„Die Angststörung“, „Die Depression“, „Die Borderline-Störung“, liest man. Und dann folgen ganz viele Symptome und Lösungsansätze, möglicherweise auch Medikamenten-Empfehlungen. Was aber oft zu kurz kommt, ist die Tatsache, dass jede psychische Störung mit Beziehungen zusammenhängt. Menschen mit einer Borderline-Störung sind oft darauf angewiesen, dass ein anderer, z.B. der Therapeut, körperlich anwesend ist. Sobald die wichtige andere Bezugsperson körperlich weg ist, bricht die Verbindung oft auch psychisch ab – der Betroffene fühlt sich völlig verlassen.
In der Beziehung fällt das Nachdenken schwer
Andere Menschen mit psychischen Beschwerden fühlen sich hingegen alleine sehr wohl, doch bricht ihr System zusammen, sobald sie sich in einer engeren Beziehung wiederfinden. Sie können dann fast gar nicht mehr nachdenken, weil sie sich in der Beziehung so gefangen und bedroht fühlen. Viele leiden auch darunter, dass sie sich nicht wohlfühlen, wenn sie mit anderen zusammen sind, sich aber auch nicht wohlfühlen, wenn sie alleine sind.
Wo finde ich Schutz, wohin kann ich gehen?
Besonders bei Angststörungen spielt „der andere“ eine wichtige Rolle. Während einer Angstattacke wünschen sich die Betroffenen, dass sie zu jemandem gehen könnte, der sie beruhigt. Aber wenn sie sich an den anderen wenden, fühlen sie sich manchmal nur noch beunruhigter – nichts kann richtig sein.
Vorstellungen, vom „Wohlfühl-Zusammensein“ fehlen
Viele Menschen mit psychischen Beschwerden haben kaum eine Vorstellung davon, dass sie mit einem anderen zusammen sein und sich dennoch frei fühlen können. Freiheit und Sicherheit, Freiheit und Verbundheit, Nähe und ausreichende Distanz – das alles findet man in einer gesunden Beziehung. Psychisch gesunde Menschen fühlen sich in der Beziehung zu anderen Menschen meistens nicht eingeengt. Sie fühlen sich innerlich frei und auf gute Weise mit dem anderen verbunden. Sind diese Menschen mit sich alleine, stehen sie in guter Verbindung mit sich selbst, ihren Gefühlen und Wünschen. Obwohl die nahen Bezugspersonen nicht da sind, fühlen sie sich von ihnen nicht verlassen.
Beziehungen bestimmen unser Leben
Unser ganzes Leben wird von Beziehungen bestimmt. Wegweisend ist die frühe Beziehung zu Mutter, Vater und Geschwistern. Ist die Mutter-Kind-Beziehung gestört, können psychische Störungen entstehen und sind auch die späteren Beziehungen häufig gestört. Die Kinder und später die Erwachsenen können sich nicht sicher binden. Sie leiden unter Beziehungsabbrüchen, Einsamkeit und einem Mangel an Lebensfreude. Helfen kann oft nur eine neue Beziehung, z.B. die Beziehung zu einem Therapeuten. Wer sich tiefgreifende Veränderungen in seinem Leben wünscht, erreicht diese oft am besten durch eine Psychoanalyse. In der Therapie oder Analyse kann der Betroffene neue „Beziehungserfahrungen“ machen und er stellt fest: Infolge der neuen, besseren Erfahrungen gehen die psychischen Beschwerden zurück und wohltuende Nähe zu anderen Menschen wird immer öfter möglich.
Verwandte Artikel in diesem Blog:
Tani meint
Das Schwierige an der Beziehung zum Therapeut ist jedoch, dass sie künstlich ist. Es ist eine Geschäftsbeziehung, gegen Bezahlung, zeitlich begrenzt und nach dieser begrenzten Zeit durch das Abstinenzgebot untersagt.
Es mag nicht jedem so im Blickfeld sein, aber mich als Patientin schmerzen diese Umstände so sehr, dass ich die Überlegung hege, die Therapie abzubrechen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass mich das so sehr treffen würde, mir so bewusst sein würde.
Es ist bitter, sehr bitter. Die Umstände, in die man geboren wird, hat man nicht in der Hand und ganz egal, wie „normal“ man sich entwickelt, wie sehr man dagegen ankämpft und reflektiert, es bleibt eine Wunde und die trennt von anderen Menschen.
Na ja, im nächsten Leben vielleicht. Manches ist dann halt doch Glückssache.