Dissoziative Störungen hängen oft mit frühkindlichen Traumata zusammen – was hilft?

Wenn Du etwas Einschneidendes erlebst, z.B. eine Geburt, Gewalt oder einen Unfall, bemerkst Du vielleicht, wie in Dir zwei Filme ablaufen: Einerseits kannst Du klar denken, andererseits merkst Du, dass Du vielleicht wie betäubt und weggetreten bist. Viele Menschen, die einen Unfall haben, empfinden oft keine Schmerzen – oder sie erinnern sich später nicht mehr daran. Obwohl unter Dissoziation oft etwas Krankhaftes verstanden wird, so ist die Fähigkeit zur Dissoziation auch eine Stärke, die uns in extremen Situationen schützt. „Dissoziation“ heißt wörtlich „Auseinanderfallen“, „Abtrennung“, „Zerfall“. Bei der Dissoziation gehen Denken und Fühlen auseinander. Besonders häufig von Dissoziationen betroffen sind schwer traumatisierte Menschen.

Die Dissoziation kann uns davor bewahren, von zu starken Gefühlen übermannt zu werden. Mit der Dissoziation ist es manchmal vielleicht wie mit unseren nächtlichen Träumen: Sie geschehen uns, unsere Psyche „macht“ sie, aber wenn wir mehr davon verstehen, können sich unsere Träume verändern. Wenn Du etwas Schlimmes erlebt hast und es war zu viel (es hat Deine „Reizverarbeitungskapazität überschritten“, Spitzer/Freyberger, S. 400), dann kannst Du vielleicht detailliert von dem Geschehen erzählen, doch empfindest Du nichts dabei. Die dazugehörigen Gefühle (z.B. starke Angst oder Scham) scheinen wie weggeblasen – doch manchmal kommen sie irgendwann mit Macht zurück. Das kann z.B. in einer Psychotherapie passieren, in der Du Dich wohl fühlst.

Dissoziation und Hysterie

Die Dissoziative Störung kann Teil aller möglichen psychischen Störungen sein. Die Diagnose „Dissoziative Störung“ tritt heute oft an die Stelle der ehemaligen Diagnose „Hysterische Neurose“. Man sagt, verschiedene „Ich-Zustände“ seien bei der Dissoziation nicht miteinander verbunden (sekundäre Spaltung). Du kennst solche Spaltungen vielleicht: Wenn Du Dich schwer depressiv fühlst, kannst Du Dir gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn es Dir gut geht und wenn es Dir gut geht, weißt Du gar nicht mehr, warum Du Dich manchmal so schlecht fühlst.

Die Dissoziation wird heute weniger den Neurosen (also den reiferen psychischen Störungen) als vielmehr den schwereren psychischen Störungen zugeordnet (Frühstörungen, Traumata, Borderline, Psychosen).

Neurologisch und psychologisch stellt man sich vor: Ein traumatisches Erlebnis wird sozusagen in verschiedenen Teilen des Gehirns/der Psyche verarbeitet, aber es kommt nicht zusammen, was zusammengehört – Gesehenes, Gefühltes, Gedachtes, Erinnertes usw. werden getrennt voneinander gehalten. Manchmal wird das Erleben wie auf eine „innere Insel“ geschickt, sodass es noch nicht einmal möglich ist, über den eigenen Zustand oder über das Erlebte zu sprechen. Vielleicht schwebt Dir ein Bild im Kopf herum, aber es kommt (noch) nicht über den Weg der Kommunikation heraus.

Insbesondere die Anbindung an den eigenen Körper scheint im dissoziativen Zustand wie weit weg zu sein und/oder sie wird als sehr unangenehm erlebt.

Häufig sind Erinnerungen an Lebensereignisse verschwunden (dissoziative Amnesie). Manchmal waren wir auch zu klein, um uns an die Ereignisse erinnern zu können, die uns so eine starke Pein bereiteten. So fehlt es sozusagen „natürlicherweise“ an Erinnerungen. Man darf auch nicht vergessen, dass dies alles theoretische Konstrukte sind, mit denen wir uns die Zustände erklären. Diese Theorien sind jedoch infolge von vielen Patientengeschichten entstanden, wobei sich der Zusammenhäng zu frühen schweren Traumata immer wieder zeigte.

