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Weck Dein Kind nachts nicht auf – egal, wie wütend Du bist

Vielleicht hast Du schon mal Dein Kind geweckt, weil Du nachts so enorm wütend warst. Vielleicht hast Du es beschimpft oder sogar geschlagen. Vielleicht hattest Du danach schreckliche Schuldgefühle, doch der Drang, das Kind aufzuwecken, war einfach zu groß. Versuche, Dich selbst zu verstehen. Wenn wir starke Gefühle haben und es ist niemand für uns da, dann kann das enorm schwierig sein. Vielleicht wurdest Du als Kind sehr oft von Deinen Eltern alleingelassen. Vielleicht schliefen sie – betrunken oder einfach so – während Du in höchster emotionaler Not warst. Wenn Du so aufgewachsen bist, dann findest Du es vielleicht unerträglich, wenn Dein Partner oder Dein Kind schlafen, während Du innerlich in Aufruhr bist. Weiterlesen

Ist ADHS heilbar?

„ADHS ist unheilbar“, heißt es oft. Wenn man ADHS als eine Erkrankung betrachtet, die allein genetisch festgelegt ist und automatisch zum Ausbruch kommt, dann wäre diese Aussage logisch. Wenn man die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) als unveränderliche Stoffwechselstörung betrachtet, ebenso. Doch so einfach ist das nicht. Die einfache Aussage „ADHS ist nicht heilbar“ ist genauso unbedacht wie die Aussage „Schizophrenie ist nicht heilbar“. Diabetes Typ I ist nicht heilbar, ja, weil Bauchspeicheldrüsenzellen zerstört sind und das Hormon Insulin nicht mehr produziert werden kann. Weiterlesen

Werden Schreibabys zu „ADHS-Kindern“? Irgendwie sind sie es schon.

„Mein Baby war ein Schreibaby und ich habe das Gefühl, dass das nie aufgehört hat. Immer ist mein Kind unruhiger und auffälliger als andere Kinder geblieben.“ Vielleicht kennst Du das. Eine Studie von Ina Santos und Kollegen (2014) gibt Dir recht: Kinder, die mit drei Monaten exzessiv schreien, zeigen im Alter von vier Jahren häufiger Verhaltensauffälligkeiten als ruhigere Babys. Vielleicht macht Dir das Angst – doch jede Mutter-Kind-Geschichte sieht anders aus. Wenn Du ein Schreibaby hast, merkst Du das sehr schnell. Schreibabys strecken sich im Arm und lassen sich nicht beruhigen. Daran hast Du keine Schuld. Weiterlesen

ADHS – das umstrittene Syndrom aus psychoanalytischer Sicht

Aus verhaltenstherapeutischer und psychiatrischer Sicht gibt es für die Diagnose „ADHS“ (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung) eindeutige Kriterien. Hierzu gehören die Diagnosekriterien nach dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Diseases (DSM IV und DSM V) und der International Classification of Diseases (ICD-10: F90.0 und ICD-11: 6A05.2). Kinderärzte und Psychologen, die sich darauf spezialisiert haben, können anhand von Anamnese und Tests nach diesen Kriterien recht genau sagen, welches Kind ADHS hat. Sie behandeln dann meistens nach den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, AWMF (Leitlinie ADHS, 2017). Weiterlesen

Das Tourette-Syndrom aus psychoanalytischer Sicht

Billie Eilish hat es, Jan Zimmermann beschreibt sein Tourette-Syndrom sehr anschaulich in seinen Videos „Gewitter im Kopf“ und im Fernsehen finden sich immer häufiger Menschen, die von dieser Erkrankung erzählen. Dabei leiden die Betroffenen unter nicht oder nur schwer kontrollierbaren Bewegungen (Tics) und Ausbrüchen von Worten, kurzen Sätzen und Geräuschen bzw. Stimmlauten (Vokalisationen). Sehr oft sind es aggressive, provokante und obszöne Worte, die plötzlich aus den Betroffenen ausschießen. Weiterlesen

Die hochambivalente Mutter

"Der Turm, der wackelt, der Turm, der wackelt, die oberste Spitze fällt ab." Kennen Sie dieses Kinderlied? Wie an der Spitze eines solchen Turmes muss sich ein Kind fühlen, das eine hochambivalente Mutter hat. Das Kind einer ambivalenten Mutter, die in extrem...

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Wann mit einer Psychotherapie beginnen?

"Es ist wichtig, frühzeitig mit einer Psychotherapie zu beginnen, damit es nicht chronisch wird." Diesen Satz liest und hört man überall. Ich wage das zu bezweifeln. Angststörungen, Depressionen und andere Leiden fallen meistens nicht vom Himmel. Wohl immer g...

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Regeln – das Allheilmittel in der Erziehung?

Wenn ich einen Vortrag zu ADHS halte, muss das Wort „Regeln“ direkt am Anfang fallen. Sonst werden Eltern und Lehrer gleichsam unruhig. Mir scheint manchmal, dass die Erwachsenen sich an den Regeln, die sie den Kindern aufstellen, festhalten wie Ertrinkende an einem Strohhalm. Warum sind Regeln so furchtbar wichtig (für die Erwachsenen)? Weil die innere Verunsicherung so groß geworden ist. „Aber ein Kind ist ohne Regeln doch wie ein Verlorener in der Wüste! Woran soll es sich denn halten? Kinder brauchen doch Strukturen!“, heißt es. Ja, auch. Das Problem ist nur, dass Regeln so „verkopft“ sind und oft dann zu Hilfe genommen werden, wenn die Emotionen anscheinend große Angst bereiten. Das ADHS-Kind in der Klasse ist heute wieder besonders unruhig? Dann stellen wir doch noch eine Regel mehr auf. Setzen wir dem Kind noch eine Grenze mehr. Das Kind jedoch, von Grenzen getrieben, weiß bald überhaupt nicht mehr, wohin mit seiner Unruhe. Doch was sonst außer Regeln könnte den Alltag mit Kindern regeln?

