Drängender Ärger – was tun?

Wir kennen verschiedene Formen von Ärger und unterschiedliche Stärken von Ärger. Manchmal empfinden wir impulshaften Ärger und haben das Gefühl, dass etwas Schlimmes passiert, wenn wir diesem Ärger nicht sofort Luft machen. Dieser Ärger ist extrem drängend und vielleicht empfinden wir ihn als irrational oder als nicht ganz angemessen. Diese Art des Ärgers erinnert vielleicht an Ärger im Traum: Wir sehen im Traum ein Detail und regen uns schrecklich darüber auf. Drängender Ärger kann also ein Hinweis auf ein unbewusstes Geschehen sein. Es ist gut möglich, dass er sich auf etwas Vergangenes bezieht. Die aktuelle Situation hat vielleicht zu Gefühlen geführt, die uns an Gefühle der Kindheit erinnern, die uns damals überforderten.

Da spricht der Partner einen Augenblick nicht mit uns und wir spüren diesen furchtbaren Ärger. Es erinnert uns vielleicht daran, wie unser Vater oder unsere Mutter uns mit Schweigen straften. Da erleben wir eine Grenzüberschreitung und erinnern uns mehr oder weniger bewusst daran, wie die Eltern unsere Grenzen als Kind überschritten. Wir machen eine Mangelerfahrung, müssen vielleicht mit Hunger länger auf’s Essen warten und spüren einen extrem spitzen Ärger – möglicherweise, weil wir als Baby oder Kleinkind schwere Mangelerfahrungen machen mussten.

Auch Blicke können zu extrem impulsivhaftem Ärger führen – ein Blick und alles ist aus. So geht es häufig besonders jungen Männern, die durch verschiedene Blicke an irgendetwas erinnert werden, vielleicht zum Beispiel an den verachtenden Blick, den der Vater auf sie warf.

Was tun?

Drängendem Ärger begegnen wir am besten durch Ernstnehmen. Wenn wir spüren: Der Ärger passt nicht so ganz, aber er ist extrem, dann tun wir gut daran, erst einmal abzuwarten. Das kann sehr schwierig sein. Wir meinen, wir platzen und versuchen dennoch, den Ärger zunächst für uns zu behalten, darüber nachzudenken und ihn zu verstehen. Wir haben vielleicht das Gefühl, dass dadurch etwas Schlimmes passiert, aber meistens können wir dadurch Schlimmes verhindern. Drängender Ärger kann extrem schädigend wirken. Das Ernstnehmen und Erforschen des heftigen Ärgeraffekts kann ein wichtiges Werkzeug zur Kanalisierung sein. Der Lohn ist nicht selten eine große Erleichterung, sobald man sich selbst besser verstanden hat.

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Interessante Links:

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Ärgerattacken bei Depressionen: Geschlechtsspezifische Aspekte
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Philosophie am Montag:
Seneca: „Über die Wut“
https://youtu.be/D-UCr-GstzE

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