Menschen mit einer Zahnarztphobie zögern oft sehr lange, bis sie endlich den Weg in eine Zahnarztpraxis schaffen. Es kostet sie unglaublich Überwindung, bei einem Zahnarzt anzurufen, in die Praxis zu gehen, sich auf den Stuhl zu setzen und den Mund zu öffnen. Da nützen auch die schönsten Bilder an der Wand und Naturfilme im Behandlungszimmer nur wenig. Immer wieder liest oder hört man in den Medien etwas über die Zahnarztphobie. Meistens werden dann Zahnärzte empfohlen, die Hypnose anbieten. Doch wer wirklich Angst vor dem Zahnarzt hat, der fürchtet sich auch vor der Hypnose, denn er verbindet „Hypnose“ gedanklich mit „Kontrollverlust“. Und das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, ist für den Patienten mit Zahnarztangst das Allerschlimmste.
Verständnislosigkeit
Viele Menschen fürchten sich vor dem Zahnarzt oder gehen zumindest mit einem mulmigen Gefühl dorthin. Wer aber an einer echten Zahnarztphobie leidet, der fürchtet sich nicht nur ein bisschen, sondern der fühlt sich innerlich gequält und hat große Angst. Das ist für Außenstehende oft schwer nachzuvollziehen. Sicher, da wird das ein oder andere schlechte Zahnarzterlebnis in der Kindheit zur Erklärung herangezogen, aber solch ein einziges Erlebnis ist meistens nicht die Ursache für eine ausgeprägte Zahnarztangst – dahinter steckt viel mehr.
Die Angst vergeht nur bedingt durch „Üben“
Wer eine Zahnarztphobie hat und eine Verhaltenstherapie macht, der „übt“ in der Therapie, zum Zahnarzt zu gehen. Durch häufige Besuche mit langsamer Gewöhnung an den Zahnarztbesuch kann die Angst nachlassen. Doch auch das hilft vielen Betroffenen nicht. Denn über die wahren Ursachen ihrer Angst spricht oft niemand – häufig können die Betroffenen sie selbst nicht so richtig formulieren.
Echte Zahnarztangst hat sehr viel damit zu tun, wie der Betroffene aufgewachsen ist. Nicht wenige haben in frühester Kindheit Gewalt und Ohnmacht erlebt. Zu spüren, was man will und es dann auch zu sagen, war aufgrund der Erziehung nicht möglich. Auch sexuelle Übergriffe kommen in Familien sicher häufiger vor, als offizielle Zahlen das wiedergeben.
Die Betroffenen verbinden die Zahnarztangst oft nicht direkt mit ihrer problematischen Kindheit. Denn was von so einer Kindheit übrig bleibt, sind oft nicht die bewussten Erinnerungen, sondern die unguten Gefühle. Es fällt den Betroffenen oft sehr schwer, einem anderen zu vertrauen. Schon „normales, zwischenmenschliches Vertrauen“ ist schwer. Wie schwer muss es dann sein, einem anderen so zu vertrauen, dass er in der eigenen Intimsphäre, dem Mund, „arbeiten“ darf.
Bewusst oder unbewusst, in den meisten Fällen aber unausgesprochen, kommen da auch Gedanken an Sexualität hoch. Was dem Patienten vielleicht helfen würde, wäre eine Situation, die nur schwer herzustellen ist: Das offene Gespräch. Zahnärzte sind in der Regel nicht spezialisiert auf psychoanalytische Gespräche. Und die Patienten sind oft sprachlos, weil es sich um unbewusste Ängste handelt. Was bleibt, und was spürbar ist, ist eine unausgesprochene, fast unerträgliche Spannung.
Was dem Betroffenen hilft
Manchmal hilft nur ein langer Weg, um die Zahnarztphobie zu überwinden. Dazu kann zum Beispiel eine psychoanalytische Therapie gehören. Hier kann der Betroffene oft erstmals im Leben erfahren, wie es ist, einem anderen zu vertrauen. Ist die Beziehung zwischen Patient und Therapeut gefestigt, hilft es dem Patienten auch, bei seinem Gang zum Zahnarzt an den Therapeuten zu denken.
Außerdem hilft ein „gutes Gefühl“ beim Zahnarzt, die Angst zu überwinden. Wenn Sie unter einer Zahnarztphobie leiden, dann gehen Sie so lange auf die Suche, bis Sie jemanden gefunden haben, bei dem Sie das Gefühl haben: Ja, hier kann ich meinen Mund öffnen. Wie fühlt sich der Stuhl an? Ist er bequem? Wie ist die Stimmung im Zahnarzt-Team? Wie fühlen sich die Hände des Zahnarztes an? Ist er einfühlsam? Geht er darauf ein, wenn Sie sagen, dass Ihnen die Liege zu flach ist und dass Sie aufgrund Ihrer Angst eher im Sitzen behandelt werden möchten? Wie sieht die Praxis aus? Ist Ihnen da zu viel „Gedöns“? Videobilder aus dem eigenen Mund schrecken viele Patienten ab – auch zu einer „modernen“ Praxis können Sie „Nein“ sagen, wenn Sie sich dort nicht wohl fühlen.
