
Wieso ist es mit der Sexualität – gerade nach Traumata – oft so schwer? Wieso gibt es hier so viele komplizierte Sachverhalte und wie lassen sie sich erklären? Eckhart Tolle beschreibt mit seinem Modell vom „Pain Body“ die Dinge sehr schön, die sich nur so schwer darstellen lassen. In seinem Radio-Interview „Sex and the Pain Body“ (Youtube) erklärt er sehr anschaulich, was passiert, wenn die Sexualität auf den „Pain Body“ trifft.
Eckhart Tolle hat ein schönes Modell von „Ich und Mich“, das es auch in der Psychoanalyse in verschiedenen Formen gibt (siehe auch: „Wer ist Ich und wer ist Mich?“). Er spricht vom „Ego“, also von dem Ich, das ständig denkt , sich Sorgen macht und die Verletzungen des Lebens angesammelt hat. Dahinter gibt es noch sozusagen ein wahres Ich, das frei von dem allen ist, so etwas wie den göttlichen Funken oder das ewige Bewusstsein in uns. Auch im Yoga gibt es eine ähnliche Vorstellung.
Er sagt, dass das „Ego“ immer wieder aktiv sein kann und spricht dann von einer bestimmten Frequenz, die der Körper einnimmt. Der Körper komme dann in einen Zustand von „Unconsciousness“ (Unbewusstheit). Das zeigt sich zum Beispiel dann, wenn wir uns schrecklich über etwas aufregen. Das ist dann wie eine Sucht nach Ärger. Wir können und wollen dann gar nicht mehr aufhören, wütend zu sein. Dann ist der „Pain Body“ aktiv.
Eckhart Tolle fragt, ob wir jemals versucht hätten, mit dem „Pain Body“ zu argumentieren und er lacht dann: Der Pain Body ist für Einsicht und Vernunft nicht zugänglich, während er in diesem aufgeregten Status ist. Er kann auch in einen Zustand von Angst, Sorge und Anspannung geraten, so wie ihn traumatisierte Menschen gut kennen.
Der Pain Body hat seine eigene Frequenz
Wenn der Pain Body aktiv sei, sei da eine andere Frequenz in unserem Körper und auch das können viele Menschen mit einer psychischen Störung gut nachempfinden: Der furchtbare Zustand kommt und geht sehr plötzlich. Wer an einer Angststörung leidet, der hat plötzlich Angst, bekommt plötzlich Durchfall und Schweißausbrüche usw. Es ist, als sei der gesamte Körper in eine andere „Schwingung“ geraten.
Eckhart Tolle erklärt, dass der sexuelle Teil in uns mit dem Pain Body zusammentreffen kann und dass es dann zu den vielfältigsten Problemen kommt. Dieses Bild finde ich sehr anschaulich. Tolle sagt, der Pain Body liebe den Schmerz und so komme es, dass Schmerz und Sexualität zusammengemischt werde. Der Schmerz werde dann zur Lust – der Pain Body wolle den Schmerz unbedingt haben.
Aber, so sagt er: Weder unser (eigentlicher) Körper wolle das, noch unser (eigentliches) „Ich“ will das so. Denn der Körper selbst will den Schmerz nicht. Nur der „Pain Body“ suche den Schmerz. So komme es, dass manche Frauen sich gewalttätige Partner aussuchen, dass es Sadismus gebe oder dass manche Paare Streit brauchen, um miteinander schlafen zu können.
Eckhart Tolle sagt, es sei die Kunst, sich dieser Zusammenhänge bewusst zu werden. Unser eigentliches „Ich“ kann all das beobachten: Es kann den „Pain Body“ beobachten und es kann beobachten, wie unser sexueller Anteil den Pain Body kreuzt.
Eckhart Tolle sagt, wenn wir uns dessen bewusst werden, dann haben wir die Wahl, ob wir dem folgen wollen oder ob wir uns dagegen entscheiden. Wir sind dann nicht mehr mit dem Pain Body identifiziert und wissen, dass es da in uns noch etwas anderes gibt. Er sagt, dass das alte Muster noch Jahre erhalten bleiben könne und dass wir es immer wieder beobachten und intensiv fühlen könnten. Aber wir müssen dem nicht folgen, wenn wir uns dessen bewusst sind.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 9.11.2019
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