Willkommen

Stille ist grausam

Wenn ich in die Stille gehe, spüre ich meinen Körper auf unangenehme Weise. Mir wird bewusst, wie weh mir jeder Muskel, jede Sehne, jeder Knochen tut. Ich fühle mich überlastet, erschöpft und sehr alt. Unruhe kommt auf. Ich spüre jede Verletzung, die mir in meinem Leben zugefügt wurde, jeden körperlichen Angriff, jede Beleidigung. Mein „Pain Body“ (Schmerzkörper), wie Eckhart Tolle es nennt, ist durch und durch spürbar. Wenn ich in die Stille gehe, kommen Panikattacken. Ich bekomme Angst vor meinem Körper, vor meinen Gedanken, vor mir selbst. Ich fühle mich unglaublich verloren und einsam. Ich spüre die verschiedenen Arten von überfordernder Abwesenheit, die Berührungslosigkeit. Die Trauer um die Menschen, die nicht mehr da sind. Die Trauer um Kontaktabbrüche, um Verlorenes, um Nie-Gehabtes und Verpasstes.

So sieht Stille manchmal aus. „Machen Sie doch mal Yoga oder Urlaub“, sagt der Arzt lapidar.

Um in die Stille gehen zu können, braucht man eigentlich ein inneres Gefühl von „Sich-Halten-Können“ und „Gehaltenwerden“. Ich glaube, dass nur derjenige die Stille gut ertragen kann, der ein Mindestmaß an gutem Containment erfahren hat, also eine Beziehung zu einem anderen Menschen, der für die eigenen Emotionen zur Verfügung stand. Wenn dieses Mindestmaß an Containment-Erfahrung vorhanden ist, hat Stille etwas sehr Heilsames. Fehlt dieses Mindestmaß, kann Stille als etwas Schädliches erlebt werden.

Die eigenen Ängste und Schmerzen wieder zu spüren und bewusst wahrzunehmen, ist das Gegenteil von Verdrängung. Manchmal sehen wir uns gezwungen, uns mit unserer inneren Situation auseinanderzusetzen. Dann kann etwas auftauchen, das der Psychoanalytiker Donald Winnicott die „Angst vor dem Zusammenbruch“ nannte. Wir finden das meistens tief erschreckend. Doch den Zusammenbruch, den wir befürchten, haben wir nach Winnicotts Theorie möglicherweise bereits erlebt: Es sind die unaussprechlichen Ängste, die wir als kleine Kinder hatten, wenn wir schädigende Beziehungen erlebten und damit hoffnungslos überfordert waren.

Über die Stille kann Erlebtes wieder auftauchen. Das Unangenehme dann zu ertragen, bewusst wahrzunehmen, zu würdigen und zu integrieren, kann uns auf Dauer im Leben helfen. Wenn es uns überwältigt, ist es schwierig – man kann versuchen, die Überwältigung auszuhalten und abklingen zu lassen. Man kann die Situation jedoch auch verlassen – Licht anmachen und Kontakte suchen. Halten wir die Ruhe gut aus, kann sie bewirken, dass wir uns insgesamt im Alltag besser fühlen und dass sich unser vegetatives Nervensystem stabilisiert. Hilfreich ist es, über die Erfahrungen in der Stille sprechen zu können – z.B. mit dem Partner, einem Freund oder in einer Psychotherapie.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 14.8.2019
Aktualisiert am 17.3.2024

VG-Wort Zählmarke

ultralangsames, traumasensitives yoga – eine anleitung

wer frühtraumatisiert ist, leidet oft an vielen beschwerden. normales yoga in der gruppe oder sogar yoga im einzelunterricht kann dir vielleicht nicht gerecht werden, wenn du schon körperlich-psychisch schwer verletzt wurdest, bevor du sprechen konntest (z.B. operationen, vojta-therapie, sexueller missbrauch). mitunter geht es dir dann nach dem yogaunterricht vielleicht schlechter als vorher. ich habe herausgefunden, dass ein ultralangsames yoga wirkliche veränderung bringen kann. yoga heisst „verbindung“. es geht also darum, dich mit dir selbst zu verbinden – deine füsse (in gedanken) mit dem kopf, deine atmung mit der bewegung, deine körperhaltungen mit psychischen zuständen. Weiterlesen

Sehr langsames Yoga tut gut bei psychisch-körperlicher Frühtraumatisierung

Manchmal fangen wir hochmotiviert mit Yoga an und geben dann rasch wieder auf. Dabei tritt die gute Wirkung oft erst nach einer längeren Zeit ein. Der Gründer des „Somatic Experiencing“, Peter Levine, sagt so treffend: „Die Fähigkeit des Körpergewahrseins muss sich langsam entwickeln. Wir können den Körper nur ganz allmählich erfahren“ (www.somatic-experiencing.de/was-ist-somatic-experiencing). Die neuen Körpererfahrungen können in uns ein Wohlgefühl erwachen lassen und dahin wollen wir kommen. Dazu ist es wichtig, dass wir möglichst keinen „inneren Schweinehund“ überwinden müssen. Wie kann das gehen? Oft fängt die erste Yoga-Übung damit an, dass man sich hinstellt, die Arme beim Einatmen nach oben führt und beim Ausatmen nach unten. „Das ist mir schon zu viel“, sagen wir vielleicht, wenn wir an Gelenkschmerzen leiden oder mit unangenehmen psychischen Zuständen kämpfen. Weiterlesen

