Manchmal haben wir das Gefühl, das Böse schwirrt so rum. Wir haben das Bedürfnis, dem „Bösen“ einen Platz zu geben. Oft ist das Böse so schön nett außerhalb von uns selbst gebunden: Der Ex-Partner ist der Böse, der Ausländer ist der Böse, die (befürchtete) Krebserkrankung in uns ist böse und diejenigen, die uns finanziell aussaugen, sind auch böse. Ebenso ist der Berg „böse“, an dem der Bergsteiger erfrieren musste. Dabei steht der Berg einfach nur da und kann nichts dafür.
Vom Bösen verfolgt
Manchmal ist das Grundbedürfnis, das Böse auszulagern, so groß, dass es uns selbst wieder trifft. Das äußere Böse verfolgt uns scheinbar. Der böse Nachbar von nebenan schaut uns böse an. Der Wanderweg ist verflucht, weil uns ein Unwetter überrascht. Vergessen sind Hilflosigkeit und Eigenverantwortung. Aber auch der eigene Körper wird potenziell böse, denn die Krankheit lauert überall.
Was aber, wenn das Böse nicht dingfest ist? Dann fühlen wir uns vielleicht hilflos und ohnmächtig. Oft ist es leichter, jemandem die Schuld zu geben und ihn für böse zu halten, als das „eigene Böse“ oder die gemeinsame Ohnmacht zu spüren und zu tolerieren.
Angst und Depression sind Kinder gemeinsamer Eltern
Wer dem eigenen Bösen in sich keinen Raum geben kann, ist überfordert. Wer seine aggressiven Kräfte nicht zu nutzen weiß, der greift sich schließlich selbst an. So können Ängste und Depressionen entstehen. Der Betroffene lähmt sich selbst, greift sich selbst an und verliert die Lust am Leben. Das eigene „Böse“ – oder das, was wir für „böse“ halten – wird irgendwie ungünstig verarbeitet.
Es sind die eigenen aggressiven Kräfte vor denen wir weglaufen wollen, anstatt sie zu verstehen. Die eigene Zerstörungswut, die Todes- und Sterbewünsche, der mörderische Hass und die Eifersucht in uns sind Teil von uns selbst. All das gehört zum Menschsein dazu. In uns erleben wir manchmal die Hölle – aber auch den Himmel. Die Atombombe wurde ebenso vom Menschen erfunden wie die Johannespassion.
Lieber böse als ohnmächtig?
Manchmal erkennen wir, dass wir eigentlich nicht „böse“ sind, sondern eher hilflos. Wir fühlen uns ungewollt und ausgegrenzt. Wenn wir das anschauen können, vielleicht mit Hilfe eines anderen, dann ändert sich unser Fühlen und Denken. Wir können dann andere und uns selbst besser verstehen. Häufig kommt dann auch die eigene Kraft zurück. Was zuvor einfach „böse“ war, spüren wir dann in uns als Aggression, Autonomiewunsch, Neid, Hass, Wut, Eifersucht, Gefühl des Verlorenseins, der Hilflosigkeit, der Angst oder des Verlassenseins. Das Böse bekommt dann einen Namen. Wir können es in uns halten und müssen es nicht abschieben.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 24.6.2013
Aktualisiert am 27.1.2014
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