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Sich mit dem Unkontrollierbaren anfreunden

Manchmal gelingt es uns gut, vertrauensvoll in den Tag hineinzuleben. Schwierig wird es, wenn uns Unangenehmes widerfährt: Wenn uns nahestehende Menschen sehr weh tun, wenn wir körperliche oder seelische Beschwerden haben, wenn uns etwas geschieht, womit wir nicht gerechnet haben. Dann verstärken wir unser Denken und gehen weg von unserem Fühlen. Wir suchen ein System, wollen verstehen, wollen durchschauen und vor allem wollen wir die Dinge kontrollieren – damit uns „das“ nicht so schnell wieder passiert. Doch durch Kontrolle begeben wir uns oft in Verstrickung. Es kann gut tun, nochmal einen Schritt zurück zu gehen, in sich hineinzufühlen und dem Unkontrollierbaren neu zu begegnen, indem man innerlich beobachtet und präsent ist.

Erniedrigung: was tun?

Die Erniedrigung ist wie ein Schlag in den Magen. Wir können nicht umhin, die Erniedrigung als eine körperliche Reaktion zu spüren. Wir fragen uns, wie wir damit umgehen sollen. Besonders schlimm ist es, wenn uns unsere nächsten Bezugspersonen erniedrigen: der...

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Münchhausen-by-Proxy-Syndrom: Wenn Mütter ihre Kinder medizinisch quälen

Kindesmisshandlung ist oft sehr schwer erkennbar – vor allem, wenn Eltern ihre Kinder mit „Gutem“ quälen. Manche Mütter führen extreme Therapien bei ihren Kindern durch und schädigen sie damit. Wenn sie die Kinder dann dem Arzt vorstellen, kann es sehr verwirrend werden, zum Beispiel wenn ein Kind immer wieder hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente bekommt, durch die es sich erbrechen muss. Manche Mütter drängen die Ärzte auch wiederholt zu fragwürdigen Operationen oder forcieren ein Leiden des Kindes, sodass der Arzt sich zum Handeln gezwungen sieht. Auch manche Mütter, die die Vojta-Therapie bei ihren Babys extrem durchführen, können ein Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom haben.Weiterlesen

Duldungsstress ist stark belastend

„Haben Sie Stress?“, fragt der Arzt. „Nein“, sagt der Patient. Und meint es auch so. Unter Stress verstehen wir meistens Zeitdruck, Hektik, zu viele Termine, zu viel Arbeit und Streit. Was aber gehörigen Stress verursachen kann, ist das Dulden. Der Ehemann, der unter seiner aggressiven Frau leidet, duldet, um die Familie nicht zu zerbrechen. Das Kind alkoholkranker Eltern erduldet geduldig die Kindheit, bis es endlich von zu Hause ausziehen kann. „Duldungsstress“ ist eine große Belastung, die niederdrückt. Viele Menschen kennen diesen Begriff nicht. Doch viele Beschwerden werden verständlich, wenn man den Duldungsstress in den Blick nimmt. Weiterlesen

Duckmäuser? Den Ausgang aus dem Kreislauf von Schuldgefühl und strafendem Über-Ich finden

Wer sich selbst besser kennenlernen will, der lernt bald: Alle Gefühle haben ihre Berechtigung. So lässt sich die sogenannte "irrationale Angst" häufig auf innere Gefahren zurückführen, wodurch sie verständlich wird. Auch Neid, Wut, Liebe und Trauer dürfen ges...

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„Telepathie und das Vorbewusste“ von Wolfgang Leuschner (Lesetipp)

In der Psychoanalyse können Patienten heutzutage natürlich auch über ihren Glauben sprechen, denn er sagt viel über das psychische Leben aus. Schwierig scheint es jedoch manchmal noch zu sein, über telepathische Erfahrungen zu sprechen - dieses Gebiet ist noch...

