Corona: Wir, die es verstehen und die da, die es nicht kapieren – was tun?

Wir haben jetzt die wunderbare Chance, einmal die „Psyche der Gemeinschaft“ zu verstehen. Es heißt, dass alles, was in der Psyche eines Menschen passiert, auch in der Gruppe sozusagen als „Gruppenpsyche-Phänomen“ zu finden ist. Wir selbst brauchen gelegentlich einen Feind. Wir sind selbst nur ungern neidisch, böse oder aggressiv und wir sind erleichtert, wenn es ein anderer ist. Oder aber wir halten uns selbst für entweder extrem gut oder extrem schlecht. Oder aber wir haben mehrere Stimmen in uns, die sich widersprechen.

Zunehmend stellen wir fest, dass es beim Bäcker, an der Kasse oder bei der Arbeit Verständnisloses zu beobachten gibt.

Da hält einer einfach keinen Abstand! Und erntet böse Blicke. Da sind welche draußen zusammen in der Gruppe! Das müssen die furchtlosen Jugendlichen sein, die uns ärgern wollen. Es entstehen zunehmend zwei Fronten: Die Menschen, die den Ernst der Lage verstehen und diejenigen, die uns alles kaputtmachen und die durch ihre Verantwortungslosigkeit zur Gefahr werden.

Widerstand erhöht Widerstand

Diese beiden Kräfte wachsen. Je mehr Widerstand wir jedoch der anderen Kraft leisten, desto schlimmer wird es. Der verständnislose andere möchte uns vielleicht provozieren und erntet unseren bösen Blick. Wir werden immer heftiger dem „Verständnislosen“ gegenüber.

Doch wir fangen an, uns zu wehren, weil wir eben Angst haben. Der andere, der keine Angst hat und der uns provozieren will, verstärkt seine Provokation, wenn wir uns wehren.

„Diese Schutzplane ist nötig, weil manche von Ihnen Arschlöchern es nicht lassen können, unsere Kassiererinnen anzuhusten“, las ich auf einem Schutzschild vor einer Kasse.

Recht so!?

Die Kassiererinnen fanden das Schild gut. Sie fühlten sich dadurch von ihrem Chef verstanden und konnten ihrer Wut Ausdruck verleihen. Doch so etwas schaukelt die Fronten gegeneinander auf.

Meine Erfahrung ist, dass wir den anderen oft „wecken“ können, wenn wir selbst auf unsere Abwehr verzichten und uns ehrlich zeigen. Es ist wie beim Umgang mit Kindern: Wenn wir stehen bleiben und sagen: „Ich habe wirklich Angst, bitte nimm‘ Abstand von mir“, dann haben wir oft – natürlich nicht immer – den anderen tatsächlich erreicht. Es sind wortwörtlich nur „Augen-Blicke“, aber sie sind unsere Chance.

Es lohnt sich, über den anderen nachzudenken

Oft sind nämlich die „Provokateure“ Menschen, die vor allem als Kinder selbst nicht ernstgenommen wurden und deren Kommunikation mit den Eltern auf „Blöken und Zurückblöken“ basierte.

Wenn wir wirklich einmal stehenbleiben und den Mut aufbringen, den anderen anzublicken und uns zu zeigen, dann kann es zu einer Begegnung kommen. Vielleicht nicht immer, vielleicht noch nicht einmal oft. Aber wo immer wir der Versuchung widerstehen, in unserer Wut und Angst selbst hart zu werden, haben wir sehr viel gewonnen.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Schreibe einen Kommentar