Neid ist: das Ich-Ideal im anderen sehen

Neid tut furchtbar weh – man spürt, dass einem etwas fehlt. Und das, was uns fehlt, entdecken wir im anderen. Kinder sind neidisch auf ihre Eltern, Mädchen sind neidisch auf ihre Schwestern, Psychoanalyse-Patienten sind oft furchtbar neidisch auf ihren Analytiker. Der Beneidete kann das oft nicht verstehen. Er sagt: „Aber ich hab’s doch auch schwer.“ Für die Neider ist das kaum zu glauben. Wenn wir jemanden sehen, der uns ähnlich ist oder vieles mit uns gemein hat, vergleichen wir uns mit ihm. Wir können uns in ihn hineinversetzen. Und dann schauen wir uns um, was da alles ist.

Das, worum wir den anderen beneiden, ist immer wieder ähnlich: Der andere scheint das zu haben oder zu sein, an dem es uns selbst mangelt. Meistens ist der Kern des Neides ein Mangel an Verbindung, Verstandenwerden, Angenommenwerden, Liebe und Intimität.

Wenn wir diesen Kern-Neid spüren, kommt uns schnell unser Ich-Ideal in den Sinn: Wenn wir so oder so wären, dann ginge es uns besser, meinen wir. Wir würden uns vollständiger, geliebter und verbundener fühlen. „Ideal“ zu sein hieße wiederum beweglicher, disziplinierter, schlanker, hübscher, reicher, gesünder und sorgenfreier zu sein. Der, den wir beneiden, zeigt uns das, was wir selbst gerne wären: unser Ich-Ideal.

Der Unterschied zwischen Eifersucht und Neid

Bei der Eifersucht geht es um die Liebe zu einem bestimmten Menschen und die Sorge, dass man zu wenig Liebe von ihm bekommt, weil ein anderer da ist, der ebenfalls seine Liebe erhält. Eifersucht könnte man als ein Liebes-Mangel-Gefühl bezogen auf eine bestimmte Person betrachten. „Ich bin eifersüchtig“ heißt: „Ich habe Angst, dass ich zu wenig Liebe von Dir bekomme, dass die andere mehr Liebe bekommt, dass ich Dich verliere.“ Man ist „auf die andere eifersüchtig“, aber man beneidet sie auch, weil die andere jetzt den geliebten Menschen für sich hat. Man kann jedoch auch einfach neidisch auf jemanden sein, weil er überhaupt eine Partnerschaft hat, während man selbst alleine da steht. Doch Neid und Eifersucht sind nicht immer leicht zu trennen – sie gehen sehr oft ineinander über.

Manchmal sind wir reich an Mangel-Gefühlen. Permanenter Mangel schmerzt unglaublich.

Was den Neid kuriert

Wenn wir wieder zu uns zurück finden und uns in unserer Haut wieder wohler fühlen, wenn wir mit uns zufrieden sind, dann ist Neid kaum da. Wenn uns ein anderer liebend anschaut, können wir uns selbst besser liebend anschauen. Dadurch werden Neidgefühle reduziert. Wenn wir unseren Mangel erforschen und ihn genau erfühlen, dann merken wir, dass diese Mangelgefühle sozusagen auch etwas sind: Wir haben Gefühle, wir sind sogar reich an Gefühlen.

Wenn ein anderer uns sieht mit unseren Gefühlen, geht es uns wieder besser. Wenn wir mit uns selbst mitfühlen können, verstehen wir, was der andere meint, wenn er sagt: „Auch ich habe Sorgen – trotz allem, was ich bin und habe.“

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Schreibe einen Kommentar