Schwächegefühle mit und ohne „Grip“

Bei einer Angststörung oder Traumafolgestörung können manchmal starke Schwächegefühle entstehen. Manchmal entsteht das Gefühl, man hätte gar nichts mehr im Griff. Es ist, als würden die Hände und Arme schwach werden. Man fühlt sich fast wie in einem Traum, aus dem man schwer wach wird. Dieses Gefühl der „Schwäche ohne Grip“ ist besonders unangenehm, weil das Gefühl entsteht, man sei völlig handlungsunfähig. Manchmal aber fühlt man sich zwar schwach, hat aber trotzdem das Gefühl, noch Herr über sich und seinen Körper zu sein. Das würde ich als „Schwäche mit Grip“ bezeichnen. Zu diesen verschiedenen Formen der Körpergefühle bzw. Ich-Gefühle hat der britische Psychoanalytiker Paul Federn (1871-1950, Wikipedia) interessante Texte geschrieben wie zum Beispiel „Ego-Feeling in Dreams“ (1932, online 2017).

Es kann dann helfen, sich den Körper wieder spürbar zu machen, z.B: durch Essen, Trinken, Schlaf-Nachholen, Kältereize, Bewegung etc. Wenn das Gefühl des „Nicht-Grips“ anhält, bleibt vielleicht nichts, außer zu warten, bis das „festere Gefühl“ zuürckkehrt. Das kann unterschiedlich lange dauern – oft wacht man eines morgens auf und fühlt sich wieder „normal“.

Paul Federn ist in der Psychotherapie erneut bekannt geworden durch verschiedene Konzepte der „Ego-States“. Die Psychotherapeuten Helen und John Watkins entwickelten hieraus beispielsweise die „Ego-State-Therapy“ (Ego-States: Theorie und Therapie, Carl-Auer-Verlag, 2019), die aus meiner Sicht aber nicht mehr sehr viel mit Federns ursprünglichen Gedanken zu tun hat.

Auch andere Therapieformen, die mit „Anteilen“ arbeiten (wie z.B. die Therapie mit dem „Inneren Kind“, die Transaktionsanalyse oder auch die Schematherapie), beziehen sich gelegentlich auf Paul Federn. Jedoch finde ich, dass die „Anteile“ im Sinne dieser Psychotherapien eher klar abgegrenzte Anteile sind wie z.B. der „Kindanteil“ oder der „Kritische Elternteil“, die sich im Laufe der Persönlichkeitsentwicklung herausgebildet haben. Hingegen bearbeitet Paul Federn in seinen Beiträgen zu Ich-Gefühlen und Ich-Grenzen sehr feine Zustände, zu denen es kaum Worte gibt und die teilweise bereits aus dem präverbalen Bereich, also aus der Babyzeit, stammen. Er beschreibt sehr differenziert, wie sich Ich-Gefühle verändern können z.B. im Schlaf, im Traum, bei Depersonalisation, Derealisation und in der Psychose.

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Literatur- und Linktipp:

Federn, Paul (1932): Das Ichgefühl im Traume. IZP 18, 145-170

Bibliografie von Paul Federn auf psyalpha

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