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„A Beam of Intense Darkness“ von James Grotstein (Lesetipp)

Schon allein Titel und Titelbild sind eine Wohltat. All die Versuche, positives Denken an Land zu ziehen, kann man hier einfach fallen lassen. James Grotstein war der Lehranalysand von Wilfred Bion und die tiefe Verbundenheit zu seinem Lehranalytiker ist immer...

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69 Wie werde ich Psychoanalytiker*in? Kurze Sätze greifen tief

„Wenn jemand in Hypnose ist, müssen Sie in kurzen Sätzen sprechen“, sagt die Hypnoselehrerin. „Dieser eine Satz hat mir den Rest gegeben!“, sagen wir nach dem Streit. Kurze Sätze bleiben haften. Sie erreichen unser Innerstes – vor allem dann, wenn wir uns in einem meditativen Zustand befinden, wie es z.B. in der Psychoanalyse häufig der Fall ist. Ein Satz kann viele Gefühle, Phantasien und Assoziationen wecken. Er kann stark wirken. Es sitzt. In der Psychoanalyse-Ausbildung kennen Ausbildungskandidaten die Wirksamkeit kurzer Sätze aus der eigenen Lehranalyse. Doch wenn die ersten eigenen Patienten kommen, stehen viele unter Druck: „Ich muss dem Patienten doch was Gutes sagen, ich muss ihm doch etwas erklären, ihm mit auf den Weg geben“, denkt man. Oder: „Die nächste Supervision ist schon am Montag, da muss ich doch jetzt noch was Schlaues sagen.“Weiterlesen

54 Wie werde ich Psychoanalytiker*in? Kritische Literatur lesen: Jeffrey Masson: „Final Analysis“

Wer eine Psychoanalyse-Ausbildung macht, betreibt täglich eine Art Hochleistungssport. Man braucht ein gutes Durchhaltevermögen, das nur aufrecht erhalten kann, wenn es mehr Freud als Leid gibt. Die Abhängigkeit von Patienten, Gutachtern, Krankenkassen, Supervisoren, Institutsleitern, Lehranalytikern und den Finanzen lehrt einen, mit Ungewissheiten zu leben. Man ist wieder Schüler und stellt sich selbst in Frage. Man lernt, dass auch Psychoanalytiker nur Menschen sind, die die Institutsstrukturen mitgestalten und unter Systemen leiden.

Psychoanalyse ist immer mit intensiven Beziehungen und somit auch mit starken Gefühlen verbunden. Liebe, Trauer, Neid, Eifersucht, Angst, Ärger, Hass, Rachegefühle und Enttäuschungen werden in der Ausbildung auch deshalb so intensiv erlebt, weil ein Ausbildungsinstitut familiäre Strukturen bietet, in denen viele alte Probleme wieder zutage treten können.

Krisen gehören zur Ausbildung

Einige kommen vielleicht mehrmals an den Punkt, an dem sie sich fragen, ob sie die Ausbildung überhaupt fortsetzen möchten. An so einem Punkt liest man vielleicht auch gerne mal kritische Literatur wie das Buch von Jeffrey Moussaieff Masson (geb. 1941): „Final Analysis. The Making and Unmaking of a Psychoanalyst“ (Addison-Wesley Publishing Company, 1990, amazon).

Der Autor wurde bekannt durch sein Buch „The Assault on Truth“, in dem er darüber schrieb, warum sich Freud (angeblich) von der Verführungstheorie distanzierte. Masson wollte betonen, dass sexueller Missbrauch in der Kindheit meistens tatsächlich stattgefunden hat, wenn sich Patientinnen und Patienten daran erinnern können. Unter anderem in der Folge dieser Diskussionen wurde er als Direktor des Sigmund-Freud-Archivs („These documents are protected and preserved at the United States Library of Congress“) und als Psychoanalytiker aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPA) entlassen.