Manche reisen im dissoziativen Zustand weit weg und wissen dann nicht, wie sie dorthin gekommen sind, wo sie sich auf einmal wiederfinden (dissoziative Fugue [sprich: Fjuug]). Dabei sind sie meistens die ganze Zeit dazu fähig, gut für sich zu sorgen, sodass sie auf andere zunächst normal wirken. Hier findet sich mitunter eine Nähe zu manischen Phasen bei der bipolaren Störung.

Auch die Trance oder Zustände, in denen man sie wie besessen fühlt, können zur dissoziativen Bewusstseinsstörung gezählt werden. Besessenheitsgefühle können durch eigene starke Sehnsüchte entstehen, aber möglicherweise auch durch frühe körperliche oder medizinische Eingriffe, in der wir die „Invasion in den Körper“ als traumatisch erlebten, aber noch nicht sprechen konnten. Auch sexuelle Gewalterlebnisse können zu Gefühlen der Besessenheit führen, ebenso wie die Situation, dass einem nicht geglaubt wird oder dass man permanent nicht verstanden wird.

Schließlich gibt es noch den dissoziativen Stupor (F44.2) – ein völliges Abwesend- und Stumpfsein. Vielleicht kennst Du das auch: Wenn es Dir nicht gut geht, magst Du Dich vielleicht so gut wie nicht bewegen. Auch das Sprechen und Erzählen fällt Dir schwer. Berührungen können Dich manchmal dann auch nicht mehr erreichen. Bei einem Stupor ist es sehr ähnlich, jedoch viel stärker.

„Im Gegensatz zu organisch bedingten Stupores ist der Muskeltonus normal; aufrechte Haltung und Atmung sind erhalten.“ (Spitzer/Freyberger, S. 398, Praxis der Psychotherapie, Thieme, 2020).

Nicht nur das „Zuviel“ kann zu Retraumatisierungen oder dissoziativen Zuständen führen. Besonders auch die Abwesenheit wichtiger Bezugspersonen ist oft Auslöser für dissoziative Zustände. Die Abwesenheit anderer „erinnert“ möglicherweise an frühe Zustände, in denen Du sozusagen von allen guten Geistern verlassen wurdest und „mutterseelenallein“ warst.

Dissoziation und Verdrängung

Dissoziation bedeutet manchmal auch „Verdrängung“, wobei ungewollte Gefühle, Wünsche und Erinnerungen ins Unbewusste verdrängt werden. Dein Zustand ist dann vielleicht so, dass Du keine Angst, keinen Schrecken (gegenüber äußeren, realen Schrecken) und keinen psychischen Schmerz mehr spürst – aber Du nimmst Dich selbst vielleicht wie benommen wahr oder findest Dich in einem „furchtbaren, unaushaltbaren Zustand“ wieder.

Es geht um eine tiefe, existenzielle Beunruhigung. Was beunruhigt und was beruhigt Dich? Manchmal musst Du suchen, um Worte zu finden.

In Situationen, die an traumatische Ereignisse erinnern, können sich vegetative Symptome wie Herzrasen, Zittern, Durchfall, Harndrang oder Übelkeit bemerkbar machen. Einerseits wird hier Psychisches in Körperliches umgewandelt, ähnlich wie bei einer „dissoziativen Konversion“, doch die psychischen Schwierigkeiten bleiben weiter greifbar. Du merkst, dass Dein Körper mit den psychischen Regungen mitreagiert. Unspezifische vegetative Symptome wie z.B. Herzrasen oder Durchfall zählen eigentlich nicht zur Dissoziation. Hier würde man vielleicht eher von „Affektäquivalenten“ sprechen: Affekte wie Ärger oder Neid bleiben vorbewusst, während der Körper mit vegetativen Symptomen reagiert. Doch so ganz kategorisieren lässt sich die Psyche eben nicht.

Bei der Dissoziation bleiben offensichtliche Angstreaktionen häufig weg. Doch etwas anderes Unangenehmes kann eintreten: Die Dissoziation „führt mittelbar zu einer Bedrohung der Selbstkohärenz“ (Spitzer/Freyberger, S. 400). Dazu kann z.B. gehören, sich selbst nicht mehr im Spiegel angucken zu können. Oder aber Du sprichst mit anderen, bist dabei jedoch selbst innerlich stark von bestimmten Themen absorbiert, sodass Du z.B. nur ziellos grübelst, z.B. über den Sinn Deines Lebens. Vielleicht sprichst Du manchmal auch laut zu Dir, wenn Du alleine bist, weil Du Dich in Dir selbst wie unwirklich eingeschlossen fühlst.

