Kontaktabbruch zwischen Eltern und Kindern: Oft war doch Gewalt dabei

„Da war nie was!“, sagen manche Eltern, wenn sie gefragt werden, warum ihre Kinder den Kontakt abgebrochen haben. „Naja“, fügen sie hinzu, „vielleicht war nicht immer alles so gut, aber deswegen muss man nicht den Kontakt abbrechen.“ Fragt man die Kinder, erzählen sie relativ oft, wie sie zu Hause in ihr Zimmer geschlossen, missbraucht oder geschlagen wurden. Auch manche medizinische Behandlungen, wie z.B. die Vojta-Therapie, wurde von nicht wenigen Kindern als Gewalt erlebt.. Was Kinder und Eltern über die Vergangenheit erzählen, unterscheidet sich oft stark. Schuld- und Schamgefühle spielen dabei eine große Rolle.

Eltern, die ihre Kinder anschreien, verprügeln oder mit Liebesentzug bestrafen, fühlen sich oft furchtbar schlecht. Sie fühlen sich hilflos, alleingelassen und verzweifelt. Manche Eltern sind von ihren eigenen Taten traumatisiert. Sie tun alles dafür, um zu verdrängen, was passiert ist. Um mit dem vergangenen Verhalten zurecht zu kommen, versuchen sie, es innerlich zu entschärfen. Die Kinder hingegen erinnern sich genau daran, was passiert ist.

Kinder empfinden richtig

Als die Kinder Gewalt erfuhren, waren sie eben noch Kinder, das heißt, sie waren schwächer und kleiner, sodass das Erlebte einerseits noch traumatischer wirkt. Andererseits: Wenn man hört, wie in der Nachbarschaft ein Kind verprügelt oder gestraft wird, geht auch dem Erwachsenen das Schreien durch Mark und Bein. Es ist deutlich spürbar, wie es so einem Kind geht.

Am Schlimmsten ist es, wenn das Traumatisierende von denjenigen ausgeht, die dem Kind am nächsten stehen: den eigenen Eltern.

Wie mit dem Erlebten klarkommen?

Sind die gewalterfahrenen Kinder groß geworden, wünschen sie sich, dass die Eltern anerkennen, was sie getan haben und dass sie sich dafür entschuldigen. Diese entlastende Erfahrung bleibt für viele jedoch aus. Viele Eltern können dem Kind nicht in der Form antworten, wie die Kinder es sich wünschen. Teilweise haben sie jahrelange Verdrängungsarbeit geleistet, teilweise sind Schuld und Scham immer noch zu groß, als dass sie darüber nachdenken könnten. Es ist schwierig, hier zu sagen, was helfen könnte. Wichtig ist es, den eigenen Schmerz anzuerkennen und auch die Enttäuschung zu spüren. Oft hilft es, einen „nachträglichen Zeugen“ zu finden, indem man z.B. dem Partner oder einem Therapeuten von den Erlebnissen erzählt. Im Nachhinein nicht mehr allein mit dem Schmerz zu sein, kann sehr entlasten.

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5 thoughts on “Kontaktabbruch zwischen Eltern und Kindern: Oft war doch Gewalt dabei

  1. karla sagt:

    Auch ich, sowie meine zwei jüngeren Geschwister, haben den Kontakt zu unseren Eltern abgebrochen. Während meine Geschwister knallhart dabei bleiben (und auch kein Problem damit haben) habe ich immer ein schlechtes Gewissen da ich nun oft von den Eltern nach jahrelanger Funkstille kontaktiert werde. Sie sind jetzt halt älter, krank und/oder einsam. Am liebsten wäre ich auch knallhart. So schade ich mir selbst indem mir mein Gewissen im Weg ist und ich mein Leben nicht frei leben kann.
    Was beide getan haben ist sehr schwer verdaulich und verzeihen kann ich auch nicht und trotzdem ist das Gewissen da.

  2. Tina-Sophie Pistor sagt:

    Ich habe auch den Kontakt zu meiner Familie abgebrochen, es war jedoch keine falsche Entscheidung da meine Mutter und all die anderen in meiner Familie nie den Glauben von meinem Freund akzeptiert haben nur er war auch vor dem Abbruch des Kontaktes immer der einzige der mich im Krankenhaus besucht hat. Ich wurde immer als aggressiv und schwer erziehbar bezeichnet und deshalb in Psychiatrien eingewießen ohne verstanden zu werden oder offen miteinander über Probleme zu reden. Daher bezeichnet dieser Beitrag genau das was vorgefallen ist.

  3. ich finde es gut daß kinder immer mehr selbstbewußtsein entwickeln und die alten mit den konsequenzen ihrer handlungen konfrontieren,im gegensatz zu früher ,diese prügelnden psychisch labilen nervenbündel sollen sich doch mal vor augen halten daß es einmal die eigenen kinder sind von denen sie zu grabe getragen werden(oder auch nicht) je nachdem wie respektvoll diese die
    e.igenen kinder behandelt haben .
    ich selbst hatte ein monster wurde ständig als frustableiter benutzt und wünschte mir solche eltern sollten auch hingerichtet werden (wie in texas die mörder).

