
Das Wort „Häme“ hängt eng zusammen mit dem griechischen Wort „Haimos“ = „Blut“. Bei der Häme ist das Blut in Wallung. Starke Gefühle wie z.B. Wut, Neid, Hass und Machthunger sind im Spiel. Im Englischen heißt Häme „malice“, worin das Wort „mal“ für „schlecht“ steht. „Malice“ bedeutet gleichzeitig „Boshaftigkeit, böse Absicht“. Häme entsteht oft aus Gefühl von ohnmächtiger Wut und Neid heraus.
Am Anfang steht oft die Unterwerfung
Wer sich in die Ecke gedrängt fühlte, der kann hämisch werden, sobald er wieder etwas Oberwasser gewonnen hat. Der Hämische hat Böses vor und will sich rächen. Er sucht die Genugtuung.
Am Anfang steht manchmal die Unterwürfigkeit. Man „gehorcht“ dem anderen und tut das, was er will, weil man ihm unterlegen und weil man von ihm abhängig ist. Aber man verachtet sich selbst für sein unterwürfiges Verhalten. Ist die Situation vorbei, wird man hämisch und verspottet den anderen.
Schlag und Gegenschlag
Wer hämisch ist, kann mit einem Gegenschlag rechnen. Und sich dann erneut als Opfer zurückziehen. Damit beginnt der Kreislauf von vorne: Der andere ist der Mächtige und man selbst kann nichts tun. Nah verwandt mit dem „hämischen Verhalten“ ist der „masochistische Triumph„. Erst greift der Hämische an und wenn er selbst etwas abbekommt, tut er so, als sei er der ärmste Mensch dieser Welt. Wunderbar dargestellt wird dies von Katharina Thalbach in dem Märchen „Rumpelstilzchen„.
Wenn der Unterschied zu groß ist
Häme entsteht oft dann, wenn der Unterschied zwischen zwei Menschen zu groß ist. Der Arme ist hämisch gegenüber dem Reichen, der Unglückliche gegebenüber dem Glücklichen, der Ohnmächtige gegenüber dem Mächtigen. Da ist der Hauptschüler, der seine Arme verschränkt, den Lehrer angrinst, anspuckt und sagt: „Hey, was willst du, Alter? Du kannst mich eh am Arsch lecken.“ Die Perspektivlosigkeit des Schülers ist so groß, dass er sich in seine Häme zurückzieht. Dort ist er gleichzeitig unerreichbar und grenzüberschreitend. Er zeigt, dass er sich verletzt fühlt und verletzt gleichzeitig den anderen.
Übersetzung
Will man Häme in etwas Verständliches übersetzen, so könnte man vielleicht sagen: Der, der Häme zeigt, ist verzweifelt darüber, dass er keinen echten Kontakt und keine Liebe findet. Er ist resigniert und versucht den anderen irgendwie zu erreichen, und sei es nur über die Verletzung.
Der Ohnmächtige erwartet nicht, dass der Mächtige sich erbarmen könnte. Er nimmt direkt eine herausfordernde, provozierende Haltung ein, sodass der andere tatsächlich keine Liebe geben kann.
Häme zeigt, dass der Betroffene sich völlig isoliert fühlt. Kontaktaufnahme scheint nur durch aggressives, abwehrendes, verletzendes Verhalten möglich zu sein.
Häme ist die verzweifelte Suche nach gutem Kontakt in einem Zustand absoluter Hoffnungslosigkeit. Gleichzeitig besteht ein schlechtes Bild vom anderen.
Wie kommt man da raus?
Es ist sehr schwierig, aus der Häme herauszukommen. Dazu müsste gegenseitige Erreichbarkeit hergestellt werden. Doch der, der hämisch behandelt wird, ist nicht fähig, den Hämischen mit Verständnis, Offenheit und Zuneigung zu betrachten. Derjenige, der verspottet wird, kann oft kaum etwas ausrichten. Es gehört viel innerer Freiraum dazu, anders als mit einem Gegenangriff zu reagieren.
Manchmal endet die Situation, wenn der Hämische sein Macht- und Überlegenheitsgefühl aufgibt und sagen kann, wie er sich wirklich fühlt.
Unterwürfiges Verhalten kann die Häme verstärken
Wie kann eine Tochter reagieren, wenn sie vor einer hämischen Mutter steht? Wie kann der Lehrer reagieren, wenn der Schüler hämisch vor ihm sitzt? So mancher versucht es mit unterwürfigem, freundlichem Verhalten, doch der Hämische fühlt sich von den Versuchen des Opfers nur noch weiter herausgefordert.
Trifft der Hämische jedoch auf echtes Wohlwollen, verunsichert ihn das zutiefst.
Manchmal kann man einfach nur still abwarten, nachdenken und sich fragen: Was wünscht man sich selbst im hämischen Zustand? Vielleicht Verstehen in irgendeiner Form.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 9.12.2014
Aktualisiert am 16.2.2020
Malt meint
Guter Artikel, nah dran.