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Unter Verdacht

Das Kind, es durfte nie die Tür zumachen. Es wurde älter und entdeckte sich selbst. Der Vater, er kam immer hinein. Wut stieg auf in dem Kind. Es durfte nie allein sein. Eines Tages schloss es die Tür ab. Aber es schämte sich sehr. Denn wenn die Tür zu ist, so dachte es, weiß der Vater, was ich tue. Das Kind schämte sich, den Vater auszuschließen. Die Gedanken des Vaters waberten durch die verschlossene Tür. Das Kind war unter Verdacht. Noch mehr, als entdeckt zu werden, schämte es sich, die Tür zu verschließen. Die Scham wuchs und wuchs. Entdeckt werden wollte das Kind nicht. Verdächtigt werden auch nicht. Die Türe abzuschließen hätte Entdecktwerden bedeutet. Das Kind sah keine Lösung. Also vergrub es seine Sexualität. Bis heute.Weiterlesen

Grausame Kreise – eine kurze Geschichte der Weihnachtseinsamkeit

Es war, als sei ich eines Tages, mitten im Leben, aufgewacht inmitten einer großen Leere. Wie konnte ich nur hierhin gekommen sein? Wo waren die anderen? Die anderen waren im Kreise ihrer Familie. Dort waren sie geboren, feierten ihre Feste, heirateten und...

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Das unerfüllte Bedürfnis

Unerfüllte Bedürfnisse begleiten uns unser Leben lang. In manchen Phasen denken wir nur darüber nach, wie wir unseren Schmerz am besten bewältigen können. Doch wir merken: Es sind Hintergrundschmerzen, die immer bei uns bleiben werden – mal mehr, mal weniger. Das Abwesende, das Nicht-Erlangte tut uns weh. Dabei ist Neid ein unglaublicher Schmerzverstärker. Wir glauben in unserem Schmerz, dass es nur uns so geht, dass die Hintergrundschmerzen der anderen erträglicher seien. Das Vergebliche schmerzt uns zutiefst. Können wir uns jemals damit anfreunden? Oder versöhnen?Weiterlesen

Dieser Zwang, zu zerstören: eine Vojtatherapie-Geschichte

Dieser Zwang zu zerstören entsteht nur aus Angst. „Nie wieder“ lautet das Ziel. Immer. Das Kind, es kann nur erahnen, wann der nächste Angriff kommt. Sein Schreien klingt wie eine Melodie. Erst zaghaft, fragend, klagend. Können die das wirklich wieder tun? Diesmal wird’s doch nicht so schlimm – oder? Doch, auch diesmal wird’s schlimm. Und erbarmungslos. Die Sprache, es gibt sie noch nicht. Kein Wort. Das Schreien steht auf. Das Kind, es schreit in Not. Alle hören es. Doch keiner hört hin. Keiner geht hin. Die Täter und Täterinnen machen weiter. Verzweiflung. Spitze, verzweifelte Schreie. Das hört niemals auf. Es geht um Leben und Tod. Um alles oder nichts. Es gibt kein Zeit-Erleben, kein Weiterleben. Sterben geht nicht, nur vielleicht. Totstellen geht nicht, weil der Druck zu Reflexen zwingt. Das Kind hat es schon oft probiert, das Totsein. Es ist alles unendlich. Es hört nie mehr auf. Weiterlesen

Die ausreichend gnädige Mutter

Die Mutter war außer sich. Schon wieder. Das Kind hatte alles falsch gemacht. Und doch hatte es etwas richtig gemacht: Weil es die Mutter nicht einschätzen konnte, machte es die Mutter wütend, damit es wusste, wo es dran war. Damit es Eindeutigkeit hatte. Doc...

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„Angststörung“ ist ein viel zu schwaches Wort

Es rumort. Tief drinnen im Bauch. Auch aus dem Herzen heraus. Außen nur ein löchriges Gefühl. Überall bröckelt es. Nichts kann mich ruhig machen. Ich zittere. Ein Kampf tobt in mir. Ein Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Leben und Tod. Das Böse ist vollkommen zerstörerisch. Aber nicht grob zerstörerisch. Es schwebt – innen und außen. Und ich frage mich, woher es kommt. Ich habe Angst, dass ein anderer mir Böses schickt. Dass ein anderer mich in seinen Händen hat. Mich steuert. Beängstigend. Die anderen sagen: „Das kann nicht sein. Ein anderer kann nicht Macht über dich übernehmen.“ Aber woher wollen sie das wissen? Meine Gefühle sind wie eine absolute Gewissheit. Eine innere Überzeugung, dass da ein anderer etwas mit mir macht. Ich spüre es genau. Werde ich so lebensfähig sein? Sterbefähig? Ein Zustand des unaufhörlichen Aufruhrs. Und auf dem Diagnose-Zettel steht einfach nur „Angststörung“.Weiterlesen

Warmer Dezembersturm

Das Kind, es hat niemanden, der es versteht. Niemanden, der mit ihm spricht, der es warmherzig umarmt und niemanden, der ihm Halt gibt. Das Kind, es friert fast das ganze Jahr. Nur manchmal, da stellt es sich an den Rand des weiten Feldes und lässt sich vom Wind umarmen. Der warme Dezemberwind nimmt das Kind in seine Geborgenheit. Er ist der Einzige, der es tröstet. Und als es einschläft, spürt es, wie der Wind es davonträgt.Weiterlesen

Einzelkind

Das Kind, es steht im Mittelpunkt. Ob gut oder schlecht: Die Eltern starren, beobachten, zupfen, küssen, streicheln, beschämen, lauschen, verfolgen, quälen, verlassen. Sie loben und schimpfen. Das Kind, es hat keinen eigenen Raum. Nur manchmal ganz oft, wenn ...

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Verlassen. Eine Novembermorgengeschichte

Ich steh im Wald. Und fühle mich verlassen. Und alt. Die Gedanken, sie drehen sich unaufhörlich in meinem Kopf. Meine Schale ist so hart. Da mag keiner durchdringen. Ich verschränke die Arme und behaupte, die Welt sei ungerecht. Die Sterne glitzern. Und endlich zieht der Morgennebel auf. Er hüllt mich ein. Ihm macht meine Schale nichts aus. Die warme Novemberluft streichelt mein Gesicht. Und die Tränen fließen in meinen Schal. Weiterlesen

Wüste

Es brennt brutal. Diese innere Hitze, diese innere Glut. Die Sehnsucht. So groß, dass sie alles um einen herum verschwimmen lässt. Keiner da. Man geht allein, schleppt sich allein, atmet schwer. Kein Ufer in Sicht. Fatamorganas ziehen vorbei. Plötzlich, wie im Traum, taucht in echt ein Mensch auf. Er steht ganz nah. Er macht Angst. Er merkt, dass er Angst macht. Er verschwindet wieder. Ruhig wird es. Nur noch der eigene Atem ist zu hören. Die Mauer der Angst ist zu hoch. Die Wüste, sie wird noch eine Weile dauern. (Text & Bild: © Dunja Voos) Weiterlesen