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