
Der amerikanische Psychoanalytiker Harold Searles (geb. 1918) hat sich intensiv der psychoanalytischen Psychotherapie von schizophrenen Patienten gewidmet. Was ihm besonders aufgefallen ist: Menschen mit einer Schizophrenie haben eine besonders starke Tendenz, sich das „Innere“ des anderen „einzuverleiben“, also genauer gesagt: Sie erfassen rasch, womit der andere sich unbewusst beschäftigt und nehmen dies in ihr eigenes Inneres, in ihr Seelenleben auf.
Was der Schizophrene denkt und fühlt, hat oft mit dem Unbewussten des Anderen zu tun
Die „Introjektion“ ist das Gegenteil von „Projektion“. Während man bei der Projektion unerwünschte Gefühle, Gedanken etc. von sich schiebt, indem man sie dem anderen unterstellt („Du bist sauer, nicht ich!“) holt man sich bei der „Introjektion“ die Gefühle, Gedanken etc. des anderen unbewusst in sich hinein.
Der Psychoanalytiker denkt bei seiner Arbeit oft: „Was hat das, was ich gerade fühle, mit dem Patienten zu tun?“ Damit fragt der Analytiker sich also, wie seine Gegenübertragung aussieht. Er überlegt aber auch: „Was hat das, was der Patient gerade fühlt und denkt, mit mir zu tun?“ Diese Denkweise betonen besonders die intersubjektiven Psychoanalytiker.
Frühe Erkenntnisse aus den 20er bis 40er Jahren
Harold Searles nennt in einem Buch „Der Psychoanalytischen Beitrag zur Schizophrenieforschung“ (S. 50) weitere Arbeiten, „welche die starke Neigung des Schizophrenen zur Einverleibung oder Introjektion unterstreichen“:
Nunberg (1921)
Abraham (1927)
Bychowski, Gustav (1930)
Allen (1935)
Fenichel (1945)
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 4.9.2015
Aktualisiert am 23.11.2020
Melande meint
„EINVERLEIBUNG“:
Bei einer schizophrenen Freundin ist mir schon oft aufgefallen, dass einiges von dem, was ich innerhalb einer Unterhaltung verbal oder non-verbal geäußert hatte, sie für sich VERWENDET hatte. Es begegnete mir dann später wieder, wenn sie von Ereignissen erzählte. Ich dachte immer, sie nimmt mich zum Vorbild, macht nach. Aber „Introjektion“ oder „Kommunikation von Un-bewußt zu Un-bewußt“ passt m. E. auch. Dass eine nahe Verbindung zwischen uns besteht, sehe ich daran, dass sehr häufig, wenn ich daran denke, sie anzurufen, sie mir zuvorkommt (?).
Gruß von
Melande