Wer die Nase voll hat, legt sich kurzerhand mit einer Erkältung ins Bett. Wir sind „verschnupft“, wenn uns jemand gekränkt hat und bekommen einen dicken Hals, wenn wir uns schon wieder ärgern. Stress führt dazu, dass Viren und Bakterien leichter Eingang in unseren Körper finden – Psychoimmunologen sprechen auch vom „Open-Window-Phänomen“. Weiterlesen
„Der kommt jede Woche zu mir und lässt sich wegen Kleinigkeiten krankschreiben. Ein Weichei. Der hat gar nix“, sagt die Ärztin verzweifelt. Doch was heißt es für den Patienten, „nichts Richtiges“ zu haben? Der Patient ist in diesem Fall ein einfacher Arbeiter. Doch Menschen aus allen Schichten sind davon betroffen, „nichts“ zu haben und doch zu leiden. Ärzte sind psychologisch einfach zu schlecht ausgebildet. „Als Arzt kann ich mich nicht um alles kümmern“, klagt der Arzt. „Ich bin schließlich kein Sozialarbeiter und kein Psychologe.“ Ärzte sind oft überlastet mit der Situation – doch was genau ist so belastend?
„Wenn ich doch wenigstens eine deftige Depression mit vielen trübseligen Gedanken hätte. Aber das Schlimme ist ja: Da ist nichts – nur eine absolute, erschreckende Leere“, klagt ein Patient. Auch, wenn man diese Leeregefühle als Depression bezeichnen kann, so taucht doch eines immer wieder auf: „Nichts“ zu haben oder zu fühlen, ist für viele das Unangenehmste, was passieren kann.
Priveligierte und unprivilegierte Welten treffen aufeinander
Wenn ein Arzt aus einer privilegierten Familie kommt, dann wird er möglicherweise nur ansatzweise nachvollziehen können, welche Qualen der Patient leidet, der „nichts“ hat. Manche Menschen leben in einer Perspektivlosigkeit ungeahnten Ausmaßes. Sie erleben zu Hause körperliche und/oder seelische Gewalt, können aber nicht darüber sprechen. Sie haben kein Geld, keine befriedigenden Beziehungen, keine Arbeit, die einen Sinn ergibt, keine Möglichkeit, ihre Gefühle zu steuern. Viele sind völlig isoliert und alleingelassen. Viele hatten nie eine Beziehung zu einem Menschen, durch den sie hätten reifen können.
Plattgedrückt
Von der Auswegslosigkeit sind manche Patienten schier „plattgedrückt“. „Der faule Sack hängt nur vor dem Computer“, sagt ein privilegierter Kollege. „Der müsste nur mal seinen Hintern hochkriegen, dann ging’s dem auch besser.“ Ich denke: Ob dieser Kollege jemals von Hartz IV gelebt hat? Hier zeigt sich sehr schön, warum sich Anstrengen nicht lohnt: Verdient der Betroffene zu viel nebenher, bekommt er weniger Hartz-IV-Geld. Das Argument lautet: Damit sich der Betroffene um eine echte Ganztagsstelle bemüht. Nicht in der Überlegung mit drin ist: Der Betroffene hat aufgrund seiner „Struktur“ und Umstände ja gar keine Chance, einen besseren Arbeitsplatz zu erhalten. Extra verdienen heißt für ihn: Es an einer anderen Stelle wieder abgezogen zu bekommen.
Die Not heißt also: „Nichts, Leerlauf“
Beim Arzt macht sich ein Gefühl breit, das der Patient gut kennt: Ratlosigkeit, Wut und das Gefühl, dass diese Situation nie aufhört. Dem Patienten ist schon geholfen, wenn er einen Arzt findet, der sich einfühlen kann. Ein Arzt, der eine Ahnung davon hat, wie Situationen lähmen können und der auch weiß, dass man nicht immer so kann, wie man will. Der weiß, dass es nicht reicht, „den Hintern hochzubekommen“, sondern der weiß, dass andere Menschen notwendig sind, um diesem Patienten zu helfen. Daher finde ich den „Numerus-Clausus“ (also eine gute Note als Eingangsticket zum Studium) so kontraproduktiv. Wir brauchen mehr Ärzte, die selbst aus prekären Verhältnissen kommen, die selbst Gewalt und Armut erlebt haben, damit den Patienten, die „nichts“ haben, besser geholfen werden kann.
