Wann immer es um respektvolle „Erziehung“ von – oder besser: Beziehung zu – Kindern geht, kommt rasch der Spruch: „Aber Kinder sind doch keine kleinen Erwachsenen!“ Dieser Satz hat mich von jeher irritiert. Es ist eine Frage der Haltung: Ich finde es wichtig, mit Kindern so umzugehen wie mit Erwachsenen auch, jedoch unter der Berücksichtigung, dass es eben noch Kinder sind. Wenn ein Kind mich fragt, warum der Himmel blau ist, kann ich nicht mit ausgefeilten physikalischen Berechnungen daher kommen, sondern muss es in kindgerechte Worte fassen. Aber ich erkläre es ihm so, dass es sich ernstgenommen fühlt. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Wohin mit dem Ärger?
Der Hinweis, Kinder seien keine kleine Erwachsenen bezieht sich oft auf ärgerliche Situationen. Ja, unsere Kinder können uns ärgern und emotional bis auf’s Blut herausfordern. Doch wir können wieder zur Mitte zurückschwingen. Es ist wichtig, mit Kindern nur so zu sprechen, wie wir als Erwachsene es auch akzeptieren würden. „Du kommst jetzt ganz schnell weg da! Eins, zwei,…?! Ein bisschen plötzlich, Frollein!“ Wie würden wir reagieren, wenn unser Partner so mit uns spräche? „Du hörst jetzt sofort auf, mit Deiner Freundin zu quatschen! Seit einer halben Stunde will ich gehen! Frau, Du kommst jetzt, aber auf der Stelle!“ So einen Partner würden wir – wenn wir nicht gerade masochistisch sind – wahrscheinlich bald verlassen.
Erwartungen
Kinder wollen wie jeder Mensch behandelt werden – mit Respekt und Verständnis. Auch wenn wir wütend auf unser Kind sind, können wir respektvoll mit ihm sprechen: „Ich bin müde! Den ganzen Tag habe ich aufgeräumt. Und wenn ich hier über Deine Spielsachen falle, macht mich das wirklich wahnsinnig.“ Und jetzt kommt der spannende Punkt: Können wir damit rechnen, dass ein Kind darauf reagiert? Ja! Und zwar dann, wenn wir uns immer um eine gute Bindung bemüht haben. Wenn wir für das Kind zeitlich ausreichend zur Verfügung stehen. Wenn das Kind uns kennt, dann will es nichts mehr, als dass wir ihm wohlgesonnen sind. Ein Kind will, dass wir es lieben und es will die Liebe der Eltern nicht verlieren. Hier können wir eine Reaktion erwarten wie von Erwachsenen auch: Das Kind wird bemüht sein, in irgendeiner (altersangemessenen Form) auf uns zuzugehen.
Das Kind reagiert auf uns, wenn wir eine gute Bindung haben
Wenn wir eine gute Bindung zum Kind haben, dann wird es weinen, wenn wir sagen, dass wir wütend geworden sind. Wenn wir ihm zeigen, dass es unsere Grenzen übertreten hat, wird es das spüren und daraus lernen. Unsere Worte kommen bei unserem Kind an. Wenn wir es aber überwiegend respektlos behandeln und unsere Macht ausnutzen, dann wird es nicht unmittelbar auf uns reagieren, sondern sich uns widersetzen.
Konsequenz
Manche Eltern sagen: „Ich dachte hinterher: Drei Tage Fernsehverbot ist echt ein bisschen viel, aber nun hatte ich’s gesagt, nun muss ich es auch durchziehen um der Konsequenz willen.“ Hier wird’s wieder fraglich. Ich würde nicht wollen, dass mir jemand drei Tage lang das Fernsehen verbietet. Mit welchem Recht sollte er das tun? Und wenn sich jemand geirrt hat und in der Wut etwas gesagt hat, was er nicht so meint, freue ich mich über eine Entschuldigung.
Erwachsene haben oft viel zu viel Angst davor, nicht respektiert zu werden
Aus der Angst heraus, nicht respektiert zu werden, tun viele Erwachsene lauter Dinge in einer Weise, die das Kind dazu bringt, sie erst recht nicht mehr zu akzeptieren. So geraten die Erwachsenen in einen Teufelskreis. Am natürlichsten geht es, wenn man sich selbst fragt: „Wie würde ich mich fühlen? Mein Wille ist mein Himmelreich. Der Wille meines Kindes ist auch sein Himmelreich. Mein Körper gehört mir. Und auch der Körper des Kindes gehört dem Kind. Wie kann ich da so mit ihm umgehen, dass es ihm gut geht?“ Die meisten Eltern wollen das Beste für ihr Kind. Kaum über etwas wird mehr diskutiert als über die „richtige Erziehung“. Vieles wird leichter, wenn man das Wort „Erziehung“ beiseite lässt und sich um eine gute „Beziehung“ bemüht.
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