Wir sind dick, weil wir in einer Mangelgesellschaft leben

„Die Deutschen werden immer dicker“, heißt es. Die „Wohlstandsgesellschaft“ sei schuld. Doch ist es nicht in vielerlei Hinsicht eine Mangelgesellschaft? Wir haben einen Mangel an Sonnenuntergängen, die wir betrachten können, weil wir alles verbaut haben. Wir haben einen Mangel an klaren Bächen, an frei stehenden Obstbäumen, an Parkplätzen, an Platz überhaupt, an Wiesen und Feldern, an Bäumen, auf die wir klettern dürfen, an Mücken, die wir jagen können und an Spielplätzen für Erwachsene. Wir haben einen Mangel an Zweisamkeit, Dreisamkeit und Gesellschaft. Einen Mangel an Dreigängemenüs in Gesellschaft, an Schlaf, an Dunkelheit in der Nacht. Einen Mangel an Bewegung, weil die Natur dazu fehlt. Einen Mangel an Hausmusik und Gesang, an festen Essenszeiten und Mittagsschlaf, an selbstgemachten Tiramisus, an Fenstern, die sich öffnen lassen, an Treppen, an Bänken am Wegesrand. Einen Mangel an Zeit und Raum und Stau-Freiheit, einen Mangel an freien Kühen, glücklichen Hühnern und Augen, die auch mal zugedrückt werden. Und wir haben einen enormen Mangel an Berührung.

Das macht dick. Nichts sonst.

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Dieser Beitrag erschien errstmals am 28.7.2016
Aktualisiert am 7.5.2019

3 thoughts on “Wir sind dick, weil wir in einer Mangelgesellschaft leben

  1. Nessaia sagt:

    Ich denke, je weniger emotionale Nahrung ein Mensch bekommt, desto mehr muß er essen und konsumieren, um die Leere in seinem Innern und in seinem Leben zu füllen.

  2. Nessaia sagt:

    In unserer Gesellschaft besteht ein Mangel an Gemeinschaft, an Solidarität unter den Menschen. Was Krankenkassen, Arbeitslosigkeit, usw. betrifft heißt es ja auch schon seit der Jahrtausendwende ganz unverblümt, daß „die Solidargemeinschaft aufgehoben worden sei.“ Jeder muß selber sehen, wie er klarkommt. Alle sind nur noch Einzelkämpfer. Nur Image, Leistung und Geld zählen. Genau das wird ja auch von oben so propagiert. Ich denke, es ist Absicht. Die Menschen sollen dazu gebracht werden, sich im Arbeitsleben selbst auszubeuten und privat möglichst viel zu konsumieren. Das nutzt den Konzernen. Wenn alle ständig miteinander konkurrieren, gibt es unter den Arbeitnehmern keine Solidarität und sie können sich nicht zur Wehr setzen, Statt dessen versucht sich jeder zu profilieren. Das nutzt den Arbeitgebern.

  3. Melinas sagt:

    Dieser Artikel spricht mir aus dem Herzen…..aber das betrifft m.M. nach nicht nur das Essen…..auch das 2. oder 3. Auto, die Jacht, die Millionen……
    Der Mensch will immer mehr und noch mehr ist gierig – warum? Weil er die wahren Werte nicht findet, weil er hungrig ist nach Liebe, Anerkennung.

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