Wie kann ich meine Impulse in der Gruppe aushalten? Oder: In Balintgruppen auf die Sachfragen verzichten

In Balintgruppen stellen Therapeuten ihre Patienten vor. Sie erzählen von einer Szene, die sie bewegt. Dann sollen sie sich schweigend zurückziehen und hören, was die Gruppe dazu sagt. Manche Gruppenleiter fügen noch eine „Sachfragen-Runde“ ein: „Hat noch jemand aus der Gruppe eine sachliche Frage zu dem Erzählten?“ Hier kann derjenige, der den Patienten vorgestellt hat, „falsch“ Verstandenes noch korrigieren. Damit geht jedoch auch eine wichtige Spannung verloren. Gruppenleiter, die keine korrigierende Sachfragen-Runde einlegen, „verdammen“ den Erzähler somit dazu, in Anspannung zu verharren.

Es ist, als würde sich der Erzähler einen Film anschauen. Wir kennen es alle aus dem Kino: Als Zuschauer könnte ich der Filmfigur vieles verraten und ich könnte vieles richtigstellen. Ich würde als Zuschauer am liebsten rufen: „Tu das nicht! Ich weiß schon, was wirklich passiert ist. Ich kenne die Wahrheit, bitte entscheide Dich doch richtig, bitte sag doch, was wirklich los ist!“

In genau diese Spannung kommt der Erzähler, wenn er etwas zurückversetzt der Gruppe zuhört, wie sie über den Therapeuten und den Patienten diskutiert. Man könnte platzen, während man da im Hintergrund sitzt und nichts sagen darf. Diese Situation ist eine wunderbare Gelegenheit, um mit der Aggression und Anspannung umzugehen, die dann entsteht.

Am meisten hilft es, die Aggression genau zu fühlen und das Denken einzuschalten.

Wenn ich gleichzeitig meine inneren Vorgänge wahrnehme und darüber nachdenke, warum die Gruppe so „falsch“ denken mag, kann ich meinen Ärger und die Anspannung kanalisieren. Oft haben nämlich die Missverständnisse, die „Verhörer“ und die „falschen Ideen“ sehr viel mit dem Patienten zu tun, der vorgestellt wurde.

Unklarheiten, Ungerechtes und Falsches lässt uns verzweifeln

Der Phantasieraum wird von der Gruppe eröffnet. Und die Balintgruppe ist oft viel effektiver, wenn die Spannungen ausgehalten werden können. Am Ende, wenn der Erzähler wieder in die Gruppe einbezogen wird und von seinen Gefühlen und Eindrücken erzählen darf, kommt oft erleichterndes Verstehen. Dieser Lohn ist viel größer als die vermeintliche Erleichterung, die man zu spüren meint, wenn man direkt die „Fehler“ klarstellt und Unklares beantwortet.

Das Gefühl der Unstimmigkeit lässt uns fast platzen. Doch was, wenn wir dem standhalten?

Anspannungssituationen kommen oft im Alltag vor und es ist immer wieder eine Herausforderung, die Anspannung zu meistern und nicht direkt den aggressiven Impulsen zu folgen. Es ist schwer, etwas nicht sofort klarstellen zu können, wenn wir „Unrecht“ sehen.

Wer früh traumatisiert wurde und leicht in Anspannungsgefühle gerät, kann diese Tatsache mit in seine Überlegungen einbeziehen. Es kann die tiefe innere Überzeugung helfen, dass innerer Stress so gut wie nie etwas bringt. Was wir mit unserem Geist tun, ist oft viel wichtiger als das, was wir aktiv und „wirklich“ tun. Doch der Körper ist in Alarmbereitschaft, die Ungerechtigkeit schreit zum Himmel hinaus.

Wer frühe Traumata erlebt hat, der weiß: Hätte man nicht geschrieben, hätte man sich körperlich nicht gewehrt, wäre die Situation schlimm ausgegangen.

Auch Kriegstraumatisierte spüren diesen Drang, sich zu wehren und den Mund aufzumachen, oft sehr stark. Auch aktuellen Situationen kann man sich bedroht fühlen: Wenn ich jetzt meinem Partner/meinem Chef nicht dieses oder jenes sage, dann passiert etwas Schlimmes, denken wir.

Doch das ist so oft nicht der Fall. Wenn es uns gelingt, unsere innere Kraft zu aktivieren und den Sturm abzuwarten, so kann sehr viel gewonnen sein.

Manchmal reicht auch das bewusste innere Beobachten aus, um sich zu halten. Die Sorge, wir könnten dabei tot umfallen, ist vor allem bei schwer traumatisierten Menschen immer da und auch berechtigt, denn schließlich wird das Herz dabei belastet. Wenn es Dir so geht, dann gilt es, das innerlich zu würdigen. Wir haben alle unsere Grenzen und wenn wir aufgrund unserer inneren Verletzungen „Choleriker“ sind, ist das sehr schwer zu ändern. Man braucht dazu oft neue innere Repräsentanzen – also so etwas wie eine inneres Gegenüber, das uns ernstnimmt und versteht oder so etwas wie eine innere Stimme, die gut zu uns spricht und ohne Verharmlosung so etwas sagt wie: „Ach Schätzchen …“

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