
Projektion Beispiel: Person A fühlt sich wütend, will es aber nicht sein, wehrt die Wut ab. A projiziert seine Wut auf B und denkt auf einmal: „B ist wütend!“ Person B selbst fühlt sich aber gar nicht wütend. Ich sehe im anderen Gefühle, die eigentlich meine Gefühle sind. Aber der andere fühlt sich gar nicht so.
Projektive Identifizierung Beispiel: Person A fühlt sich wütend, kann das aber bewusst gar nicht wahrnehmen, weil er nicht wütend sein will. Wut ist das Schlimmste für Person A. Sie tut (unbewusst) etwas, das Person B wütend macht. Person B fühlt sich nun tatsächlich wütend. Person B hat sich mit dem Negativen, was auf ihn geworfen wurde, identifiziert.
Dann: Person A sieht jetzt die Wut in Person B und identifiziert sich wiederum mit der Wut von Person B. Er hat das Gefühl, die Wut von Person B kontrollieren zu können und versucht, Person B zu beruhigen.
- „Ich kann deine Wut gut nachempfinden“, sagt Person A vielleicht. Person A hat sich dann sozusagen mit der Wut in B „zurück-identifiziert“.
- Es kann aber auch sein, dass Person A irgendwie bemerkt: „Das ist in Wirklichkeit meine Wut!“ Dann bekommt Person A vielleicht Angstgefühle und fühlt sich vom anderen verfolgt, weil sie spürt, dass die Wut zu ihr zurückkehren kann.
Bei diesem Vorgang fühlt die „werfende Person“ (die Person, von der die Projektion ausgeht) sich unterschiedlich stark mit dem ursprünglichen Gefühl (z.B. der unbewussten Wut) verbunden. Es gibt verschiedene Grade: Person A weiß gar nicht, was sie tut, spürt das eigene Gefühl gar nicht, sieht es nur im anderen (der sich bewusst so fühlt, wie sich Person A unbewusst fühlt) oder aber Person A hat noch Verbindung zum Vorgang: „Ich merke irgendwie, dass ich den anderen wütend machen will, weiß aber nicht, warum.“
Projektive Identifizierung: Die Person, die ihr Gefühl in den anderen hineinlegt, identifiziert sich mit dem Gefühl, sobald es außen in dem anderen ist. Die Person, in die das Gefühl hineingelegt wurde, identifiziert sich jedoch ebenfalls mit dem Gefühl, z.B. mit der Wut, die der andere in ihn hineingeworfen hat. Daher ist es so schwierig, bei diesem Begriff festzumachen, wer sich denn jetzt mit was identifiziert. Da geht etwas hin und her und beide sind beteiligt.
Introjektive Identifizierung: Ich nehme Teile der anderen Person in mich auf, ich bin die aufnehmende Person, nicht die „werfende“ Person.
Introjektive Identifizierung kann einfach heißen, dass ich den anderen verstehe. Vom anderen kommt etwas in mich hinein, das ich von mir selbst kenne. „Der andere fühlt sich so ähnlich wie ich“, können wir dann sagen. Wir gewähren dem anderen Einlass und nehmen etwas von ihm auf. Gleichzeitig steigen wir aber auch in die Welt des anderen hinein, nachdem der andere uns Einlass gewährt hat. Wir entdecken im anderen sozusagen unseren eigenen Schmerz oder unsere eigene Freude.
Bei der projektiven Identifizierung wird etwas vom anderen in mich „geworfen“, bei der introjektiven Identifizierung wird mehr „gesaugt“ oder „eingestiegen“.
Von unangenehmen Introjektionen wollen wir uns befreien – sie können uns sehr quälen. Sie können sich fremd anfühlen oder wie etwas Eigenes, das wir abstoßen wollen. Hier ist viel Selbstanalyse erforderlich: Wo stößt der andere mit seinem Trauma an unser eigenes Trauma und wie kann ich es unterscheiden? Vielleicht fühlen wir uns vom anderen verfolgt oder wir fühlen uns als Analytiker schuldig, weil wir dem anderen nicht genügend helfen konnten. Wir haben dann den anderen also sehr in uns aufgenommen (= Introjektive Identifizierung).
Wenn wir dann die Vorgänge sortiert und verstanden haben, können wir dem anderen seines wieder zurückgeben (englisch: to reprojekt, deutsch: reprojizieren). Wir fühlen uns dann befreit, entlastet und der andere fühlt sich verstanden, nachdem wir ihm die richtige Erklärung (= Deutung) geliefert haben.
Wenn der Analytiker sich sehr in seinen Patienten einfühlt, dann fühlt er sich so, als sei er in der Welt des Patienten und als könne er fühlen, wie er sich möglicherweise fühlt. Dieses Gefühl, so fühlen zu können wie der andere möglicherweise fühlt, nennen Psychoanalytiker „introjektive Identifizierung“. Dieser natürliche Austausch kann gestört sein:
„Auf welche Weise und unter welchen Bedingungen ist die ’normale‘ Gegenübertragung gestört? Das Verstehen des Analytikers, welches der Autor (Anm.: Roger Money-Kyrle) auf die introjektive Identifizierung zurückführt, versagt unvermeidlich dann, wenn der Patient einem Aspekt von dessen (Anm.: des Analytikers) eigenem Selbst zu nahe kommt, welcher diesem noch unerschlossen geblieben oder in seiner Lehranalyse nicht analysiert worden ist; es versagt auch bei wenig ‚kooperativen‘ Patienten, mit denen Kontakt zu halten selbst den besten Analytikern äußerst schwerfällt.“ Aus: Die Übertragung und das Begehren des Analytikers, von Moustapha Safouan. amazon
Literaturtipp:
Kenneth Sanders
The Economics of Introjective Identification and the Embarrassment of Riches
British Journal of Psychotherapy
Volume 10, Issue 2, Pages: 133-306, December 1993
Verwandte Artikel in diesem Blog:
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 23.12.2017
Aktualisiert am 28.2.2021
Schreibe einen Kommentar