„Da war nie was!“, sagen manche Eltern, wenn sie gefragt werden, warum ihre Kinder den Kontakt abgebrochen haben. „Naja“, fügen sie hinzu, „vielleicht war nicht immer alles so gut, aber deswegen muss man nicht den Kontakt abbrechen.“ Fragt man die Kinder, erzählen sie relativ oft, wie sie zu Hause in ihr Zimmer geschlossen oder geschlagen wurden. Was Kinder und Eltern über die Vergangenheit erzählen, unterscheidet sich oft stark. Schuld- und Schamgefühle spielen dabei eine große Rolle. [Es will ausdrücklich gesagt sein, dass sehr viele Kontaktabbrüche auch in Familien vorkommen, in denen es keine Gewalt gab und wo sich der Kontaktabbruch nicht so leicht verstehen lässt.] (Text: © Dunja Voos, Bild: © Rainer Sturm, www.pixelio.de)
Das schlechte Gewissen
Eltern, die ihre Kinder anschreien, verprügeln oder mit Liebesentzug bestrafen, fühlen sich oft furchtbar schlecht. Sie fühlen sich hilflos, alleingelassen und verzweifelt. Manche Eltern sind von ihren eigenen Taten traumatisiert. Sie tun alles dafür, um zu verdrängen, was passiert ist. Um mit dem vergangenen Verhalten zurecht zu kommen, versuchen sie, es innerlich zu entschärfen. Die Kinder hingegen erinnern sich genau daran, was passiert ist.
Kinder empfinden richtig
Als die Kinder Gewalt erfuhren, waren sie eben noch Kinder, das heißt, sie waren schwächer und kleiner, sodass das Erlebte einerseits noch traumatischer wirkt. Andererseits: Wenn man hört, wie in der Nachbarschaft ein Kind verprügelt oder gestraft wird, geht auch dem Erwachsenen das Schreien durch Mark und Bein. Es ist deutlich spürbar, wie es so einem Kind geht.
Wie mit dem Erlebten klarkommen?
Sind die gewalterfahrenen Kinder groß geworden, wünschen sie sich, dass die Eltern anerkennen, was sie getan haben und dass sie sich dafür entschuldigen. Diese entlastende Erfahrung bleibt für viele jedoch aus. Viele Eltern können dem Kind nicht in der Form antworten, wie die Kinder es sich wünschen. Teilweise haben sie jahrelange Verdrängungsarbeit geleistet, teilweise sind Schuld und Scham immer noch zu groß, als dass sie darüber nachdenken könnten. Es ist schwierig, hier zu sagen, was helfen könnte. Wichtig ist es, den eigenen Schmerz anzuerkennen und auch die Enttäuschung zu spüren. Oft hilft es, einen „nachträglichen Zeugen“ zu finden, also z.B. dem Partner oder einem Therapeuten von den Erlebnissen zu erzählen. Im Nachhinein nicht mehr allein mit dem Schmerz zu sein, kann sehr entlasten.
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