Wenn es gut geht, haben Kinder in der Regel genug Regeln: Um sechs klingelt der Wecker, dann gibt’s Frühstück, dann geht’s in die Kita oder in die Schule. Um Eins gibt’s Essen, Ausruhzeit, Hausaufgaben, Spielen. Wenn ein Kind bei einem Erwachsenen zu weit geht, dann verärgert es den Erwachsenen. Der Erwachsene schaut traurig, wütend und enttäuscht. Das ist die natürliche Konsequenz. Dem Kind tut es leid, es geht einen Schritt zurück. Das ist ein natürlicher Kreislauf, für den man keine Regel aufstellen muss.

Aber dieser gute Kreislauf funktioniert nur, wenn es eine gute Beziehung zwischen dem Kind und dem Erwachsenen gibt. Nur, wenn der Erwachsene dem Kind etwas bedeutet, dann schmerzt es das Kind, wenn der Erwachsene zeigt, dass das Kind ihm wehgetan hat. Und hier ist der Knackpunkt: Wo es an Intensität und Zeit mangelt, um mit dem Kind eine tragfähige Beziehung aufzubauen, bauen die Erwachsenen sich Krücken aus Regeln.

Die Geschichte erforschen

Ein Kind schlägt immer wieder ein anderes Kind, obwohl die Regel heißt: „Hier wird nicht geschlagen.“ Wir zerren an diesem Kind herum und versuchen, es zur Vernunft zu bringen. Wenn man jedoch versucht, das Kind zu verstehen, dann kann es von sich aus aufhören, das andere Kind zu schlagen. Manchmal inszenieren Kinder vor den Augen der Lieblingskindergärtnerin das, was sie selbst zu Hause bewegt. Wenn die Erzieherin sehr gut geschult ist, Zeit hat und versucht, das Kind zu verstehen, finden die wütende Gefühle einen Platz „in der Kindergärtnerin“ sozusagen. Dann kann es aufhören, zu schlagen. Leider steht den Erzieherinnen in der Realtität dieser (Zeit-)Raum kaum zur Verfügung.

Klauen

Ich kannte mal ein Kind, das immer klaute. Es klaute Jogurt und Milch aus dem Kindergartenkühlschrank und Überraschungseier aus dem Supermarkt. Die Regeln und die Konsequenzen wurden immer weiter verschärft. Was jedoch niemand sah: Das Kind war ein Pflegekind und hatte zuvor Schreckliches erlebt. In der neuen Familie ging es ihm nicht viel besser. Das Kind stahl „Mütterlichkeit“ – bei näherem Hinsehen klaute es das, was es normalerweise von der Mutter bekommt: Milchprodukte, manchmal etwas Süßes. Es vermisste die Mutter so sehr, dass es dem nur Ausdruck verleihen konnte, indem es klaute. Dieses Kind erfuhr dann Mütterlichkeit bei einer Therapeutin, die sich ihm wirklich annahm. Sobald es „satt“ war, hörte es auf, zu klauen.

„Schwierige Kinder“ haben fast immer Probleme, die sich verstehen lassen. Fast immer haben sie einen Mangel an Beziehung. Das Kindergarten- und Schulsystem ist leider so gestrickt, dass den Lehrern und Erziehern leider kein Raum bleibt, um zu verstehen. „Ich bin doch kein Therapeut“, sagen manche zu Recht, denn sie sind überfordert, unterbezahlt und alleingelassen. Wie sollen sie das auch alles leisten, was sie eigentlich leisten könnten?

Das Prinzip verstehen

Wichtig finde ich nur, das Prinzip zu verstehen. Auch Eltern können sich fragen, ob die neue Regel nicht nur wieder einen neuen Reibungspunkt bietet. Jede neue Regel, die nicht befolgt wird, wird zum Streitpunkt, führt zu neuen Enttäuschungen und Schuldgefühlen. Wo man mehr Raum für Beziehung lässt, wird man schnell feststellen, dass unzählige Regeln schier überflüssig sind – denn Kinder, denen es gut geht, wollen einander helfen, sie wollen lernen, gesund bleiben, sich bewegen und gute Beziehungen führen. Indem man für Wohlgefühl und Verstehen sorgt, kann man die Regeln auf ein Minimum reduzieren.

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Dieser Artikel erschien erstmals am 13.11.2013
Aktualisiert am 12.12.2020

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Hyperfokussieren

„Hyperfokussieren“ heißt, sich auf etwas besonders stark zu konzentrieren. Der Begriff wird vor allem bei Patienten mit einem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADHS) verwendet, denen es häufig schwer fällt, sich zu konzentrieren („Hyper“ [griechisch] = über, sehr; focus [lateinisch] = Blickpunkt). Einige Wissenschaftler behaupten, ADHS-Patienten könnten sich grundsätzlich nicht konzentrieren und der Hyperfokus sei eine gelegentliche Ausnahme.

Gekünstelte Einteilung

Auf mich wirkt diese Betrachtungsweise gekünstelt, denn die Fähigkeit sich bei ADHS zu konzentrieren, wird erneut als ein Zeichen einer Erkrankung angesehen (pathologisiert). Für mich bedeutet es, dass auch Patienten mit einer ADHS sich grundsätzlich konzentrieren können – und dass sich diese „Störung“ nicht so einfach auf ein pures Stoffwechselproblem zurückführen lässt.

Dieser Beitrag erschien erstmals am 6.6.2009
Aktualisiert am 31.1.2019