
„Ich stehe in meiner Psychoanalyse-Ausbildung unter einem ungeheuren Druck“, sagen viele. Doch was ist damit gemeint? Woher kommt der Druck? Für viele bedeutet es in erster Linie bewusst einmal einen finanziellen Druck. Man verdient wenig Geld, hat hohe Kosten und fragt sich, woher das Geld für die Ausbildung kommen soll. Der Druck, das Geld für die Ausbildung zusammenzubekommen, rührt aber oft von einem inneren Druck her: Man möchte drängende Lebensthemen bearbeiten, unter denen man selbst schon immer gelitten hat und wittert in der Ausbildung eine einmalige Chance.
Schon allein einen hohen Kredit ohne materiellen Gegenwert aufzunehmen, löst in vielen eine große Angst aus. Nicht selten hängt diese Angst auch mit einem geringen Selbstbewusstsein zusammen. Es dauerte einige Zeit, bis ich irgendwann begriff: Ich bin Ärztin und Ärzte nehmen Kredite auf, um in die Zukunft zu investieren.
Innere Welt und äußere Realität hängen eng zusammen
Mit zunehmendem Selbstvertrauen wächst auch die Bereitschaft, einen Kredit aufzunehmen oder mehr Geld für seine beruflichen Tätigkeiten zu verlangen. Die Realität ist nicht kleinzureden und die Gefahr, dass alles schiefgeht, besteht immer. Das ist jedem Ausbildungskandidaten bewusst und es ist Teil des ungeheuren Drucks.
Mit der Ausbildung wächst jedoch häufig auch die Fähigkeit, in sich selbst und das Leben zu vertrauen. Man setzt sich mit dauernder Unsicherheit auseinander. Es wächst die Fähigkeit, eine gute Beziehung zu sich selbst und anderen zu führen. Daraus entsteht auch der Gedanke: Ich werde nicht fallen gelassen. Mir half damals sehr das Video von Amanda Palmer: „Die Kunst des Bittens“ (TED-Talks). Und ich fand tatsächlich Freunde, die mir finanziell sehr unter die Arme griffen.
Nur das!
Doch der Druck geht weiter: „Nur diesen Beruf des Psychoanalytikers in der DPV (Deutsche Psychoanalytische Vereinigung) kann ich mir vorstellen. Ich will dazugehören!“, denkt man vielleicht oft. Doch auch dieser Gedanke erwächst aus einem inneren starken Druck, aus einer inneren Not, die noch nicht gelöst werden konnte. Es dauert unter Umständen Jahre der Lehranalyse, bis die innere Not genau formuliert, gefunden und gelindert werden kann.
Es geht in der Ausbildung um Themen wie Zugehörigkeit, Ausgeschlossensein, soziale Schicht, Geld, Beziehung, Neid, Einsamkeit, Unterwerfung, Anpassung, Eigenständigkeit und Kreativität.
Erleichterung
Mit dem Prozess der Linderung der inneren Not entstehen auf einmal gedankliche Alternativen. Ich konnte mir eine Zeitlang NUR den Beruf des Analytikers für mich vorstellen. Es war fast wie ein Zwang. In den letzten Jahren entdeckte ich die Thai-Yoga-Massage und die hochfrequente Arbeit mit Psychotikern. Dies wären beides Alternativen, falls es mit der Ausbildung nicht klappt.
Der Druck, der in der Ausbildung entsteht, ist schon lange in uns vorhanden.
Es ist die Sehnsucht nach der Lösung schwerer innerer Nöte und wir spüren, wie die Lehranalyse und das Institut mit seinen Strukturen genau daran arbeiten. Wir begegnen in der Ausbildung sehr viel Unverständlichem, was jedoch mit der Zeit immer verständlicher werden kann.
Die Ausbildung ist gleichzeitig einsam und ein Gemeinschaftsprojekt.
In der Ausbildung schließlich kann man auch lernen, den Druck kleiner werden zu lassen – weniger Patienten zu nehmen, mehr Zeit inkauf zu nehmen, alternative Möglichkeiten des Geldverdienens zu finden. Diese Ausbildung ist wie eine große Abenteuerreise – oft sitzt man am Wegesrand und denkt: Ich geb’s auf, ich gehe keinen Schritt weiter. Und am nächsten Morgen kommt von irgendwoher die Kraft zurück und es geht weiter.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 12.12.2016
Aktualisiert am 13.12.2020
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