Yoga: Mit weichen Muskeln vergeht die Zeit langsamer

Wenn unsere Muskeln angespannt sind, sind wir auch im Denken angespannt – oder umgekehrt: Wenn wir rasch und verkrampft denken, spannen wir unsere Muskeln an. Der Kürmel im Kopf macht, dass wir nicht geordnet denken können und dass uns die Zeit dabei davon rast. Wer Yoga macht, bekommt ein Gespür für seine Muskeln und bemerkt vielleicht erstmals, wo und wann er überall angespannt ist, vielleicht sogar während der Psychotherapie. Wenn wir so schnell alles gleichzeitig und übereinander denken, dann rast auch die Zeit. Wir haben das Gefühl, wir hetzen uns gedanklich ab und uns bleibt kaum Zeit, in Ruhe nachzudenken. Weiterlesen

30 Minuten Yoga täglich sind gut für die Psyche

Richard P. Brown vom Columbia College of Physicians and Surgeons, New York und Patricia L. Gerbarg vom New York Medical Center, Valhalla, haben eine ausführliche Studie zum Einfluss von Yoga auf die psychische Gesundheit durchgeführt. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Yoga bei Angststörungen, Stress, Posttraumatischen Belastungsstörungen und Depressionen hilft. In ihren Untersuchungen nahmen sie das „Sudarshan Kriya Yoga“ (SKY) unter die Lupe und konnten die positiven Effekte nachweisen. Wichtig sei die persönliche Einweisung durch einen persönlichen Yogalehrer und das tägliche Üben von mindestens 30 Minuten. Weiterlesen

Tinnitus – der innere Quäler: Die „Bienenatmung“ kann entlasten

Wenn wir einen Tinnitus haben, befürchten wir vielleicht, verrückt zu werden, weil da was ist, was wir so absolut nicht wollen oder kontrollieren können. Der eigene Körper quält uns mit Tönen, Summen, Piepsen, Pochen und Geräuschen. Ohren kann man nicht verschließen, das ist ja schon im täglichen Leben so. Aber bei äußerem Lärm kann man sie sich zuhalten oder weglaufen. Da nutzen auch die zahlreichen Erklärungen nichts, etwa, dass jeder Ohrgeräusche habe, aber nicht jeder darauf höre. Das denke ich nicht. Ich denke, dass der Tinnitus tatsächlich ein „neuer Ton“ für den Betroffenen ist. Weiterlesen

Angstzustände durch Muskelentspannung durchbrechen

„Wer eine Panikattacke hat oder in einen Angstzustand gerät, dem bleibt nichts anderes übrig, als zu warten, bis diese Regenschauer (Stresshormonschauer) vorbei ist“, höre ich. „Angststörungen kann man wunderbar mit Progressiver Muskelentspannung (PMR) und Yoga behandeln“, höre ich auch. „Nur richtig atmen, wenn die Panik kommt – damit kann man’s in den Griff kriegen.“ Genug gehört. „Warum klappt das alles bei mir nicht?“, fragen sich viele. Meine Erfahrung ist: Ja, es ist möglich, einen heftigen Angstzustand in voller Fahrt durch Muskelentspannung und konzentrierte Atmung zu durchbrechen, aber bis man dahin kommt, dauert es bei schweren Ängsten unter Umständen sogar Jahre, in denen man üben muss.Weiterlesen

Diese gesunde Ernährung macht mich ganz krank

Immer wieder wollen wir unsere Ernährung umstellen – was immer das heißen mag. Es werden Smoothie-Mixer und Spiral-Schneider gekauft, Avocados, Feigen, Datteln und Sojapäckchen liegen bereit. Und nach ein paar Tagen radikaler Ernährungsumwandlung merken wir vielleicht: Wir fühlen uns kränker denn je. Kürzlich stieß ich auf das Buch von Karen Fischer: The Eczema Diet, www.eczemalife.com. Es ist sehr gut recherchiert und enthält interessante Ansätze. Von der Salicylatintoleranz durch Salicylate in Lebensmitteln hatte ich bisher nicht gehört. Weiterlesen

Warum hilft mir Yoga nicht?

Ich hatte mich oft gewundert, dass ich morgens nach dem Yoga vegetativ gestresst bei der Arbeit ankam. "Du machst zu viel davon", sagte mir die Stationsschwester, mit der ich zusammenarbeitete. Und konnte es kaum glauben, denn ich machte gar nicht so viel....

Dieser Beitrag ist nur für Mitglieder sichtbar.

Jetzt Mitglied werden

Yoga erhöht humanes Beta-2-Defensin (HBD2) im Speichel

Nobuhiko Eda und Kollegen der Waseda-Universität in Japan untersuchten 15 gesunde Erwachsene im Alter von etwa 60 Jahren auf die Konzentration von humanem Beta-2-Defensin (HBD-2) im Speichel. Die Studienteilnehmer ruhten an Tag 1 der Studie und machten an Tag 2 über 90 Minuten Yoga. Die Forscher führten Messungen in der Ruhepause und am 2. Tag vor und nach dem Yoga durch. Die Studienteilnehmer gaben ihren Speichel ab und es wurde die HBD-2-Konzentration gemessen. Das Ergebnis: Nach dem Yoga waren die HBD-2-Werte signifikant höher als vor dem Yoga. Weiterlesen