Kinderlos: Vom Schmerz des unerfüllten Kinderwunsches

Als Kinder glaubten wir im Vater-Mutter-Kind-Spiel noch, dass unsere erträumte Familie später einmal selbstverständlich Wirklichkeit werde. Doch wenn wir als Kinder – aus welchen Gründen auch immer – zu sehr litten oder in stark neurotischen oder gar psychotischen Familien groß wurden, verloren wir rasch an Lebenszeit. In unserer Orientierungslosigkeit waren wir als junge Erwachsene vielleicht lange damit beschäftigt, Versäumtes aufzuholen und Sonderbarkeiten abzuarbeiten. Vielleicht haben wir unseren emotionalen Mangel und die Einsamkeit mit unserem Beruf kompensiert. Möglicherweise sind wir sogar sehr erfolgreich. Aber wir fühlen uns auch sehr einsam.

Viele Akademikerinnen sind jahrelang, vielleicht jahrzehntelang auf Partnersuche. Ist eine Partnerschaft im Studium nicht zustandegekommen oder wieder auseinandergegangen, ist es später oft schwer, einen geeigneten Partner für die Familiengründung zu finden. Nahen die Wechseljahre, stellt sich oft ein ungeheurer Schmerz ein. Die Kinderlosigkeit – egal ob aus psychischen oder körperlichen Gründen – tut weh.

Nicht nur Frauen sind davon betroffen, erst (zu) spät reif für eine Beziehung zu sein. Auch viele Männer müssen erst ihre leidvollen Erfahrungen aus der Kindheit bearbeiten. Doch Frauen erleben durch die Wechseljahre sehr bewusst das „Aus“ ihrer fruchtbaren Lebensphase und ihre eigene Endgültigkeit. Der Verlust der Fruchtbarkeit ist für viele Familienmütter eine Befreiung. Für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch ist es jedoch ein ganz besonderer Schmerz.

Kontaktabbrüche zwischen Eltern und Kindern

In diesem Blog habe ich einige Beiträge zum Thema „Kontaktabbruch zwischen Kindern und Eltern“ geschrieben. Die „Kontaktabbrecher*innen“ scheinen mir besonders häufig von dem Leid betroffen, keine eigene Familie gründen zu können. Interessant hierzu ist auch der Artikel „Setting Boundaries With Parents With Personality Disorders“ (Psychology Today, 25.5.2023).

Vielleicht spürst Du, Dass Du infolge Deiner Kindheit eine Art Beschädigung oder „Hindernis“ mit Dir herumträgst, sodass Du Dich vielleicht auch bewusst gegen Kinder entschieden hast, obwohl Du Dein „Nicht-Wollen“ als sehr zwiespältig erlebst. Vielleicht fühlst Du Dich durch intime Partner oder familiäre Beziehungen auch schnell eingeengt. Trennungen können rasch vollzogen werden, doch wer in Einsamkeit lebt, kann nicht ebenso schnell wieder vertrauensvolle und intime Beziehungen aufbauen.

Manche Frauen entscheiden sich, auch ohne eigenen Partner schwanger zu werden. Bekannt ist die Storkklinik in Dänemark, doch auch in Deutschland gibt es inzwischen Wege für partnerlose oder lesbische Frauen, schwanger zu werden. Wichtig dabei erscheint mir, dass das Kind später die Möglichkeit hat, seinen biologischen Vater kennenzulernen.

Wie mit dem Schmerz umgehen?

Doch manchmal ist die Zeit verstrichen und es ist zu spät für Kinder. Darunter leiden viele kinderlose Frauen sehr stark. Immer wieder taucht die Frage auf: „Wie soll ich mit dem Schmerz leben?“ Manche leiden sehr darunter, dass sie körperlich nie die Erfahrung einer Schwangerschaft machen durften. Andere trauern, weil sie erst spät – oder vielleicht auch (noch) gar nicht – ihre Liebe gefunden haben. Auch die Vorstellung, dass niemand da ist, der für einen weiterlebt, kann beunruhigen und zur Trauer führen.

Mit den Wechseljahren tritt die Frau in eine neue Phase ein, die manchmal von jahrelanger, sehr starker Trauer begleitet wird. Während manche Frauen fast nichts von den Wechseljahren spüren, können andere ihr rasantes Altwerden phasenweise ganz genau beobachten. Die Energie lässt spürbar nach, Gelenkschmerzen treten auf und Herz, Galle oder Nieren machen sich bemerkbar. Die Weitsichtigkeit kommt fast über Nacht und die Frage nach Zahnimplantaten oder gar Teilprothesen stellt sich.

Doch ein Gewöhnungseffekt tritt nur schwerlich ein. „Ich muss jeden Tag daran denken, dass ich keine Kinder bekommen konnte und ohne Kinder von dieser Erde gehen werde“, sagt eine Frau. „Ich muss sofort anfangen zu weinen, wenn dieses Thema zur Sprache kommt“, sagt eine andere. Viele fühlen sich sehr alleingelassen mit der Bewältigung dieses Schmerzes. Sogar Frauen, die Kinder adoptiert und sie liebevoll großgezogen haben, können unter dem Gefühl des Spalts leiden.

Es bleibt einem jedoch, sich geistige Kinder „anzuschaffen“ und sie zu pflegen. Auch, wenn die Lücke wohl fast immer spürbar bleiben wird: Es kann sehr befriedigend sein, als Erzieherin, Hebamme, Lehrerin, Seelsorgerin oder Psychoanalytikerin so manchem Kind eine geistige oder emotionale Mutter zu sein. Auf Youtube wurde ein „ICU Grandpa“ bekannt – ein Rentner, der Kinder einer Intensiv-Frühchen-Station stundenlang im Arm hält. Auch die Beziehung zu einem Tier, insbesondere einem Hund, kann sehr tief sein, wie z.B. der Psychoanalytiker Jeffrey Masson (Wikipedia) beschreibt.

Doch aller Ersatz kann den eigentlichen Schmerz nicht ausradieren. Er vergeht manchmal ganz und taucht manchmal wieder mit Wucht auf. Mit zunehmendem Alter, wenn zu spüren ist, wie die Lebensenergie sich reduziert, können manche Frauen Frieden mit ihrer Kinderlosigkeit schließen. Manchmal taucht eine nie gekannte Zufriedenheit auf. Viele Frauen finden auch Trost in Vorbildern, die keine leiblichen Kinder bekommen haben. Bewundernswert finde ich z.B. die Volksmusikerin Traudi Siferlinger (Youtube). Doch manchmal lässt sich der bittere Schmerz nicht lindern. Und vielleicht muss er auch nicht gelindert werden. Er gehört zum Leben vieler.

In der Organisation Populationmatters.org engagieren sich viele Männer und Frauen, die sich bewusst dazu entschieden haben, keine Kinder zu bekommen, weil sie das Problem der Überbevölkerung sehr ernst nehmen. Schirmherr ist Sir David Attenborough.

Ich weise hier auch auf die besonderen Probleme der Menschen hin, die als Baby/Kleinkind die Vojta-Therapie (Reflex Locomotion Therapy) erhalten haben. Durch diese Form der Physiotherapie wird meiner Erfahrung nach vielen die Fähigkeit genommen, sich berühren lassen zu können. Siehe „Vojtakritik„.

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Link:

Stork-Klinik Dänemark

Dieser Beitrag erschien erstmals am 9.2.2015
Aktualisiert am 25.7.2023

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