Das Schweben des Traums: Im Traum gibt’s selten Berührung und später erzählen wir den Traum mit einer komischen Stimme
Wir werden gejagt, aber selten gefangen. Träume zeichnen sich meistens dadurch aus, dass das Gefühl von echter körperlicher Berührung nicht zustande kommt. Eher sind wir im freien Fall oder wir träumen etwas Erregendes von einem anderen, ohne gänzlich befriedigt zu werden.
Es kann auch anders sein: Wir nehmen im Traum körperlich den Partner wahr, der neben uns liegt oder die Decke, die wir eng um uns geschlungen haben. Wenn wir körperliche Schmerzen empfinden, werden wir wach. Schmerzen werden im Traum oft „anders“ dargestellt, weswegen Freud den Traum als „Hüter des Schlafes“ bezeichnete. Auch Erinnerungen an gewaltsame Szenen können im Traum sehr stark werden, doch auch hier kommt es nicht wirklich zu Berührungsgefühlen. Träume von Flugzeugen, die auf einen zufliegen, enden meistens mit dem Wachwerden, bevor es zum Zusammenstoss kommt.
Auf X schrieb Herbert: „Meine Träume ähneln Filmen, wo ich eine Nebenrolle spiele.“
Wie erzählen wir unseren Traum?
Wenn wir dann wieder wach sind und von unserem merkwürdigen Traum erzählen, haben wir dabei oft eine säuselnde Stimme. Es ist eine ähnliche Stimme wie die, die wir aufsetzen, wenn wir von etwas Übersinnlichem oder Unheimlichem erzählen: Wir hauchen mehr, als das wir sprechen. Allein die Traumerzählung bekommt dann schon etwas Unheimliches.
Wenn wir schlafen und träumen, dann sind – je nach Schlafphase – unsere Muskeln mehr oder weniger gelähmt. Wenn wir jemanden hören, der im Schlaf spricht, ist seine Stimme sehr verändert. Sie ist uns dann ebenfalls unheimlich. Sie wirkt unkontrolliert. Manchmal merken wir, wie wir im Traum versuchen zu schreien, aber es geht nicht. Ebenso wie unsere übrigen Körpermuskeln sind auch die Kehlkopfmuskeln erschlafft und die Stimmbänder können – je nach Schlafphase – nicht die nötige Spannung aufbauen.
Wir erzählen Träume mit einer „sphärischen Stimme“ und zeigen damit, dass sie wie aus einer anderen Welt sind. Als wollten wir zeigen, wie un-heimlich sie uns selbst sind. Wenn wir uns an unseren Traum erinnern und ihn erzählen, dann wird unsere Stimme ähnlich schwebend wie unser Traum. Wir möchten, dass uns der andere versteht und nachvollziehen kann, wie wir uns fühlen. Wir geraten auch in der Erinnerung in einen ähnlichen Zustand wie im Traum. Dementsprechend verändern wir auch unsere Stimme, wenn wir von unserem Traum erzählen. Nicht immer, aber oft – je nachdem, wie nah oder fern uns unser Traum ist.
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Links:
Beer, G. (2014):
Dream Touch, 19: Interdisciplinary Studies in the Long Nineteenth Century
doi.org/10.16995/ntn.702
19.bbk.ac.uk/article/id/1509/
„The article analyses a number of diverse texts in which touch disturbs the threshold between sleep and waking.“
Anna C. van der Hejden et al.
Sensational Dreams: The Prevalence of Sensory Experiences in Dreaming
Brain Sci. 2024, 14(6), 533
doi.org/10.3390/brainsci14060533
www.mdpi.com/2076-3425/14/6/533
„Our findings show that vision was the most common sensory dream experience, followed by audition and touch. Olfaction and gustation were reported at equally low rates. Multisensory dreams were far more prevalent than unisensory dreams.“
Leila Salvesen et al.(2024):
Influencing dreams through sensory stimulation: A systematic review
Sleep Medicine Reviews, Volume 74, April 2024, 101908
doi.org/10.1016/j.smrv.2024.101908
www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1087079224000121
„We included 51 publications, of which 21 focused on auditory stimulation, ten on somatosensory stimulation, eight on olfactory stimulation, four on visual stimulation, two on vestibular stimulation, and one on multimodal stimulation. … The reported frequency of stimulus-dependent dream changes across studies ranged from 0 to ?80% …“
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 1.7.2020
Aktualisiert am 25.10.2025