Von „Konversion“ spricht man, wenn die Symptome ein Problem symbolisch darstellen. Beispiel: Du willst weglaufen, kannst Dir das aber aufgrund sozialer Zwänge nicht erlauben – dann kann es zur Lähmung der Beine kommen. Oder Du hast einen Konflikt, möchtest „Nein“ sagen und dann bleibt Dir die Stimme weg.

Dies zeigt vielleicht, wie schwierig es manchmal mit der Begriffsfindung sein kann. Meiner Erfahrung aus Klinik und Praxis nach wird heute manchmal gesagt: „Der Patient dissoziiert“, wo vor einigen Jahren noch gesagt wurde: „Der Patient hat eine Panikattacke.“ Ich denke, heute wird eher von „Dissoziation“ gesprochen, weil die Psychotherapieforschung die Zusammenhänge zwischen Traumata und psychisch-körperlichen Symptomen deutlicher herausgearbeitet hat. Ich stelle aber auch immer wieder fest, dass Psychiater und Psychoanalytiker manche Begriffe etwas unterschiedlich verwenden.

Wenn aus seelischen Vorgängen körperliche Beschwerden mit Symbolcharakter „werden“, spricht man von „Konversion“. Dazu können z.B. dissoziative Blindheit oder Bewegungsstörungen gehören, bei denen z.B. das Gehen schwer fällt und unkoordiniert ist. Es kommt vielleicht aber auch zur Dysphonie (Stimmstörung). Bei dissoziativer Blindheit laufen die Betroffenen charakteristischerweise meistens nicht gegen einen Stuhl, im Gegensatz zu Menschen, die akut – z.B. durch eine Augenerkrankung – „wirklich“ blind geworden sind. Bei dissoziativen Krampfanfällen könnte man an epileptische Anfälle denken, jedoch reagieren die Pupillen beim dissoziativen Krampfanfall noch ganz normal auf Licht. Es gibt beim dissoziativen Krampfanfall in der Regel keine Zungenbisse, kein „Einnässen, keine vegetative Dysregulation und selten schwere Verletzungen.“ (Spitzer/Freyberger, S. 398)

Die „Dissoziation“ kann auch eine Reaktivierung körperlicher und psychischer Zustände sein, die wir als Baby oder Kleinkind erlebten und für die wir bis heute keine Worte haben. Auch schwere Traumata in späteren Lebensabschnitten können zur Sprachlosigkeit führen. Allein schon der Gedanke an ein für Dich schwieriges und unlösbares Thema (z.B. Angst vor dem Tod oder vor der Unendlichkeit) können Dich innerlich so überfordern, dass Du in einen „schwierigen Zustand“ kommst. Solche Zustände sind jedoch wahrscheinlicher, wenn Dir etwas zu viel geworden ist oder Dir etwas fehlt, als wenn Du gerade in guten Umständen lebst, in denen Du psychisch und materiell hast, was Du brauchst.

Panikattacken, Hyperventilation und Derealisation sind Erscheinungen, die im (Klinik-)Alltag manchmal auch als „Dissoziation“ bezeichnet werden. Ich halte den Begriff „Dissoziation“ für so vieldeutig, dass ich ihn nur selten gebrauche – es sei denn, die Zustände sind eindeutig wie z.B. bei der dissoziativen Fugue.

Die Dissoziation hat viele Gesichter

Psychologen teilen die Dissoziation in verschiedene Erscheinungsformen auf: Es gibt die Dissoziationen der Wahrnehmung, des Denkens und der Affekte (Affektdissoziation). In Wirklichkeit lassen sich diese drei Formen jedoch nicht immer so genau voneinander abgrenzen. Viele Betroffene beschreiben ein Einengen des Blickfeldes, ein komisches Empfinden der eigenen Stimme, eine störende Wahrnehmung der eigenen Hände (Depersonalisation), ein wattiges Gefühl im Kopf, Schwindel, Fremdheitsgefühle und ähnliches. Das „Undefinierbare“ herrscht vor, weswegen sich viele kneifen oder auf die Oberschenkel schlagen, um wieder „zu sich“ (also zu ihrem Körper) zu kommen.