Ein Weg zum Psychoanalytiker

Der Autor Jeffrey Moussaieff Masson war Anfang 30 und lehrte als Professor für Sanskrit an der University of Toronto, Kanada, als er seine Ausbildung zum Psychoanalytiker begann. Hier erlebte Masson unglaubliche Geschichten. Es war die Zeit, in der die Analytiker noch hinter der Couch rauchten, es keine Ethikkommissionen und keine verlässlichen Non-Reporting-Systeme gab (Non-Reporting-System = der Lehranalytiker darf in der Ausbildungskommission nichts über seinen Ausbildungskandidaten erzählen).

Masson beschreibt, wie er von seinem Lehranalytiker regelmäßig drangsaliert wurde, wie sein Lehranalytiker manchmal bis zu 45 Minuten zu spät kam und dann behauptete, er könne in seiner Praxis machen, was er wolle. Es ist kaum vorstellbar, wie ein Kandidat eine solche „Analyse“ aushalten konnte. Masson nahm unglaubliche Erniedrigungen hin, kam aber aufgrund seiner Abhängigkeit in der Ausbildung nicht von dieser Analyse los.

Das Gefühl des Ausgeschlossenseins

In der Ausbildung ist man sehr mit sich selbst beschäftigt und spürt seine Individualität vielleicht mehr denn je. Das kann unter Umständen dazu führen, dass man sich aus der Gruppe der Mit-Kandidaten ausgeschlossen fühlt, weil man denkt: „So spezielle Probleme wie ich hat hier niemand sonst.“ Das Problem kann sich verstärken, wenn man z.B. weder Arzt noch Psychologe ist und als Akademiker einer anderen Fachrichtung die Ausbildung macht. Viele Kandidaten in der Psychoanalyse-Ausbildung stammen aus einer gehobeneren sozialen Schicht („Wer wird Psychoanalytiker?“) und sind verheiratet. Masson schreibt, wie störend es sich anfühlen kann, wenn man diese Gemeinsamkeiten nicht teilen kann.

„Every single candidate was married – I believe it may even have been a prerequisite, perhaps as a sign of emotional maturity or of social conformity.“ S. 101

Zwischen Schmunzeln und Tragik

Bei vielem, was Masson schreibt, kann man als angehender Analytiker wirklich schmunzeln und denken: „gut getroffen“. Masson gelingt es, in einer spannenden, einfachen und doch intellektuellen Sprache die Psychoanalyse und „die Analytiker“ treffend darzustellen. Manchmal dachte ich beim Lesen erleichtert: „Ihm ging’s genauso.“ Es ist vielleicht schockierend zu lesen, dass anscheinend viele Psychoanalytiker damals, Anfang der 80er Jahre, auf vielen Ebenen noch sehr konform mit den Psychiatern gingen und z.B. Elektrokrampftherapien für eine gute Therapie-Möglichkeit hielten.

Im Laufe des Buches entsteht das Bild, dass Masson in der Psychoanalyse von nahezu jedem Kollegen letzten Endes enttäuscht wurde. Er schreibt, wie er sich in der Rolle des Psychoanalytikers selbst nicht wohl fühlte.

Die Lehranalyse ist wie eine Kindheit

„Die Lehranalyse ist das Kernstück der Psychoanalyse-Ausbildung.“ Diesen Satz höre ich oft in der Ausbildung. Manche sagen distanzierend: „Die Lehranalyse ist auch nicht alles.“ Aber vielleicht ist sie ein bisschen mit der Kindheit vergleichbar: „Mit einer Kindheit voll Liebe kann man ein ganzes Leben lang aushalten“ (Jean Paul). Und hier liegt vielleicht der Schlüssel zu diesem lebendigen, aber aufgrund der vielen negativen Erlebnisbeschreibungen auch manchmal ermüdenden Buch: Masson hatte keine gute Lehranalyse erfahren. Dadurch ist in ihm der Eindruck entstanden, dass es kaum Kommunikation von Herz-zu-Herz gibt.

