Psychobiom: Darmflora beeinflusst die Psyche und umgekehrt

Wenn wir Antidepressiva nehmen, dann kann uns das ganz schön auf den Darm schlagen. Lange wurde die Wirkung von Antidepressiva damit erklärt, dass sie einen angeblichen Serotoninmangel im Gehirn ausgleicht. Diese Theorie wird inzwischen angezweifelt (Benjamin Ang et al., 2022). Interessant bei den Überlegungen jedoch ist, dass im Darm selbst Serotonin produziert wird. („The gut provides approximately 95% of total body serotonin, most of which exists in plasma.“ Jeremy Appleton: The Gut-Brain Axis: Influence of Microbiota on Mood and Mental Health, Integr Med (Encinitas). 2018 Aug; 17(4): 28–32). Was im Darm passiert, beeinflusst unsere Psyche enorm – und umgekehrt: Unser psychischer Zustand hat auch Auswirkungen auf den Darm.

Diese „Darm-Hirn-Achse“ ist hochkomplex und wird stückweise erforscht. Jeder Mensch hat eine individuelle Zusammensetzung verschiedenster Darmbakterien. Diese sogenannte Darmflora bestimmt mit, ob wir uns depressiv, munter oder ängstlich fühlen. Das „Mikrobiom“, also die Gemeinschaft der Kleinstlebewesen im Darm (Bakterien, Pilze), das Einfluss auf unser psychisches Befinden nimmt, wird „Psychobiom“ genannt.

Das Forscherteam um die Psychiaterin Ilaria Matarazzo hat hierzu einen ausführlichen Artikel geschrieben. Darin heißt es, dass das Mikrobiom die Psyche über verschiedene Wege beeinflussen kann: über das Immun- und Hormonsystem sowie über verschiedene Stoffwechselwege. Das Mikrobiom könne deutliche Effekte bei psychischen Störungen bewirken. Es hat Einfluss auf entzündliche Prozesse (Neuroinflammation) und die Produktion von Neurotransmittern. Die Forscher untersuchen das Zusammenspiel zwischen Polyphenolen (= bestimmte Pflanzenstoffe) und der Darm-Hirn-Achse.

„Microbiome influencing the mind via immune, endocrine and metabolic signalling, is able to exert some clinical effects in different mental diseases. It releases endocrine substances through several pathways involved in the modulation of neuroinflammation and production of several neurotrasmitter precursors. It has recently been named psychobiome. It is known that phenolic compounds are able to influence microbiome proliferation and to exert several roles, especially regarding neuroinflammation in depressive and anxious behaviour. … The aim of this study is to highlight the interaction between polyphenols and microbiota-gut-brain axis.“

Ilaria Matarazzo et al. (2018):
Psychobiome Feeding Mind: Polyphenolics in Depression and Anxiety
December 2018: Current Topics in Medicinal Chemistry 19 (24)
DOI:10.2174/1568026619666181210151348
https://www.researchgate.net/publication/329565478_Psychobiome_Feeding_Mind_Polyphenolics_in_Depression_and_Anxiety

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Weitere Literatur:

Giuseppe De Benedittis (2021):
Hypnobiome: A New, Potential Frontier of Hypnotherapy in the Treatment of Irritable Bowel Syndrome— A Narrative Review of the Literature
International Journal of Clinical and Experimental Hypnosis
Volume 70, 2022 – Issue 3
https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/00207144.2022.2094269

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 20.2.2023
Aktualisiert am 30.3.2023

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