Wenn Du dissoziierst, geschieht dies vielleicht „ganzheitlich“, also auf allen drei Ebenen (Wahrnehmen, Denken, Fühlen). Das Prinzip bleibt gleich: Du nimmst nur einen Teil des Ganzen wahr, denkst vielleicht extrem in eine Richtung und fühlst nur einen Teil Deiner Gefühle. Der Bezug nach außen, zum anderen und zur „Realität“ geht teilweise verloren, aber auch der Bezug zu Dir selbst fühlt sich „gestört“ oder scheußlich an. Das empfindest Du vielleicht als Ich-dyston (also nicht „normal“) und quälend – Du sagst Dir vielleicht: „Das bin gar nicht wirklich ich. Normalerweise fühle ich mich anders.“

„Multiple Persönlichkeitsstörung“

Zur „Multiplen Persönlichkeitsstörung“ gibt es aufsehenerregende Berichte. In den USA gab es vor Jahren eine regelrechte Welle der Diagnose MPD – manche Patienten sollen bis zu 150 verschiedene Persönlichkeiten gehabt haben.

Wenn wir besonders viel von unserem bewussten Erleben abspalten (oft passiert es ja auch automatisch, genauso wie uns ein Traum „passiert“), dann fehlt uns ein Stück „Identität“. Die Diagnose lautet dann unter Umständen „Dissoziative Identitätsstörung/Persönlichkeitsstörung“ (DID), auch „Multiple Persönlichkeitsstörung“ (Multiple Personality Disorder, MPD) genannt. Der Psychotherapeut wird manchmal dann auf die „verschiedenen Persönlichkeiten“ aufmerksam, wenn er einen „Switch“ mitbekommt, also einen Wechsel zwischen den Persönlichkeiten (Spitzer, Freyberger, S. 398). Hierbei muss vieles mit berücksichtigt werden: Welche Geschichte hat der Betroffene? Besteht eine Sucht, nimmt der Betroffene Medikamente, besteht eine körperliche Erkrankung?

In einer Psychotherapie lassen sich viele Vorgänge jedoch oft verstehen. In einer Psychotherapie kannst Du Worte, Bilder und Erzählungen für die Dinge finden, die Dich überwältigen oder einst überwältigt haben. Dann wird oft über einen sehr langen Zeitraum das, was vorher „dissoziiert“, also irgendwie abgespalten war, „integriert“. Das heißt, in der Psyche werden die einzelnen Teile zusammengeführt. Der Weg zu einer solchen Integration führt oft über eine Psychoanalyse (analytische Psychotherapie), weil diese Therapieform intensiv und auf eine lange Zeit angelegt ist. Dort kannst Du Deine unaushaltbaren Zustände spüren, während der Psychoanalytiker sie psychisch hält und mit „verdaut“, ohne einzugreifen. Die körperliche Präsenz des Psychoanalytikers ist dabei unerlässlich, denn sie ist es, die zur Linderung führen kann.*

Was hilft bei Dissoziativen Störungen?

Manchmal hilft erstaunlich wenig bei dissoziativen Störungen – sie sind oft extrem hartnäckig und auch nach vielen Jahren der Therapie können die unaushaltbaren Zustände auftauchen und Dir das Leben schwer machen. Aus meiner Sicht hilft alles, was dem Körper hilft, z.B. regelmäßiges Schwimmen, Radfahren oder Laufen, also eine „Ganzkörperaktivierung“. Auch Yoga am Morgen (möglichst fast täglich) kann Dir helfen, bewusster körperlich-psychische Zustände früh zu registrieren und gegenzusteuern, insbesondere durch die Atmung. Besonders das verlängerte Ausatmen ist wichtig.

Yoga mit seinen Atemübungen (Pranayama) hilft Dir, Dich auszurichten. Durch regelmäßiges Üben stabilisierst Du Dein vegetatives Nervensystem. Doch Du musst einige Monate „dranbleiben“, bis Du langsam merkst, dass sich etwas verändert – so meine Erfahrung.