„Wisdom, in this technical sense, is not all that difficult to come by. When you have read enough and been to enough case seminars, you know what is expected, what sounds profound, what gives comfort, what appears insightful even if it is not. So much of what I said came from my head, not from my heart. But if it had been any different, I would have been exhausted at the end of the day“ (S. 147).
„Weisheit, im technischen Sinne, kann man hier auf nicht allzu schwierigem Wege erlangen. Wenn du genug gelesen und genügend Fallseminare besucht hast, dann weißt du, was von dir erwartet wird, was tiefgründig klingt, was ein Wohlgefühl auslöst, was einsichtig erscheint, selbst wenn es das nicht ist. So viel von dem, was ich gesagt habe, kam aus meinem Kopf, nicht aus meinem Herzen. Aber wenn es anders gewesen wäre, wäre ich am Ende des Tages ausgelaugt gewesen.“

Und hierin findet sich wahrscheinlich ein „Missing Link“ bei Jeffrey Masson. Was aus dem Herzen kommt, ermüdet nicht, sondern gibt Kraft. Das ist jedoch vielleicht nur so zu spüren, wenn man als Analytiker selbst zuvor die Erfahrung machen konnte, dass die Lehranalyse für beide Beteiligte eine „Herzenssache“ war.

Anstrengend

Psychoanalyse ist konfrontativ, oft hart und erschöpfend, voller negativer Übertragungen und sie wirkt durch das Setting und die Abstinenzregeln manchmal kalt, fast unmenschlich. Alles Unangenehme aus der Kindheit findet hier wieder Platz. Aber sie ist eben gleichzeitig auch freiheitsliebend, haltgebend, tröstlich, gefühlvoll, manchmal unheimlich und oft zutiefst warmherzig und liebevoll (siehe IPA-Kongress 2017 über „Intimität“). Möglicherweise ist die Entwicklung hin zur Intersubjektivität und zur resonanten Präsenz die größte Veränderung, die die Psychoanalyse in ihrer Entwicklung erlebt hat und die in diesem Buch noch nicht auftauchen konnte.

Masson hat sich schließlich den Tieren zugewendet und schreibt hierzu viele inspirierende Bücher, wie z.B. „The Dog Who Couldn’t Stop Loving“ (Goodreads).

„Was euch wirklich müde macht, ist nicht eure emotionale Beteiligung als Arzt, sondern euer ständiger Versuch, diese zu verhindern und euch abzugrenzen.“ (Zitat aus dem Kurs „Arzt und Patient im Rollenspiel“ bei Professor Peter Helmich (1930-2008), Allgemeinmedizin, Uni Düsseldorf, 90er Jahre)

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weitere links:

klaus schlagmann
Siegfried Bettighofer und seine Beschwichtigung der Therapie-Kritik von Margarete Akoluth
https://oedipus-online.de/index.php/siegfried-bettighofer/

Dieser Beitrag erschien erstmals am 15.6.2017
Aktualisiert am 23.8.2022

Psychoanalyse und Buddhismus: voneinander lernen und einander lassen

Psychoanalyse ist häufig wie gemeinsames Meditieren: Auf der Couch liegend erzählst Du in freier Assoziation und gelangst fast unmerklich ine eine Art Trance. Als Psychoanalytiker*in sitzt Du dahinter und nimmst alles mit freischwebender Aufmerksamkeit auf, ebenfalls vielleicht in einem tranceartigen Zustand. Mitunter taucht in der Analyse die Freude auf, die entstehen kann, wenn man die Dinge sein lässt und nichts machen muss. Um dahin zu kommen, bedarf es jedoch einer Art psychischen Nährbodens, der oftmals erst gelegt werden muss. Viele, die eine Psychoanalyse beginnen, erfuhren oft bereits in der vorsprachlichen Kinderzeit schwere Traumata durch Gewalt und Vernachlässigung, Alkoholismus der Eltern, Verlust eines Elternteils, Krankheit, Armut etc. Weiterlesen