Wenn von Seiten der Schmerzen noch möglich: Nehmen Sie sich Zeit
Selbst, wenn die Zähne in einem sehr schlechten Zustand sind, brauchen Sie nichts machen zu lassen, was Sie nicht wollen. Beim ersten Besuch reicht es, den Mund aufzumachen und nachschauen zu lassen. Bevor irgendein weiterer Schritt gegangen wird, können Sie noch einmal nach Hause gehen und die Sache überdenken.
Sie können auch während einer Behandlung jederzeit sagen: „Stopp, ich brauche eine Pause.“ Gehen Sie nur zu einem Zahnarzt, der Ihnen sympathisch ist. Haben Sie keine Scheu, mehrere Zahnärzte zu Kontrolluntersuchungen auszuprobieren – die Unterschiede sind wirklich riesig. Wenn Sie einen Zahnarzt gefunden haben, bei dem Sie sich wohlfühlen, dann ist alles andere zweitrangig. Ob dieser Zahnarzt eine psychosomatische Grundausbildung hat, ob er Hypnose durchführt oder nicht – wichtig ist der Mensch. Und wenn Sie das Gefühl haben: Ja, dieser Zahnarzt versteht mich, ohne dass ich viel sagen muss und wir sind uns sympathisch, dann haben Sie die beste „Therapie“ gegen die Zahnarztphobie gefunden.
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Links:
Dr. Hans-Joachim Demmel:
Psychosomatik in der Oralmedizin
Roland Zörner:
Die Psyche, der heimliche Zahnkiller
Ein Onlinebuch.
Regina Lessenthin:
Auf den Zahn gefühlt
Institut für psychotherapeutische Information und Beratung
Karl Gerlicher:
Zahn-, Mund- und Kieferporbleme aus der Sicht psychoanalytisch orientierter Familientherapie
Journal of Orofacial Orthopedics/Fortschritte der Kieferorthopädie, DOI 10.1007/BF02164010
Urban & Vogel, Mai 1982
Professor Volker Faust:
Zähne und Seelische Störung (PDF)
Psychiatrie heute, Arbeitsgemeinschaft Psychosoziale Gesundheit
Sebastian Euler et al.:
On psychobiology in psychoanalysis:
Salivary cortisol and secretory IgA as psychoanalytic process parameters
Psychosoc Med 2005
GMS Psycho-Social-Medicine
Gemeinsame Zeitschrift psychosozialer Fachgesellschaften in der Medizin, ISSN 1860-5214
Deutsche Zusammenfassung:
Sebastian Euler et al.:
Zur Psychobiologie der analytischen Beziehung:
Komparative Einzelfallstudie zur Untersuchung von Cortisol und Sekretorischem IgA im Saliva als Prozessparameter der 4-stündigen Psychoanalyse
(2003)
Jeffrey Butler et al.:
Auswirkungen der sozialen Lage und Herkunft auf die Zahngesundheit von Schulanfängern
(PDF)
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 11.4.2011
Aktualisiert am 29.5.2016
Fabian meint
Hallo,
da ich unvorstellbarer Zahnarztphobiker bin werde ich morgen eine Behandlung mit Lachgas versuchen.
Eine Verhaltenstherapie mache ich auch seit einiger Zeit aber mit relativ mäßigen Erfolg und damit ich einer Vollnarkose ausweichen kann werde ich es mit einer Lachgassedierung versuchen.
LG Fabian
Dunja Voos meint
Hallo Thomtom, nein, den Abschluss in Psychologie sollen Zahnärzte nicht nachreichen – die Unis sollten bloß besser lehren, wie die Angst vor dem Zahnarzt zustande kommt. Mit bloßem Willen, Training und Konfrontation lässt sich die Zahnarztangst leider oft nicht lösen. Die Seele hat da ihre Grenzen. Patienten, die als Kinder missbraucht und traumatisiert wurden, leiden oft in unvorstellbarem Maße, wenn sie zum Zahnarzt gehen. Der Zahnarzt muss hier kein Psychologe sein, aber er sollte die möglichen Zusammenhänge kennen. Das allein hilft schon vielen Patienten.