Sich halten zu lassen, kann hilfreich sein. Fest gedrückt zu werden, kann Halt geben, aber auch heißes Duschen, das Abrubbeln mit einem trockenen Handtuch oder eiskalte Duschen helfen. Ebenso der strukturierte Alltag und die emotionale Begegnung mit einem anderen Menschen sind hilfreich. Du kannst auch durch Lernen und logisches Denken viel über Deine speziellen Themen herausfinden, z.B. in wissenschaftlichen Texten. Das Nachdenken war vielleicht schon früh eine „Überlebensstrategie“ von Dir. Dem kannst Du ruhig weiter nachgehen – andererseits vergiss Deinen Körper nicht und „komme ins Fühlen“, wie es so schön heißt. Eine gute Umgebung kann Dir helfen, Dich wieder besser zu fühlen – ein schönes Licht, frische Luft und eine gemütliche Kuschelecke können Balsam für Deine aufgeregte Seele sein.

Lerne in guten Zeiten, zu meditieren.

Der Meditationslehrer und Zenmeister Muho Nölke gibt auf Youtube viele gute Tipps. Wenn Du „bereit bist, auf dem Kissen zu sterben“, wie er so oft sagt, dann kannst Du Deine Zustände selbst etwas halten und kanalisieren. Versuche, in irgendeiner Form Mitgefühl für Dich selbst zu entwickeln, selbst, wenn es im dissoziativen Zustand selbst kaum geht. Wenn Du aber im Nachhinein traurig sein und weinen kannst, löst sich vieles.

Und stresse Dich nicht: Was Du erlebt hast, war möglicherweise richtig schlimm und „namenlos“. Es ist Teil Deiner inneren Welt, sodass dies auch zu starken Einsamkeitsgefühlen führen kann.

Therapeuten, die Dir sagen, dass Du einfach nicht genug übst, haben vielleicht etwas recht, denn Du brauchst viel Disziplin – aber vielleicht leiden sie selbst nicht unter frühen Traumata. Viele können sich nicht vorstellen, wie hartnäckig das bedrohliche Innenleben sein kann. Gehe ruhig Deinen Weg und finde neugierig selbst heraus, was welche Zustände in Dir verursacht und wodurch diese Zustände wieder abebben. Manchmal hilft einfach die Zeit.

Begriffe im Zusammenhang mit Dissoziation:

Amnesie = lückenhafte Erinnerung
Fugue [sprich: „Fjuug“] = Du kannst Dich nicht daran erinnern, von einem Ort an einen anderen gegangen/gereist zu sein
Stupor und Katatonie = Man fühlt sich „abgestumpft“, ist nicht mehr ganz in Verbindung zur Umwelt. Das Sich-Bewegen und Sprechen ist sehr anstrengend, vielleicht kaum noch möglich.
Depersonalisation = Du kommst Dir fremd vor – als stündest Du außerhalb von Dir selbst. Dich selbst zu kneifen oder laut zu Dir zu sprechen, kann hilfreich sein.
Derealisation = Die Außenwelt kommt Dir komisch fremd vor – alles wirkt unwirklich oder wie im Déjà vue
Schein-Demenz („Ganser-Syndrom“) = der Betroffene wirkt „dümmlich“ und spaltet einen Teil seiner Intelligenz ab
ICD-10:
F44.0 bis F44.3 dissoziative Bewusstseinsstörung
F44.4 bis F44.6 Konversionsstörungen
F44.7 Dissoziative Störungen, gemischt
F48.1 Depersonalisationsstörung

„Es ist klinisch hilfreich, die dissoziativen Störungen … in zwei Gruppen zu unterteilen:

  • dissoziative Bewusstseinsstörungen (Dissoziation rein auf der psychischen Ebene [Eckhart-Henn A, Spitzer C, 2017: Dissoziative Bewusstseinsstörungen, Schattauer 2017])
  • Konversionsstörungen (Dissoziation ausschließlich auf der Körperebene [Fricke-Neef C., Spitzer C: Konversionsstörungen; Nervenarzt 2013; 84: 395-406; Köllner et al., 2003]“
    Carsten Spitzer, Harald J. Freyberger: Dissoziative Störungen, Praxis der Psychotherapie, 6. Auflage, 2020: S. 397-402