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Dieser Beitrag erschien erstmals am 10.11.2013
Aktualisiert am 28.9.2015
Alle paar Wochen wacht Lena frühmorgens mit Erbrechen auf. Viele Stunden verbringt sie am Waschbecken. Nach zwei Tagen ist der Spuk vorbei. „Zyklisches (also immer wiederkehrendes) Erbrechen“ (Cyclic vomiting syndrome, CVS) nennen die Kinderärzte es, wenn keine handfesten Ursachen dafür gefunden werden können. Auf den ersten Blick lassen sich keine psychosomatischen Zusammenhänge feststellen. Doch hier ist genaues Beobachten gefragt: Viele Kinder erbrechen dann, wenn sie zu oft alleingelassen wurden, zu sehr Mutter und/oder Vater vermissten oder mit einem großen Kummer ins Bett gegangen sind.
Wenn man hier genau beobachtet, kann man herausfinden, wodurch die Phasen des Erbrechens getriggert (leicht ausgelöst) werden. Das braucht sehr viel Geduld. Obwohl es das zyklische Erbrechen auch bei Erwachsenen gibt, ist es eine typische Erkrankung des Kindes, die oft mit der Migräne des Erwachsenen verglichen wird. Etwa 2% der Kinder sind betroffen (Abu-Arafeh, Ishaq & Russell, George, 1995). Schlaf und viel Ruhe lindern die Beschwerden und fördern die Erholung.
„Wie würde Ihr Leben aussehen, wenn Sie Ihr Problem XY nicht hätten? Was wäre, wenn Sie morgen aufwachten, und es wäre ein Wunder geschehen?“ Eine solche oder ähnliche Frage stellen Psychotherapeuten manchmal ihren Patienten. Bei der Wunder-Frage kann es hilfreich sein, von einer gewohnten Situation auszugehen, also z.B. zu sagen: „Stellen Sie sich vor, Sie gehen abends ins Bett, so wie Sie es immer machen. Morgens um 7 klingelt der Wecker, so wie immer bei Ihnen. Was würde passieren, wenn Sie dann aufwachten und sich vorstellten, Ihr Problem wäre verschwunden?“ Diese Fragetechnik (die es wahrscheinlich schon immer gab) wurde offiziell von dem amerikanischen Psychotherapeuten Steve de Shazer (1940-2005) geprägt und in die Psychotherapiewelt eingeführt. Die Frage wird häufig von Psychotherapeuten in einer lösungsorientierten Kurzzeitpsychotherapie gestellt.
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 22.8.2015
Mit Dank an M.L. für die Inspiration …
Ärzte mit einer Facharztanerkennung (auch Arbeitsmediziner) können den Zusatztitel „Psychotherapie“ erwerben. Dafür ist kein psychiatrisches Jahr mehr notwendig. Nach der etwa dreijährigen Weiterbildungszeit findet nur eine mündliche Prüfung statt, keine Multiple-Choice-Prüfung. Man kann sich für ein Verfahren entscheiden: entweder für die Verhaltenstherapie (VT) oder für die psychodynamische/tiefenpsychologische Psychotherapie (TP). Die Prüfungstermine bei der Ärztekammer finden dann statt, wenn auch die Facharztprüfungen stattfinden. Der Arzt muss sich selbst zur Prüfung bei der Ärztekammer anmelden.
Bei den verschiedenen Ausbildungsinstituten sieht die Weiterbildung jeweils etwas anders aus. Ich habe meine Weiterbildung bei der Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft Köln-Düsseldorf (www.psychoanalyse-koeln.org) gemacht. Hier war eine Supervision nach jeder 4. Stunde bei einem Patienten vorgeschrieben. An einem Supervisionstermin kann man – je nach Supervisor – auch zwei Patienten besprechen.
Während der Weiterbildung kann man über das Ausbildungsinstitut in der Regel auch Kassenpatienten behandeln. Das Behandlungskontingent bestand bei mir aus 225 Stunden, das heißt, ich konnte maximal vier gesetzlich versicherte Patienten à 50 Stunden und einen Patienten à 25 Stunden behandeln. Die von den Ärztekammern geforderten Mindestsitzungen finden sich auf den Websites der Ärztekammern. Krankenkassen rechnen mit dem Ausbildungsinstitut ab – die Therapie kann man als Arzt in den eigenen Praxisräumen durchführen. Man kann natürlich auch Selbstzahler behandeln – Hauptsache, man geht zur Supervision. Einige Ärzte bieten während ihrer Weiterbildung zum Psychotherapeuten Therapiestunden für 40 bis 60 € an.
Am Ende der Weiterbildung findet eine Prüfung vor der Ärztekammer statt. Oft liegen die Prüfungstermine an den Tagen, an denen auch die Facharztprüfungen stattfinden. Die Prüfungs-Termine und die Daten des Anmeldeschlusses können auf der Website der Landesärztekammern abgerufen werden. Zur Prüfung muss man sich selbst anmelden.
