
„No memory, no desire, no understanding“, „nichts erinnern, nichts wünschen, nichts verstehen“ – wenn es dem Psychoanalytiker gelingt, diese Haltung einzunehmen, kann er sich ganz auf das Hier und Jetzt der Analyse-Sitzung einlassen. Er kann einen träumerischen Zustand einnehmen. Geprägt wurde der Begriff von Wilfred Ruprecht Bion (1897-1979). Doch der Ausbildungskandidat (z.B. in der DPV/IPA oder DPG/IPA) hat viele Sorgen. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Anstatt die abwartende, wunschlose und nicht verstehende Haltung einzunehmen, denkt er: „Ich muss dem Patienten doch jetzt eine kluge Deutung geben, damit er bei mir bleibt. Ich darf diesen Patienten nicht verlieren! Ich brauche doch noch einen 300-stündigen Fall. Mir muss es gelingen, dass sich der Patient gehalten, aber nicht festgehalten fühlt. Er sollte doch auf der Couch liegen, oder? Er muss doch 4-mal pro Woche kommen. Wenn der Patient geht, habe ich wieder ein finanzielles Problem. Wenn ich zu sehr die Rolle der versagenden Mutter annehme, wird er mich vielleicht verlassen. Ich möchte meinem Supervisor gerecht werden.“
Ausschalten?
Wie lassen sich die vielen Ängste rund um die Ausbildung mit der Psychoanalyse eines „Ausbildungsfalles“ vereinen? Man könnte sich ja im Meditieren üben, denkt man sich. Anfangs wünscht man sich vielleicht, man könnte die Ängste einfach ausschalten und die Notwendigkeiten ausblenden. Aber darum geht es nicht. „If you don’t have a stomach for anxiety, you’re in the wrong profession“, sagt die Psychoanalytikerin Edna O’Shaugnessy in dem Film „Encounters through Generations“. Es geht darum, die Ängste zuzulassen und mit ihnen umzugehen.
Die Ängste, Sorgen und Abhängigkeiten sind da, die Regeln und Erwartungen ebenfalls. Es macht unzufrieden, wenn man mit dem Patienten immer nur unter Druck zusammen ist.
Es hilft die grundsätzliche Einstellung, dass die Psychoanalyse-Ausbildung lange dauern kann – sehr lange. Die Geldsorgen mögen drücken, aber es lassen sich immer wieder neue Wege finden. „Schau nicht auf die Früchte“, höre ich meinen Yogalehrer sagen. In jeder Stunde gilt es, gute Arbeit zu leisten – so gut, wie es einem möglich ist.
Wenn man das Ziel, Analytiker zu werden, nicht ständig anstarrt, dann kann man schon in der Ausbildung ein guter Analytiker sein.
Integrieren Jede Psychoanalysestunde bringt einen weiter – sowohl die eigene Lehranalyse als auch die Patientenbehandlung und die Supervision. Das, was man dadurch gewinnt, geht nicht mehr verloren. Als Autorin denke ich manchmal: „Egal, was passiert: Ich kann ja darüber schreiben.“ Ähnlich ist es in der Ausbildung: Hier geschieht nichts, was einen nicht persönlich weiterbringen würde.
Wünschen
„Wünsche dir alles, erwarte nichts und werde reich beschenkt“ – so heißt das Buch des Yogalehrers Sriram. Bücher wie diese können in der Ausbildung sehr inspirieren. Aus diesem Buch habe ich ein wenig diese Einstellung gewonnen: „Wenn ich sorgfältig arbeite und eben das mir Mögliche tue, dann wird es reichen. Und wenn es nicht reicht, dann reicht es eben nicht.“ (Was sich hier so leicht schreibt, kann auch schlaflose Nächte kosten …)
Man kann das Zusammenspiel von Ausbildungssituation und der Haltung „no memory …“ als eine sportliche Herausforderung sehen. Es hilft dabei tatsächlich, das Meditieren zu üben. Es lässt sich immer wieder zurück zum eigenen Atem finden, auch, wenn der innere und äußere Aufruhr groß ist. Es entstehen immer wieder zutiefst befriedigende Stunden, die einen motivieren, in Ruhe weiterzugehen.
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Dieser Beitrag wurde erstmals verfasst am 17.5.2017
Aktualisiert am 19.9.2020
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