Buchtipp: Mein größtes Rätsel bin ich selbst
Psychoanalyse sei eigentlich eine „Heilung durch Liebe“, schrieb Sigmund Freud im Brief an C.G. Jung am 6.12.1906. Daran musste ich denken, als ich das Buch „Mein größtes Rätsel bin ich selbst“ (Verlag Hanser, 2023) las. Es erzählt berührende, wahre Therapiegeschichten, die erahnen lassen, wie bedeutsam die Psychoanalyse für den Einzelnen werden kann. Die Psychoanalytikerin Cécile Loetz und der Psychoanalytiker Jakob Müller, Gründerin und Gründer des Podcasts „Rätsel des Unbewussten“, haben mit ihrem Buch etwas ganz Wunderbares geschafft: Sie bringen dem Leser die Psychoanalyse näher und bewirken durch die Art ihrer Sprache gleichzeitig, dass das Gefühl von innerer Bewegung entsteht. Man kann den Geschichten folgen und dabei auch für sich selbst Einsichten gewinnen.
Bisher habe ich nur die Geschichte von „Alya und Shadi“ (S. 155-214) gelesen – von einer Mutter und ihrem sechsjährigen Sohn aus Syrien. Der Sohn spricht nicht mehr, die Mutter ist erkaltet. Durch die psychoanalytische Kindertherapie von Shadi können beide langsam wieder aufwachen, weicher werden und die Trauer über den im Krieg verstorbenen Vater zulassen.
Die Geschichte lässt den Leser regelrecht fühlen, warum eine psychoanalytische Therapie sich über Jahre erstreckt. Immer wieder erreicht die Therapie spannende Punkte, an denen es ein Drama wäre, würde die Therapie vorzeitig beendet werden müssen. Streckenweise droht die Therapie zu zerbrechen – nämlich dann, als das bisher Unaussprechliche sich seinen Weg in das bewusste Erleben und seine Sprache bahnt. Zunächst Unverständliches, fast „Verrücktes“ wird mit der Zeit logisch und verständlich und findet in befreienden „Aha-Momenten“ seine Lösung. Der Leser kann sich berühren lassen von der Kreativität und der spielerischen Lebendigkeit der Therapeutin, der es in schwierigen Phasen gelingt, Mutter, Sohn und sich selbst als Therapeutin zu „halten“. Diese Geschichte zeigt, wie lohnend die psychoanalytische Arbeit sein kann und wie sie den Grundstock für ein sinnvolles Leben legen kann, reich an Beziehung und artikulierbaren Emotionen.
Ich bin mir sicher, dass die anderen Episoden dieses Buches genau so berührend sind und kann das Buch jedem empfehlen, der gerne lehrreiche, wahre Geschichten liest und der es genießt, über die wundersamen Wege der Seele zu staunen.
Links:
Cécile Loetz und Jakob Müller (2023):
Mein größtes Rätsel bin ich selbst
Die Geheimnisse der Psyche verstehen
Verlag Hanser, 1. Auflage 2023
Cécile Loetz und Jakob Müller:
Rätsel des Unbewussten
Podcast zur Psychoanalyse und Psychotherapie
https://psy-cast.org/de/
2 thoughts on “Buchtipp: Mein größtes Rätsel bin ich selbst”
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Lieber Herr Unkauf, ich denke, mögliche Ähnlichkeiten rühren daher, dass die psychoanalytische Sprache, die wir verwenden, manchmal ähnlich ist. Cécile Loetz und Jakob Müller haben beide die Ausbildung bei der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) gemacht und abgeschlossen. Auch ich war 10 Jahre lang in der Ausbildung bei der DPV (bin jedoch ohne Abschluss).
Manchmal frag ich mich ob die podcasts von denen zwei von Ihren Texten abgekupfert sind? Auf jeden Fall sind ihre und deren Schöpferischen Werke wirklich brauchbar als Betroffener, manchmal hab ich den Eindruck das bei ihnen aber das heile zu kurz kommt, sie erfassen zwar viel, aber in meiner Interpretation eher grau und stumpf als wohlig und heilend. Ich wünsche ihnen auf jeden Fall viel Kraft