
Das lateinische Wort „affectus“ bedeutet „Gemütsverfassung, Stimmung“. Ein Affekt ist eine intensive, aber eher kurz anhaltende Reaktion auf ein Erlebnis. Der Affekt ist sozusagen ein intensives Gefühl, das von körperlichen Erscheinungen begleitet wird. Zu den Affekten gehören z.B. Angst, Ekel, Überraschung, Freude, Scham und Wut. Nicht immer ist es leicht, seine Affekte zu regulieren, doch durch gute Beziehungen, Selbstreflexion, Bewegung, ausreichend Schlaf und Meditation können wir lernen, uns immer verlässlicher zu steuern.
Beziehungen helfen uns, Affekte zu steuern
Wie wir mit unseren Affekten umgehen können, erlernen wir in unseren engsten Beziehungen. Die frühe Beziehung zur Mutter spielt eine besondere Rolle. Konnte sie uns gut verstehen und erreichen, so können wir uns selbst später mit unserer inneren Stimme gut erreichen und regulieren. Wenn wir nicht das Glück einer guten frühen Beziehung zur Mutter hatten, dann können wir später im Beisammensein mit beruhigenden Menschen neue Erfahrungen sammeln.
Wichtig ist, dass das Denken- und Beobachten-Können auch bei großer Aufregung innerlich möglichst lange erhalten bleibt. Erst bei äußerst starken Reizen setzt das Denken bei wenig traumatisierten Menschen aus. Stark traumatisierte Menschen verlieren oft schon bei relativ geringen Affekten die Fähigkeit, nachzudenken, zu beobachten und sich zu steuern.
Affekte zeigen sich in unserer Mimik und Gestik, in unseren Bewegungen und der Bewegungsbereitschaft (z.B. Muskelanspannung, Fluchtreflex) sowie in physiologischen Veränderungen (Blutdruckänderungen, Veränderung der Atmung, der Hormone etc.). Dies sind sogenannte „sensomotorische Reaktionen“ (sensomotorisch = die Wahrnehmung und die Bewegung betreffend).
Symbole helfen
Darüber hinaus wird der Affekt symbolisch dargestellt: Sobald unser Körper reagiert, entstehen in unserem Inneren Bilder, z.B. das Gefühl von „Druck“ oder das Bild einer „Faust“ bei Anspannung und Wut. Zu diesen Vorstellungen gesellt sich schließlich noch die Sprache: Wir finden Worte für den Affekt und sprechen es aus. (Quelle: Vortrag von Manfred Schmidt, Köln, 20.9.2018)
Eine reiche Mimik ist normalerweise ein Zeichen von psychischer Gesundheit. Menschen mit schweren Beziehungsstörungen und starken frühen Traumatisierungen zeigen oft nur eine eingeschränkte Mimik.
Bei allen Menschen gleich
Primäre Affekte zeigen sich schon bald nach der Geburt – sie dienen der Kommunikation und Beziehungsregulation. Zu diesen primären Affekten zählen: Trauer, Wut, Angst, Freude und Ekel. Auch Neugier und Erschrecken sind primäre Affekte.
Im Laufe der Kindesentwicklung gesellen sich weitere, sogenannte „strukturelle Affekte“ hinzu. Hierzu gehören: Neid, Eifersucht, Scham und Schuld. Besonders kompliziert erscheint die Schuld: Hier will man sich von einem inneren oder äußeren Objekt entfernen, doch man kommt nicht los. Zum Beispiel kann es sein, dass die Mutter mit ihren ewigen Verboten sozusagen in uns herumspukt, doch wenn wir uns vorstellen, wir wollten sie „mundtot“ machen, bekommen wir Schuldgefühle. (Quelle: Vortag von Manfred Schmidt)
Affektmodulierung
„Ich will mich aber aufregen!“, schreit derjenige, den man beruhigen will. Affekte sind wie ein Magnet – sie lassen einen nicht so leicht los, man will daran haften bleiben. „Schlaf erst mal ’ne Nacht drüber!“, sagen wir und der andere antwortet: „Das schaff‘ ich aber nicht!“
Jemand, der in seinem Affekt aufgebracht ist, der lässt sich nicht so leicht mit „vernünftigen“ Argumenten erreichen. Aber manchmal schafft man es doch, indem man versucht, den Affekt des anderen wahrzunehmen, aufzunehmen und mit ihm in Kontakt zu treten. Wenn der andere das Gefühl hat, dass man in Kontakt oder auch „Resonanz“ mit ihm und seinem Affekt tritt, fühlt er sich vielleicht verstanden und Verstehen kann den Affekt beruhigen.
Verstehen kann den Affekt beruhigen.
Sich mit Hinwendung regulieren
Wenn wir selbst einen starken Affekt haben und es ist niemand da, mit dem wir diesen Affekt teilen können, können wir versuchen, diesen Affekt genau wahrzunehmen und zu beobachten. Wir können uns vorstellen, wie jemand innerlich mit uns spricht. Wir können mit uns selbst so in Beziehung treten, wie es ein verstehender Anderer tun würde.
Allein, wenn wir feststellen, welchen Affekt wir gerade spüren und ein Bild und Worte dafür finden, kann es schon etwas beruhigend sein.
Es hört auf
Hilfreich ist es auch, sich zu vergegenwärtigen, dass der Affekt eine Moment-Aufnahme ist. Wir fühlen uns zwar in diesem starken „Gefühl“ gefangen und haben vielleicht das Gefühl von Auswegslosigkeit, aber wenn wir uns für abends etwas Schönes vornehmen, dann können wir den Affekt leichter zeitlich einordnen.
Dieser Beitrag ist zum Teil die Wiedergabe eines Vortrags des Kölner Psychoanalytikers Manfred Schmidt: „Die Bedeutung der Affektdynamik in der psychoanalytischen Praxis“ am 20.9.2018 in der Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft Köln-Düsseldorf
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 29.11.2007
Aktualisiert am 5.7.2020
Melande meint
Bei mir ist die Neigung zu starken zornigen Affekten NACH MEINER BRUSTKREBSKRISE entstanden, in der ich viele äußerst frustrierenden, auch schmerzhaften Erlebnisse im Verlauf der schulmedizinischen Behandlungen verkraften musste. Bis heute (viele Jahre sind vergangen) ist geblieben, dass ich, wenn ich kommunikativ „unmöglich, harsch-unfreundlich, mich-nicht-ernstnehmend und -abwertend“ behandelt werde (also interaktiv schlecht und falsch behandelt werde), einen heftigen Schrei-Impuls in mir aufsteigen spüre. Ich kann ihn einigermaßen steuern,auch zurückhalten, finde es aber meistens „besser“ ihn `rauszulassen, damit der betreffende Andere sein Fehlverhalten bemerkt.
Es ist wohl besser, Kritik ruhiger zu äußern (man sagt zu emotional geladenen Gesprächen: „Wer schreit, hat/bekommt Unrecht“), weil das Gegenüber diese dann besser annehmen kann. Und man ist dann auch weniger „auffällig“.
Ich kann jeden Satz in diesem Abschnitt nachempfinden. Das tut gut. Danke dafür!
Einen lieben Gruß von
Melande