Überwältigend: Gefühlszustände von Angst

„Nicht die Wut hat mich, sondern ich hab‘ die Wut“, heißt es. „Ich beherrsche die Angst“, heißt es. Doch bei der Angststörung ist die Angst ein Zustand, der größer ist als man selbst. Manchmal hängen Angst und unbewusste Wut zusammen, manchmal auch nicht. Man befindet sich dann wie in einem Traum: Auch der Traum ist größer als man selbst. Man selbst geht durch die Traumwelt. Auch im tiefen Traum (Ausnahme: luzide Träume, Träume mit mehr Bewusstsein) können wir nichts tun, außer zu warten, bis der Traum vorbei ist.

Oftmals liest oder hört man, dass man die „Kontrolle über seine Gefühle“ gewinnen könnte. Ja, das stimmt für begrenzte Gefühle. Begrenzter Neid, begrenzte Furcht, begrenzte Müdigkeit kann ich handhaben. Doch etwas anderes sind starke „Gefühlszustände“ – da kann man manchmal nur versuchen, ruhig zu bleiben und sich in der „Gefühlswelt“ zurechtzufinden.

Man kann den Gefühlszustand beobachten, ähnlich wie einen Traum (wenn wir schon wieder mehr Bewusstsein haben – in tiefen Träumen „sind“ wir ganz Traum). Was geschieht hier? Kann ich ruhig genug bleiben, um meine Gefühle zu beschreiben? Welche Bilder und Vorstellungen helfen mir? Was brauche ich jetzt? Alleinsein? Meer und Sand? Oder das Gehaltenwerden durch den anderen?

In einem Artikel zum Thema „Trauma“ steht:
„These reactions are automatic and cannot be stopped once they’re initiated, regardless of later feelings of guilt or shame about a lack of fight or flight.“
„Diese Reaktionen laufen automatisch ab und können nicht gestoppt werden, wenn sie einmal losgegangen sind – auch, wenn später Gefühle von Schuld und Scham entstehen.“
Memories of trauma are unique because of how brains and bodies respond to threat. TheConversation.com, September 24, 2018

In der Angst hat man mitunter Angst, verrückt zu werden. Und man hat Angst, dass andere drumherum stehen und zusehen, wie man selbst verrückt wird. Man findet es gruselig, wenn die anderen drumherum stehen und ratlos sind. Helfen bei der Angststörung ist schwierig, denn der Betroffene sieht die Welt in dem Moment anders. Alles scheint bedrohlich. Und oft haben Menschen, die diese starke Form von Angstzuständen kennen, eines gemeinsam: Die engste Bezugsperson am Anfang des Lebens war gleichzeitig die Quelle der größten Angst.

„For the survivor of a sexual assault*, the sight of the perpetrator or someone who looks similar may cause trembling, a feeling of hopelessness and an urge to hide, run away or fight.“
„Für den Überlebenden eines Sexualdeliktes*, kann schon der Anblick des Täters oder eines Menschen, der dem ursprünglichen Angreifer ähnlich sieht, zu Zittern, dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit, dem dringenden Bedürfnis, sich zu verstecken, wegzulaufen oder zu kämpfen führen.“ (TheConversation.com, September 2018. Anmerkung: * Hier könnte man auch einsetzen: Für den Überlebenden von Angriffen der Mutter, von der Vojta-Therapie etc. …)

Vielleicht wird man als Betroffener irgendwann die Freiheit erlangen, zu sagen: „Jetzt ist es wieder da, es ist soweit.“ Dann kann man es zusammen mit jemand anderem oder alleine beobachten und erforschen, so wie ein Forscher auch in Gefahr zumindest minimal neugierig bleibt. Ein anderes Mal hat man dazu keine Energie und es haut einen wieder um wie ein fiebriger Infekt. Wieder ein anderes Mal kann man vielleicht erneut kreativ damit umgehen.

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 20. April 2019
Aktualisiert am 11.12.2022

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