*Dies wird zum Beispiel hier beschrieben: Danielle Knafo und Michael Selzer: From Breakdown to Breakthrough, Routledge 2024: S. 59: „Gradually, bearing witness without intruding facilitates the patient’s internal cohesion … Grossmark (2016) has written about the therapist becoming a psychoanalytic companion to patients who are unable to engage in mutuality. How transformation occurs is less the result of what the therapist does than what they do not do.“ (Frei übersetzt von Voos:) „Der Prozess, in dem der Psychotherapeut sich als nachträglicher Zeuge zur Verfügung stellt, ohne einzugreifen, ermöglicht es dem Patienten, sich innerlich zunehmend kohärent zu fühlen. … Grossmark (2016) hat darüber geschrieben: Der Therapeut, der zum psychoanalytischen Begleiter von Patienten wird, die nicht zur wechselseitigen Kommunikation fähig sind, ermöglicht die Transformation. Diese ist weniger das Ergebnis dessen, was der Therapeut tut als vielmehr dessen, was er nicht tut.“

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Links:

Grossmark, R (2016):
Psychoanalytic companioning
Psychoanalytic Dialogues 22(6): 629-646

Danielle Knafo, Michael Selzer (2024):
From Breakdown to Breakthrough
Psychoanalytic Treatment of Psychosis
Routledge, 2024

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Dunja Voos:
Schatten der Vergangenheit.
Trauma liebevoll heilen und innere Balance finden.

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Dunja Voos:
Vojta-Therapie bei Babys – ein Aufschrei
Hilfe bei einem speziellen Trauma
Selbstverlag, Februar 2021

Ruth Riesenberg-Malcolm:
Unerträgliche seelische Zustände erträglich machen.
Psychoanalytisches Arbeiten mit extrem schwierigen Patienten.

Verlag: Stuttgart, Klett-Cotta, 2003
zvab.com

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 29.12.2012
Aktualisiert am 1.1.2024

4 thoughts on “Dissoziative Störungen hängen oft mit frühkindlichen Traumata zusammen – was hilft?

  1. Sumsi sagt:

    ….eine DIS ist KEINE Krankheit,es wird nur leider immer wieder so hingestellt…..von DIS Menschen kann man vieles lernen!
    Man sollte diese Menschen besser „ehren“ anstatt sie durch Unkenntnis zu stigmatisieren!!
    Das musste nun mal „gesagt“werden.

    Frdl.Gruesse

  2. Riabe sagt:

    Schade, dass hier nur das steht, was auf Wikipedia und 2000 anderen Seiten ebenfalls über die DIS zu finden ist.
    Bei der PTBS erwähnen Sie, dass das Wort „Störung“ eigentlich nicht passt. Das tut es hier auch nicht. Dissoziative Identitätsstruktur wäre mMn treffender. Denn es ist ja eben jene, welche dissoziativ ist, und nicht gestört: im Gegenteil, manche Identitätsabspaltungen sind sogar sehr gesund.
    Vielleicht kommt ja irgendwann ein Text dazu, der es erlaubt, ihn an Freunde und Verwandte zu schicken; um die DIS für „Fremde in der Fachsprache“ verständlich zugänglich zu machen, ohne eigene Geschichte einweben zu müssen.
    Ich wäre sehr froh darum. Denn obwohl vertraut mit Fachdeutsch und der Diagnose, bzw Psychoedukation, ist es enorm schwierig, die eigene Lebensrealität zu erklären, ohne sich zu sehr zu offenbaren. Die DIS überfordert, meiner Erfahrung nach, nämlich auch die besten Freunde…

    Freundliche Grüsse
    RiaBe

  3. Polyperson sagt:

    Ist es möglich, dass meine Innies sich Geschichten ausdenken, die meinen in ihn steckenden Gefühlen eine Form geben, die mich die Gefühle aus der Distanz fühlen lässt, ohne mir weh zu tun?

  4. Melinas sagt:

    Ja, das ist wahr – so habe ich es in meinem Blog auch beschrieben. Ich finde in meinen selbstgeschriebenen Geschichten mich – auf eine neue Weise – sozusagen die Gefühle dazu, die ich damals irgendwie scheinbar nicht fühlte oder irgendwo weggesperrt waren. Es sind Puzzleteile, die ich da finde. Im Buch „Weltenchaos“ sind da viele davon drin – auch verschachtelt. Aber noch mehr von diesen Gefühlszuständen-Geschichten habe ich in letzter Zeit geschrieben. Sozusagen eine Art Biographie in Geschichten – meiner.

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