Rosa meint
So weit ich weiss, kann man Angst, auch vor dem Zahnarzt, besonders gut mit EFT wegklopfen.
Grüße Rosa
Surika Kötter meint
Die wirkliche Zahnarztphobie hat meist tatsächlich weniger mit der Person des Zahnarztes oder der Praxisgestaltung zu tun. Da kann die Praxis noch so schön gestaltet sein, der Arzt noch so verständnisvoll, geduldig und mit ausreichend Zeit arbeiten – die Hintergründe sind, wie oben im Artikel beschrieben, häufig ganz andere.
Da Zahnärzte eben Spezialisten auf ihrem Gebiet sind – und das ist auch gut so – ist eine Zahnarztpraxis nicht der geeignet Ort, um solche Ängste zu therapieren.
In der Kooperation mit Zahnärzten setze ich bei solchen Patienten EMDR ein, ein wirksames Mittel, um alte Traumata zu bearbeiten. Das zugrundeliegende Ereignis wird nicht “ weggemacht „, sondern mit Hilfe bilateraler Stimulation ( Augenbewegungen ) neu bewertet.
EMDR wurde ursprünglich in der Traumatherapie eingesetzt. Hier ist es besonders wichtig, dass der Patient weiss, dass er „Herr der Lage“ ist. Eine Angst vor Kontrollverlust gibt es somit nicht.
Clarissa meint
Ich litt sehr lange an der Phobie und traute keinem Zahnarzt über den Weg, entstand durch ein traumatisches Erlebnis von meiner Mutter beim Zahnarzt was sie mir im Kindesalter schilderte und ich übertrug das dann alles auf mich. Das was mir geholfen hat ist eine Hypnose cd von Dieter Eisfeld, denn sie ist sehr angenehm zu hören und funktioniert so unterbewusst, ich kann gut dabei entspannen. Hingegen die Hypnose von Alexander Cain ist mehr aufzwingend und stört mich einfach von dem Aufbau und der Stimme, da kann ich garnicht abschalten. Wollte erst einen günstigeren und gesünderen Weg ausprobieren als sofort mit Therapien und Vollnarkosen zu starten. Seit ich die cd von Eisfeld regelmäßig vor einem Terminhöre bin ich ganz locker und der letzte Termin hat mich überrascht, es wurde gebohrt und und und… ich blieb ruhig.
steffano meint
Eine gute Lösung gegen Zahnarztangst kann die Behandlung mit Lachgas sein. Eine solche Behandlung bewirkt, dass man sich schwer und entspannt fühlt. Man verliert den Zeitgefühl und man empfindet die Behandlung deutlich kürzer. Mehr dazu kann man hier nachlesen: http://www.gesundezaehne24.de/lachgas-hilft-zahnarzt-angst/comment-page-1/#comment-697
Lutz meint
@ Rainer – Ich litt mit zunehmendem Alter an Zahnarzt-Angst und habe mich von meinem alten Zahnarzt getrennt, um mir einen für mich passenden Zahnarzt zu suchen. Daher kann ich auch nur bestätigen wie wichtig dieses Verhältnis ist bzw. was ein geschulter Zahnarzt ausmachen kann
Hypnosis meint
Die Angst vor dem Zahnarzt kann schneller gelöst werden als man denkt, würden die Zahnärzte sich ein bisschen mehr mit der Psyche ihrer Patienten beschäftigen.
Daggy meint
Hallo an Alle,
ich glaube nicht, dass es wirklich damit zu tun hat, ob der Zahnarzt psychologisches Wissen hat. Es gibt leider Zahnärzte (Ärzte allgemein), die ihren Job wirklich mit Leib und Seele machen ( und das sind die, welche auf den Patienten eingehen) und eben die , die es des Geldes wegen machen und sich leider äusserst oberflächlich und unpersönlich dem Patienten gegenüber verhalten. Man soll wirklich als Angstpatient darauf achten, ob die Chemie zwischen Patient und Arzt stimmt, denn wenn nicht,, AUFSTEHEN und GEHEN:)))
Rainer meint
Ich selbst hatte unter Zahnarztangst gelitten, bis ich an einen Zahnarzt geraten bin der sich wirklich sehr sehr viel Mühe gegeben hatte. Er ist geschult in Hypnose und hat sich auf Angstpatienten spezialisiert. Zwar meine Angst nun nicht übermäßig dramatisch wie bei vielen anderen doch er hatte es geschafft, dass es nun so ist, dass ich das letzte mal kurz auf dem Stuhl eingeschlafen bin. Kaum zu glauben. Ich würde mich freuen, wenn Zahnärzte sich hier mehr Zeit, Mühe und Einfühlungsvermögen aneignen würden.