Arbeitsbündnis: Analytiker und Patient bilden ein Team

In der Psychoanalyse gehen Patient und Psychoanalytiker ein „Arbeitsbündnis“ ein. Beide halten sich an den vereinbarten Rahmen (z.B. feste Zeiten) und ihre Aufgaben (z,B. Abstinenz auf Seiten des Psychoanalytikers und freies Assoziieren auf Seiten des Patienten, wobei heute auch das Schweigen als kreativer Prozess verstanden wird und nicht mehr hauptsächlich – so wie früher – als Widerstand). Wenn wir Hilfe bei eime Psychoanalytiker suchen, dann erhoffen wir uns einen Partner, der uns dabei hilft, unsere inneren Mächte zu erforschen und verstehen. Wir wollen erkennen, was in uns vor sich geht, damit sozusagen „das Gute über das Böse“ siegen kann. Unsere inneren Kräfte und äußeren Bedrohungen sind manchmal so groß, dass wir alleine damit nicht mehr zurecht kommen.

Unaushaltbare Zustände, zerstörerischer Neid, Erinnerungen an überwältigende Erfahrungen und eigene Gewaltimpulse können uns das Leben extrem schwer machen. Diese Spannungen können es auch schwierig machen, überhaupt regelmäßig zur Analyse zu erscheinen.

Selbstmotivation und Sein-Lassen

Als Analytiker muss man dabei auch ein Arbeitsbündnis mit sich selbst eingehen. Wenn wir psychoanalytisch arbeiten, müssen wir uns manchmal selbst dazu motivieren, unsere Ängste zu bearbeiten oder unsere Wut so zu zügeln, dass wir nicht agierend werden. Zur psychoanalytischen Arbeit gehört auch der regelmäßige Austausch mit anderen. Vielen ist gesundes Leben wichtig. Nicht wenige Analytiker meditieren auch und verbinden ihre Arbeit mit Yoga, Taekwon-Do, um sich auch das „Lassen“ immer wieder zu ermöglichen. Und auch der Patient geht ein Arbeitsbündnis mit sich selbst ein, indem er sich immer wieder aufrafft, auf dem schwierigen Weg weiterzugehen.

Sigmund Freud sagte zum Arbeitsbündnis:
„Das Ich ist durch den inneren Konflikt geschwächt, wir müssen ihm zur Hilfe kommen. Es ist wie in einem Bürgerkrieg, der durch den Beistand eines Bundesgenossen von außen entschieden werden soll.“ (Freud: Die Psychoanalytische Technik, Aus: Abriss der Psychoanalyse, 1940, Projekt Gutenberg)

Diesen inneren Kampf zu spüren, der so groß sein kann wie ein „Bürgerkrieg“, kann sehr schwierig sein, wenn man alleine ist. Sigmund Freud fährt fort:

„Der analytische Arzt und das geschwächte Ich des Kranken sollen, an die reale Außenwelt angelehnt, eine Partei bilden gegen die Feinde, die Triebansprüche des Es und die Gewissensansprüche des Überichs.“

Die innere Landkarte als Kompass

Der Psychoanalytiker nimmt dabei die Rolle eines Hilfs-Ichs ein. Durch viele Jahre eigener Lehranalyse kann er sich gut in unterschiedliche Lagen des Patienten hineinversetzen. Doch auch der Analytiker fühlt sich mitunter hilflos. Der Psychoanalytiker Adam Phillips spricht über die Erfahrung des „Zuviels“ – immer wieder sind wir auch uns selbst zu viel: „On being too much for ourselves“ (Youtube, 2014). Das Zuviel wahrzunehmen und zu versuchen, fühlend und denkend (analysierend) zu bleiben, ist oft eine hohe Kunst. Der Analytiker sucht den Weg zurück zur Mitte und arbeitet weiter mit der Ressource der eigenen Erfahrungen.

Freud sagt: „Wir schließen einen Vertrag miteinander. Das kranke Ich verspricht uns vollste Aufrichtigkeit … wir sichern ihm strengste Diskretion zu und stellen unsere Erfahrung in der Deutung des vom Unbewussten beeinflussten Materials in seinen Dienst. Unser Wissen soll sein Unwissen gutmachen, soll seinem Ich die Herrschaft über verlorene Bezirke des Seelenlebens wiedergeben. In diesem Vertrag besteht die analytische Situation.“ (Freud: Die Psychoanalytische Technik, Aus: Abriss der Psychoanalyse, 1940, Projekt Gutenberg)

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 12.9.2020
Aktualisiert am 4.6.2023

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