
Es war, als sei ich eines Tages, mitten im Leben, aufgewacht inmitten einer großen Leere. Wie konnte ich nur hierhin gekommen sein? Wo sind die anderen? Die anderen waren im Kreise ihrer Familie. Dort wurden sie geboren, feierten ihre Feste, heirateten und starben dort. Wieder nahm ich die Leere um mich herum wahr. Mir wurde kalt. Im Alltag, im Beruf, da war ich im Kreise meiner Freunde und Arbeitskollegen. Aber Mengenleere ist grausam: Sobald die Feiertage kommen, ziehen sich alle in ihre Kreise zurück.
Ich ging die grauen Straßen entlang. Wie konnten so viele Kaugummis auf den Boden gelangen? Es muss wohl noch mehr einsame Menschen geben. Aber sie haben so wenig gemeinsam mit mir. Unruhe machte sich breit. „Neidisch ist man besonders auf die, deren Ziele man theoretisch auch selbst hätte erreichen können“, hörte ich. „So weit wie Du kommen die meisten mit Deinen Startbedingungen gar nicht“, tröstete mich eine Freundin.
Egal, was ich hörte – es konnte meinen Schmerz nicht übertönen. Er wurde laut und lauter. Immer um diese Zeit. Immer an Weihnachten. „Nie war der Schmerz so groß wie dieses Jahr“, denke ich. Jedes Jahr. „Das Grausamste an der Gewalt in der Kindheit ist, dass sie einen zur Einsamkeit verdammt“, sagten mir meine Gedanken. Manchmal konnte ich einfach nur laut aufschluchzen, weil es so weh tat. Mitten in der Nacht. Mitten in der Vorlesung. Mitten im Nirgendwo.
Einsamkeit kann überwunden werden, aber es braucht oft viele, viele Jahre. So hart die Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit auch sein mag – es kann sich sehr lohnen, sie zu durchleben.
Verwandte Artikel in diesem Blog:
Dieser Beitrag erschien erstmals am 22.12.2017
Aktualisiert am 17.12.2021
Schreibe einen Kommentar