„Wenn ich Schmerzen habe, leide ich wenigstens nicht unter Angstgefühlen“, sagt eine Angstpatientin. „Immer, wenn mir meine Brust so weh tut, bekomme ich schreckliche Panikattacken“, sagt eine andere Patientin. Manche Menschen fühlen sich durch körperliche Schmerzen geerdet, andere wieder fühlen sich dann maßlos verloren. In der Psyche ist es ähnlich wie im Körper: Es gibt „Handfestes“ und weniger Handfestes. Auf der einen Seite kennen wir körperliche Schmerzen, auf der anderen Seite „schwebende Zustände“ wie Übelkeit, Atemnot und Schwindel, also vegetatives Unwohlsein. In der Psyche gibt es handfesten Schmerz wie Neid, Eifersucht, Wut, Ärger und Hass oder aber „schwebende“ Gefühle wie die Angst, verrückt zu werden, Panikattacken und namenlose Angst. Das vegetative Nervensystem gehört sozusagen sowohl zur Psyche als auch zum Körper. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Wechselbäder
Häufig findet man psychisch-körperliche „Wechselbäder“: Erst kommt die Panikattacke, dann kommen Übelkeit, Schweißausbrüche und Durchfall, also vegetative Reaktionen auf die unbestimmte Panik. Bei einer „handfesten Phobie“ ist es oft einfacher: Da gibt es eine konkrete Furcht, die man fühlen und benennen kann. Bei der frei flottierenden Angst, bei der Angstattacke, versteht man selbst nicht, was los ist. Man scheint ohne Verbindung zu sich und anderen zu sein, völlig isoliert. Ängste dieser Art erleben oft Kinder, wenn sie von der Mutter verlassen werden und nicht wissen, wann sie zurück kommt. Auch Kinder, die mit „Einsperren“ bestraft werden, kennen diese Angst. Die Abwesenheit der Bezugsperson, das Eingesperrt- und Getrenntsein kann schwebende Gefühle im Kopf verursachen. Meistens ist es einfach nur Angst oder z.B. ein Grübeln über den Tod, das „Leben danach“ und die Unendlichkeit. Später, wenn die Wut kommt, wird das wieder fast als Erleichterung empfunden – sie ist handfest, kann benannt werden und sorgt für Kontakt: Ich kann gegen die Wand treten, Lärm machen oder jemanden angreifen.
Der Schmerz als Erleichterung
Schwebezustände im Kopf sind oft schwer erträglich. „Werde ich verrückt?“, fragt man sich. Vielleicht hat man dabei hyperventiliert, was das „Wattegefühl“ verstärkt. Gefühle von Depersonalisation und Derealisation können entstehen. Der Kontakt zum eigenen Körper scheint verloren gegangen zu sein. Das vegetative Nervensystem meldet sich mit Übelkeit. Manche Betroffenen kneifen sich dann in den Arm, um sich wieder zu spüren. Tatsächlich können sich viele durch einen starken körperlichen Reiz „zurückholen“. Manchmal ist es sogar so, dass es Menschen mit chronischen Schmerzen psychisch auf einmal „schlechter“ geht, wenn ihre Schmerzen zurückgehen. „Wenn ich richtig fies erkältet bin, habe ich wenigstens keinen Platz für Panikattacken“, beschreibt eine Patientin den Zusammenhang zwischen Körper und Psyche.
Schwebend und fest
Wir fühlen uns wohl, wenn unsere Psyche und unser Körper im Gleichgewicht sind. Wenn wir uns körperlich wohlfühlen, spüren wir zwar unseren Körper, aber wir spüren ihn auch „fast nicht“, weil er uns nicht stört. Fühlen wir uns psychisch wohl, machen wir uns keine Sorgen, grübeln wir nicht und sind wir frei von Angst, dann ist es perfekt. Die ausgeglichene Psyche im sich wohlfühlenden Körper ist eigentlich das, was man anstrebt. Und doch kann genau dieses Gefühl des absoluten Wohlfühlens manchmal auch Angst machen, weil man sich so leicht dabei fühlt. Zum echten Wohlfühlen gehört auch, dass wir den Kontakt mit dem Boden, mit uns selbst und mit anderen Menschen behalten. Diese Momente des vollkommenen Wohlgefühls stellen sich bei jedem Menschen in unterschiedlicher Häufigkeit ein: Manche kennen es gar nicht, andere leben überwiegend mit so einem „echten“ Wohlgefühl. Manche erreichen es während der Meditation, andere bekommen während der Meditation, dem Autogenen Training oder der Hypnose genau deswegen Angst. Es ist ein kompliziertes Zusammenspiel, für das man sich jeden Tag auf’s Neue interessieren kann.
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