Bei psychischen Störungen sind die „kindlichen Anteile“ wieder ganz stark da: Man fühlt sich verlassen, hat große Angst, ist verzweifelt, zögerlich, möchte vielleicht nur noch weinen. Wer sich entschlossen hat, eine Psychotherapie zu beginnen, hat einen riesigen Entwicklungsschritt gemacht: Er hat sich eingestanden, dass er nicht alles alleine machen kann und Hilfe benötigt.
Es ist ein ähnlicher Schritt, den das Kind in seiner Entwicklung auch macht: Vom „Alleinemachen!“ hin zum „Kannst du mir helfen?“ Das Kind nimmt dann solange Hilfe an, bis es schließlich wirklich sagen kann: „Ich kann das alleine.“ Wenn jemand an diese Schwelle gekommen ist, Hilfe zu suchen und anzunehmen, dann klingt der Satz „Sie müssen mindestens noch 3 Monate warten“ wie die reinste Katastrophe. Viele Patienten haben das Gefühl, sie könnten es unmöglich alleine schaffen, bis die Therapie anfängt – doch sie schaffen es meistens.
Die Hölle: Das Warten auf einen Psychotherapieplatz
Gerade Patienten mit einer Angststörung sagen oft: „Diese Wartezeit ist die Hölle.“ Im Inneren drängen so wichtige Fragen und Kräfte. Die Betroffenen haben Angst vor sich selbst, vor ihren eigenen Regungen, ihrer Wut, Trauer, Eifersucht. Oft sind diese Gefühle noch unbewusst – was die Betroffenen spüren, ist eine unglaubliche Bedrohung, von der sie nicht wissen, ob sie eigentlich aus ihrem Inneren oder von außen kommt. Manche befürchten, sie könnten sich selbst etwas Schlimmes antun, bevor die Therapie endlich beginnt. Oder sie fühlen sich so alleine, dass sie wieder „Unterschlupf“ bei ihren Eltern finden, obwohl ihnen die Beziehung zu den Eltern zu diesem Zeitpunkt oft gar nicht gut tut.
Die Zeit vergeht
Doch die Zeit vergeht automatisch. Auch die Wartezeit auf einen Therapieplatz geht vorbei. Manchmal kommt der erlösende Anruf früher als erwartet. Wer eine psychoanalytische Therapie machen möchte, der findet in einem psychoanalytischen Institut oft schneller Hilfe. Auf den Websiten der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) und der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) sind die Adressen der Institutsambulanzen aufgelistet. Hier finden die Patienten gelegentlich schneller Hilfe bei einem Ausbildungskandidaten der Institute – das sind Ärzte und Psychologen, die sich in Ausbildung zum Psychoanalytiker befinden und für ihre Ausbildung Patienten suchen. Die Ausbildung wird immer von einem erfahrenen Psychoanalytiker geleitet, sodass auch diese Therapien empfehlenswert sind.
Viel Bewegung, viel Ruhe, viel Kontakt nach außen, aber auch das Fernsehen hilft
Während der Wartezeit kann es helfen, sich möglichst viel draußen an der frischen Luft zu bewegen. Viele Patienten fühlen sich allein durch ihren Entschluss, eine Therapie zu machen, besser. Die Aussicht auf einen Therapieplatz macht ihnen Mut – auch wenn die Verzweiflung des Wartens groß ist. Manchmal gelingt es dann, sich wieder zu Spaziergängen, zum Saunaabend, zum Schwimmen oder Laufen zu motivieren. Die Bewegung hilft häufig auch der Psyche. Es ist auch wichtig, genügend Schlaf zu bekommen – wer nachts nicht schlafen kann, kann dies ruhig am Tag, z.B. durch einen Mittagsschlaf, aufholen. Auch der Kontakt zu anderen Menschen, z.B. zu einem Verein, kann in der Wartezeit hilfreich sein. Ebenso hilfreich sind oft gute, „strukturierende“ und haltgebende Fernsehsendungen. Ich kenne einige Patienten, die durch intelligente, gut gemachte Familienserien innerlichen Halt gefunden haben.
Während der Wartezeit bleiben die Beschwerden meistens auf dem selben Level
Und zum Schluss noch die „gute“ Nachricht: Der Psychologe Thomas Huckert, Uni Trier, hat zusammen mit Kollegen untersucht, wie es 106 Patienten in der 6-monatigen Wartezeit auf einen Therapieplatz geht. Bei knapp der Hälfte blieben die Beschwerden während der Wartezeit auf dem gleichen Level. Bei etwas mehr als einem Viertel verbesserten sich die Beschwerden sogar. Etwas weniger als ein Viertel der Patienten klagten jedoch über eine Verschlimmerung ihrer Beschwerden während der Wartezeit. Doch so schwer, so „unmöglich“ und unzumutbar das Warten auch ist: Häufig wird man feststellen, dass sich das Warten gelohnt hat. Nichtsdestotrotz bleibt es natürlich wünschenswert, dass sich die Wartezeiten irgendwann verkürzen.
Verwandte Artikel in diesem Blog:
Links:
Marion Sonnenmoser:
Vorbereitung auf die Psychotherapie: Wartezeit sinnvoll nutzen
PP 10, Ausgabe März 2011, Seite 118
Huckert, Thomas; Hank, Petra; Krampen, Günter (2012):
Veränderungen in der Symptombelastung während der Wartezeit auf einen ambulanten Psychotherapieplatz.
Psychother Psych Med 2012; 62(08): 301-309, DOI: 10.1055/s-0032-1314837
https://www.thieme-connect.de/ejournals/abstract/10.1055/s-0032-1314837#AF0728-0001
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 8.1.2013
Aktualisiert am 1.1.2014
Denise Frost meint
Guter Beitrag! Die Möglichkeit der DPV / DPG war mir bisher noch nicht bekannt und lässt mich hoffen, vielleicht nicht ewig in der „Warteschleife“ zu stecken! Danke für den Hinweis und weiter so mit dem Blog!
anja und die sterne meint
Hallo,
wenn man Traumatherapie machen will dann kommt man mit 3 Monaten bei weitem nicht hin – eher ein Jahr und länger, wenn man überhaupt auf Wartelisten genommen wird.
Dazu, mit DIS – noch schwerer. Dann diese Therapieunterbrechungen… weil die Krankenkasse nicht weiter finanzieren will.
Es ist schwer, wenn man Hilfe braucht.
Freundlichen Gruß, anja und sterne
Michael Ludwig meint
Hallo mein Name ist Michael
Ich finde diesen Beitrag sehr Interessant weil es sich bei einen wieder Spiegelt,der unter Angstzustände leidet,ich konnte da ein Lied von Singen,ich musste eine Ewigkeit warten bis ich ein Termin bekommen habe,und dann sitzt du mit deinen Panikattacken da und wirst fast verrückt.
Gruß:
M.L