Das Baby strahlt, ist glücklich, gluckst und lacht. Und zack: Ist es quengelig, verzieht das Gesicht, streckt sich, fühlt sich unwohl, will allein und doch nicht allein sein. Wenn man nur wüsste, was es jetzt hat! Uns Erwachsenen geht es im Grunde nicht anders: Wir starten gut in den Tag, doch dann kommen Phasen, in denen wir uns plötzlich abgeschlagen und unruhig fühlen, in denen wir Übelkeit verspüren und denken: „Ich schaff‘ das alles nicht!“ Besonders in Gruppen lassen sich Aufs und Abs gut beobachten: Man verbringt zusammen einen längeren Abend. Nach der fröhlichen Begrüßung, dem Geschnatter am Anfang und den ersten lebhaften Gesprächen wird es ruhig. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Schläfrig
Die Kinder fangen an zu knatschen, man selbst hängt im Sessel und denkt: „Wann kann ich endlich nach Hause?“ Doch dann, nach einem Stündchen oder zwei, kommt die gute Stimmung zurück. Es ist uns oft nicht so bewusst: Aber an jedem Tag unterliegen wir unseren natürlichen Lust-Unlust-Rhythmen. Hunger, Durst, Erholungs- und Bewegungsbedürfnis, das Bedürfnis nach Anerkennung, Zugehörigkeit und Geselligkeit, nach Alleinsein und Ruhe – all das kommt im Laufe eines Tages im Wechsel immer wieder.
Was ist ein Guter Tag?
„Das soll ein guter Tag werden“, wünschen wir uns und meinen damit: Es soll nur ein guter Tag werden. „Nach einer guten Psychoanalysestunde habe ich so oft eine schlechte Analysestunde“, sagen viele Patienten. Das hängt von unzähligen Faktoren ab, aber auch vom „natürlichen Rhythmus“. Es hängt auch ab von den Erwartungen, die wir haben. Wenn wir wissen, dass wir an jedem Tag auch Unlust verspüren, können wir das leichter ertragen. Wir schalten dann vielleicht nicht so sehr unsere Abwehr ein, denn die verdirbt vieles.
Abwehr beobachten
Sobald wir Unlust verspüren, wollen wir sie „weg haben“. Wir versuchen, uns gute Gedanken zu machen, obwohl wir uns ärgern, zu lächeln, obwohl wir nicht lächeln wollen, uns wachzurütteln, obwohl wir gerade müde sind usw. Besser kommen wir jedoch damit klar, wenn wir in uns hineinhorchen und merken: „Ah, da simmer ja wieder.“ Dann können wir gucken, wie es uns genau geht, was wir gerade brauchen und suchen. Wir können schauen, was denn gerade war, wer was gesagt hat und wie diese „Unlust“ in uns hinein kam. Wir können aber auch darauf hoffen, dass wir uns in wenigen Stunden wieder anders fühlen.
Sich gut zu kennen, hilft
Manche Menschen kennen ihren Tagesrhythmus sehr gut und stellen sich darauf ein. Besonders leicht kann das für Berufstätige sein, die selbstständig arbeiten. „Ich weiß, dass ich von 15 bis 17 Uhr nichts zustande bringe, also lege ich mich da einfach auf die Couch und mach‘ den Fernseher an. Diese Zeit ist täglich meine unproduktivste Zeit. Dafür kann ich abends dann von 21-22 Uhr nochmal gut arbeiten“, sagt eine Texterin.
„Ich muss bis 10 Uhr alles geschafft haben, danach ist meine energiereiche Zeit vorbei“, sagt eine Angestellte. „Dafür stehe ich aber auch gerne um 5 Uhr auf, bin die Erste im Büro und erledige die wichtigsten Dinge. Das, was weniger anstrengend ist, mache ich am Rest des Tages.“ Sich so einzustellen auf seinen Tagesrhythmus ist das Beste, was man machen kann.
Wie sieht mein Rhythmus aus?
Um den eigenen Rhythmus genauer kennenzulernen, braucht man Regelmäßigkeit. Es kann helfen, eine Weile jeden Morgen um 5 oder 6 Uhr aufzustehen, wenn man ein früher Vogel ist. Zu wissen: „Egal, was kommt: Von 13-15 Uhr mache ich Mittagspause“, hilft sehr gut, um über den Tag zu kommen. Es ist dann wie in der Woche: Wenn man weiß, dass es einen Sonntag zum Ausruhen gibt, geht’s leichter.
Realistisch oder unrealistisch?
„Das kann ich mir in meinem Beruf aber nicht leisten“, sagen viele. Doch oft kann man sich mehr leisten, als man so denkt. Häufig spielen Ängste eine große Rolle. „Wenn ich mittags essen gehe, ist das unkollegial“, sagt der Chirurg. Aber ist es nicht unkollegialer, nachmittags im OP nur noch einen rauen Ton anzuschlagen, weil der Magen grummelt? Da ist die Angst, zu wenig zu verdienen, wenn man Mittagstermine absagt oder seinen Vertrag nicht verlängert zu bekommen, wenn man abends pünktlich seine Arbeitsstelle verlässt. Sehr oft zeigt sich, dass die Dinge dennoch wunderbar funktionieren, wenn man seine Ängste überwindet und seinen Ideen nachgeht. Es ist eine Bastelei, aber wenn man seinen Rhythmus gefunden hat, wird vieles sehr viel einfacher.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 5.1.2017
Aktualisiert am 25.6.2017
Dunja Voos meint
Wie schön! Die Stille ist spürbar. Ich wünsche Ihnen noch viel gemütliches Kuscheln und Zeit zum Genießen.
Erol meint
….. kann mich nur anschließen. Meine stillende Tochter und ich genießen gerade diese Ursuppe des newborn babys.
Dunja Voos meint
Das freut mich! Ihnen auch Dank für die Rückmeldung.
leighanne meint
Ein Artikel, der gerade für mich wie die Faust aufs Auge passt. Danke!