CBASP – das kognitiv-behaviorale Analyse-System in der Psychotherapie hilft bei Chronischer Depression

James McCullough ist ein sympathischer Psychiater, der auf Youtube (Major Techniques of CBASP) erklärt, wie das von ihm entwickelte kognitiv-behaviorale Analyse-System in der Psychotherapie (CBASP) funktioniert. Er zeigt ein Video seiner beiden Enkelinnen im Alter von 3-4 Jahren. Die Kinder sind noch in der „präoperativen Phase“ (2-7 Jahre) nach Piaget (siehe Sensolern.de). Das bedeutet, dass sie eine gewisse Art zu denken haben – sie wissen z.B. noch nicht, warum die Kugeln in der Kugelbahn rollen, weil sie das Prinzip der Schwerkraft noch nicht erkennen. Zeigt man kleinen Kindern z.B. fünf Münzen in einer Reihe von 10 cm und dann fünf Münzen auf 15 cm verteilt, glauben sie, dass in der längeren Reihe mehr Münzen liegen. Es ist der alte Trick mit der Frage: Was ist schwerer: 10 kg Watte oder 10 kg Reis? James McCullough geht davon aus, dass chronisch Depressive nach schweren Traumata auf dieser Stufe des präoperativen Denkens stehengeblieben sind. Die CBASP ermöglicht ihnen eine Weiterentwicklung.

James McCullough erklärt, wie schwierig die Arbeit mit chronisch depressiven Menschen sein kann. Viele sprächen in Monologen „zu einem“, jedoch nicht „mit einem“. Nicht wenige erzählten jedem Dasselbe, Hauptsache der andere höre ihnen zu, so McCullough. Dieses „Nicht-Wahrnehmen des Anderen“ finden wir auch in der Psychoanalyse, wenn Patienten z.B. den Analytiker nur als beruhigendes „Teil-Objekt“ betrachten, jedoch den ganzen Menschen mit eigenen Interessen noch nicht erkannt haben. Auch in diesem Fall ist ein echter Austausch häufig noch nicht gut möglich. Die Betroffenen kleben zudem häufig an Alltagsgeschehnissen. Aus Sicht der Psychoanalyse wollen sie häufig auch nichts anderes wissen (Nicht-Wissen als Abwehr, Minus-K nach Bion). So kommen viele Betroffene auch mit anderen Menschen nicht wirklich in Kontakt.

Es sei, als hätten der Therapeut und der chronisch depressive Patient zwei völlig verschiedene Welten, so McCullough. Der Patient sei verschlossen, mache zu und lasse den Therapeuten an sich abprallen. Der Therapeut könnte dann versucht sein, enttäuscht mit Abwendung zu reagieren. Doch der Psychotherapeut macht es bewusst anders: Er schafft eine sichere Atmosphäre und spricht zum Patienten sozusagen von einem höheren Niveau aus – von einem Niveau des abstrakten Denkens.

Es sei nicht ganz klar, wie es funktioniere – doch es funktioniere, so McCullough im Video: In der sicheren Atmosphäre im Zusammensein mit dem Psychotherapeuten reife der Patient nach. Auch hier denke ich an Erfahrungen aus der Psychoanalyse: Man braucht dem Patienten nicht alles zu sagen. Eine Deutung wirkt manchmal auch dann, wenn der Therapeut sie einfach nur denkt.

Aus einem Entweder-Oder wird mit zunehmender Reife ein „Sowohl-als-auch“. Aus der ganzen, geschlossenen Welt des Patienten, in der er mit Begriffen wie „Immer, Überall, Jeder, Ganz sicher“ arbeitet, wird häufig eine relativere Welt, in der der Patient sagen kann: „Hier ist es glaube ich nicht so. Früher, bei meinen Eltern war es oft so.“ Oder: „Manchmal ist es bei einigen Menschen vielleicht so, aber manchmal auch nicht.“

Genau wie Kinder irgendwann lernen, welche Ursachen zu welchen Folgen führen, so lernt der Patient in Situationsanalysen auch, dass seine eigenen Handlungen und Verhaltensweisen Konsequenzen in der Beziehung haben. Auch hier wieder ist die Nähe zur Psychoanalyse erkennbar.

Eine wichtige Intervention bei der CBASP ist die Interpersonal Discrimination Exercise, also die Übung zur interpersonalen Diskriminierung (= Unterscheidung). Der Therapeut interveniert so, dass der Patient sehen und empfinden kann: „Meine Eltern/meine Angreifer waren vielleicht so, aber mein Therapeut hier ist anders.“

Was jedoch so einfach klingt, ist aus psychoanalytischer Sicht gar nicht so einfach, denn der Therapeut empfindet in der Gegenübertragung vielleicht manchmal genau das, was auch die ursprünglichen Angreifer spürten, z.B. Resignation oder Aggression. Auch in der Psychoanalyse fragt der Analytiker den Patienten: „Und wie ist es hier und jetzt bei mir? Sie fragen sich vielleicht, ob ich auch so einer bin, der Sie angreifen will.“ Doch der Analytiker stellt erst solche Fragen, wenn er bei sich selbst überprüft hat, in welcher Stimmung er ist und was er in der Gegenübertragung gegenüber dem Patienten empfindet. Man kann also dem Patienten nicht einfach sagen: „Hier bei mir ist es anders“, wenn es innerpsychisch gerade vielleicht gar nicht anders ist. Ich glaube, der Therapeut braucht gerade hier genügend Selbsterfahrung, um in dieser Weise effektiv arbeiten zu können.

James McCulloughs Video ist auf jeden Fall sehr sehenswert und lehrreich.

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