Wie Psychotherapeuten ihre Mimik in der Psychotherapie einsetzen können

Wie entscheidend die ersten drei Lebensmonate für unsere psychische Entwicklung sind, zeigt die Säuglingsforscherin Beatrice Beebe eindrucksvoll in ihrem Video „Decoding the nonverbal language of babies“ (2019, Youtube). Wenn man als Baby keine ausreichend einfühlsamen Eltern hatte – ist dann alles verloren? Mimik und Gestik der Mutter/des Vaters (oder jeder anderen nahen Bezugsperson) entscheiden mit darüber, ob sich ein Kind verstanden, geborgen oder verloren fühlt. Doch nicht nur die Mutter beeinflusst ihr Kind, sondern auch das Kind hat Einfluss auf die Mutter. In der Psychotherapie können bewusst neue Erfahrungen mit der Mimik ermöglicht werden.

Beatrice Beebe zeigt Beispiele von geglückter und von missglückter Face-to-Face-Kommunikation. Vieles wird erst in der Zeitlupe von Sekunde zu Sekunde sichtbar.

Bei der gut passenden Kommunikation bekommt die Mutter mit, wenn ihr Kind den Kopf wegdreht und Rückzug braucht. Dann kann sich auch die Mutter etwas zurücklehnen und eine träumerische Haltung einnehmen. Kommt das Baby wieder zurück in den Kontakt, reagiert die Mutter mit einem „Willkommen“.

Das leere Gesicht

In der Video-Aufnahme mit einer frühtraumatisierten, depressiven Mutter, ist die Hoffnungslosigkeit der Mutter in ihrem Gesicht zu sehen. Die Mutter zieht sich in sich zurück, wird in negativer Weise „träumerisch“ und denkt: „Das ist zu viel für mich. Ich will Dich so nicht.“ Andererseits reagiert die Mutter in übertriebener Weise auf die erneute Kontaktaufnahme des Babys mit ihr. Diese Überreaktion erschreckt das Kind. Manchmal lacht die Mutter an unpassenden Stellen, wobei das Kind im Video fast wie ein Erwachsener seine Hand auf sein Gesicht legt, als wollte es sagen: „Oh mein Gott.“

Das lebendige Gesicht

Wohl wissend, dass so manch ein Patient als Baby eine unpassende Kommunikation erlitten hat, kann die achtsame Gesicht-zu-Gesicht-Kommunikation in der Psychotherapie heilsame Wirkung haben. Aus den Videos von Beatrice Beebe können Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen viel lernen. Wichtig ist es, in der Mimik passend auf den Patienten zu antworten, ohne ihm zu ähnlich oder zu fremd zu sein. Meistens passiert das natürlicherweise, ohne darüber nachzudenken.

Beebe zeigt, wie unpassend es ist, wenn ich ein besorgtes Gesicht mache, und der andere ein versteinertes Gesicht aufsetzt. Wenn ich besorgt bin und der andere fängt an zu lachen oder er wendet sich ab, dann bekomme ich ein ungutes Gefühl. Wenn ich jemanden anlächele und der andere lächelt nicht zurück, fühle ich mich komisch, fremd, irritiert, enttäuscht und vielleicht ärgerlich. Wir wissen das alles. Doch es kann sehr lohnend sein, in der Psychotherapie auf Gestik, Mimik, Körperhaltung und Stimme zu achten.

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 7.6.2023

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