Beitrag erschien erstmals am 10.5.2013
Aktualisiert am 17.6.2015
Es sticht, es juckt, es tut weh – die Kleidung schmerzt auf der Haut, es nässst. Es ist kaum möglich, sich in seiner Haut wohlzufühlen, wenn sie so entzündet ist. Der ganze Körper fühlt sich schlecht an. Neurodermitis wird auch als endogenes oder atopisches Ekzem bezeichnet. Sowohl die Oberhaut als auch die darunterliegende Lederhaut sind von der Entzündung betroffen, die sich durch starken Juckreiz auszeichnet. Weiterlesen
Wer hektisch seinen Kaffee trinkt, der spürt seinen Magen ebenso wie jemand, der sich ärgert. In beiden Fällen produziert der Magen mehr Säure. Wer sich gut umsorgt fühlt und in Ruhe seinen Kaffee genießen kann, bei dem sind Magen und Darm entspannt. Die Psyche hat einen großen Einfluss auf unsere Verdauungsorgane. Das Zwölffingerdarmgeschwür zählt zu den klassischen psychosomatischen Erkrankungen (Holy Seven).
Stress führt bei Menschen, die zu Magengeschwüren neigen, nachweislich dazu, dass sich die Säureproduktion im Magen erhöht (Bresnick et al., 1993). Gleichzeitig verlangsamen sich die Magenbewegungen. Wenn wir ganz aufmerksam sind, spüren wir sogar, wie die Magensäureproduktion angekurbelt wird, wenn wir daran denken, was wir noch alles erledigen wollen.
Helicobacter pylori: Das Bakterium alleine kann nichts dafür
Ist die Widerstandskraft der Magen- und Darmschleimhaut einmal geschwächt, so haben schädigende Einflüsse wie zum Beispiel das Bakterium Helicobacter pylori leichtes Spiel. Auf Dauer kommt es zum Geschwür. Damit der Erreger überhaupt eine Chance hat, haben vorher oft schon viele Mechanismen stattgefunden, die die Schleimhaut geschwächt haben. Der Arzt spricht vom Ulcus pepticum ventriculi et duodeni (Geschwür des Magens und Zwölffingerdarms. „Pepticum“ ist abgeleitet vom Griechischen „peptos“ = „gekocht, gar“).
Geschwüre von Magen und Darm treten oft als „Entwurzelungssyndrom“ auf. Häufig trifft es Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, Arbeitslose und andere Menschen, die aus alten Strukturen herausgerissen wurden. Fragt man Menschen, die zu Magen-Darmgeschwüren neigen, nach ihrer Kindheit, so findet man oft Gemeinsamkeiten. Viele wurden zum einen überfürsorglich behütet, doch dann auch immer wieder plötzlich schroff zurückgewiesen. Wenn wir zur Überanpassung neigen, spüren wir förmlich, wie unser Magen Säure produziert – besonders auch dann, wenn wir schon im Vorhinein versuchen, die Forderungen von anderen zu erfüllen.
Wer Geborgenheit verliert, Trennungen in der Familie erlebt oder seine Arbeitsstelle aufgeben muss, der entwickelt leicht ein Magen- oder Darmgeschwür. Auch die Zunahme von Verantwortung wie z.B. zum Beginn eines Studiums oder bei einer Beförderung kann zu Magengeschwüren führen. Wir meinen, mehr verdauen zu müssen, als wir tatsächlich verdauen können.
Melmed RN, Gelpin Y:
Duodenal ulcer: the helicobacterization of a psychosomatic disease?
Israel Journal of Medical Sciences 1996, 32(3-4):211-216
Jos A. Bosch et al.:
Salivary MUC5B-Mediated Adherence (Ex Vivo) of Helicobacter pylori During Acute Stress.
Psychosomatic Medicine January 1, 2000 vol. 62 no. 1 40-49
www.psychosomaticmedicine.org/…
Bianca Andreica-Sandica et al.:
The Association Between Helicobacter Pylori Chronic Gastritis, Psychological Trauma and Somatization Disorder.
A Case Report. J Gastrointestin Liver Dis, September 2011 Vol. 20 No 3, 311-313
http://www.jgld.ro/2011/3/16.pdf
Bresnick, William et al. (1993):
The Effect of Acute Emotional Stress on Gastric Acid Secretion in Normal Subjects and Duodenal Ulcer Patients.
Journal of Clinical Gastroenterology: September 1993
journals.lww.com/jcge/abstract/..
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 1.12.2012
Aktualisiert am 18.10.2014