  4. Floriane K sagt:

    Hallo Speybridge,
    du sprichst mir aus der Seele.
    Die Gesellschaft hat die unausgesprochene Regel aufgestellt, dass Töchter sich um die Eltern zu kümmern haben.
    Mein Verhältnis zu meiner Mutter war und ist immer ein schwieriges. Sie hat jedoch alles längst vergessen, was sie mir über viele Jahre meines Lebens angetan hat, physische und psychische Gewalt (von Schlägen mit dem Kochlöffel bis zum tagelangem Nichtbeachten), der immerwährende Versuch, meine Persönlichkeit zu unterdrücken und zu brechen (es gibt kaum schlimmeres, als seinem Kind immer wieder zu sagen, dass es häßlich ist und zu dumm , um ein Abitur zu machen oder zu studieren).. etc etc.. Nun ist sie alt und gebrechlich. Lebt 2 1/2 Autostunden von mir entfernt. Mit meinem Vater , der auch gebrechlich ist, den sie aber nicht leiden kann (er ist schuld an allem, er macht nie was richtig.. blablabla). ich rufe sie einmal pro Woche an. Pflichanruf. Um mir anzuhören, dass ich keine Zeit für sie habe. Ach ja, ich bin beruflich sehr ausgelastet und habe Haus, Garten, Familie…immerzu tun..
    Auch ich habe sehr klar und deutich kommuniziert, dass ich mich nicht um sie kümmern kann und werde. Sie hat eine Pflegestufe und sie kann über diese alle Hilfe bekommen, die sie braucht. ich mache sowieso nie was richtig, also warum soll ich da hinfahren?
    Ich weiß, die Gesellschaft/Familie versteht das alles nicht, Sie haben alle keine Ahnung, was meine Mutter mir so alles angetan hat, alle sehen in ihr nur die arme alte nette Frau. Und dann kommt natürlich immer der Spruch: du hast doch auch eine Tochter, die kann sich um dich kümmern.
    Um sich umeinander zu kümmern, sollte schon die Basis stimmen. Ich werde mich nicht für den Rest ihres Lebens diesem zusätzlichen Stress aussetzen. Dafür, dass ich immer noch höre: Du bist wie dein Vater, ein schrecklicher Mensch, Ein Diktator, dein Mann tut mir leid. Deine arme Tochter, die macht ja auch nur, was du willst … und so weiter (die Bandbreite ist riesig.
    Gutmenschen – empört euch..

  5. speybridge sagt:

    Alles schön und gut: Das eigene Aufarbeiten des ganzen Elends ist natürlich elementar wichtig. Das habe ich getan. Ein Problem aber bleibt: Die Alten werden immer älter, und so muss man damit rechnen, noch evtl. Jahrzehnte immer wieder mit den Leidverursachern in Kontakt zu kommen und ständig neue Aktualisierungen der zerstörerischen Kommunikation zu erleben, da sich die Mutter nicht verändert und alles Reden nichts nützt: Das Ganze ist dann wie eine Dauerinfektion, die nicht endet und letztlich droht, das Immunssystem zu zerstören.
    Also bleibt die Frage nach dem Kontaktabbruch. Ich – auch schon Ende 50, Resilienz ist mein zweiter Vorname – bin jetzt etliche Jahre die Schiene gefahren, dass ich sehr reduzierten „Support“ für meine Mutter geleistet habe (ab und an telefonieren, drei Besuche im Jahr, um Grundeinkäufe zu machen, sachliche Unterstützung in Krankheitsfällen etc.). Den Kontakt in dieser Weise aufrechtzuhalten, glaubte ich mir selbst schuldig zu sein – nicht meiner Mutter. Dass ich mich dabei immer mehr wappnen musste, Magenschmerzen und andauerndes Sodbrennen bekam, habe ich in Kauf genommen.
    Am Sonntag aber ist die Situation in nicht zu glaubender Weise am Telefon eskaliert. Ich habe einige sehr deutliche Sätze gesagt, aufgelegt – und ich will nicht mehr und ich kann nicht mehr! Magenschmerzen und Sodbrennen sind schlagartig verschwunden.
    Was bleibt, ist aber das Wissen um eine schwierige Situation: Diese Frau ist Ende 80, lebt noch allein, baut körperlich (nicht geistig!) sehr stark ab. Familiär ist keiner in der Nähe, der sie unterstützen könnte. Zudem weiß sie gar nicht, wie ihr geschieht, weil sie sich keinerlei Schuld bewusst ist, denn sie hat von sich ein so ausgeprägt jungfräulich-ideales Selbstbild, das noch nicht einmal das Eingeständnis erlaubt, einmal Zucker verschüttet zu haben. Auf ihrer Seite also – bei völliger Uneinsichtigkeit – totales Unverständnis über meine Reaktion. Was für eine undankbare Tochter!
    So lasse ich also meine alte und bald hilflose Mutter im Stich. Mir geht es besser so, ich atme auf, aber ist es das Beste? Ich habe jahrelang anders gehandelt, aber ich kann einfach nicht mehr. Allein schon mein Körper meldet das zurück. Eine Lösung sehe ich nicht, wie ich es auch drehe und wende.
    By the way: Es gibt etwas, das nicht zu meinem eigenen Selbstbild passen mag, aber Realität ist: Ich hoffe auf eine baldige biologische Lösung. Empöre sich, wer mag.

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