Die Angst vor den eigenen Händen

Manchmal schauen wir unsere Hände an und finden sie unheimlich. Bin ich das, der diese Hand bewegen kann? Wir spüren unsere Subjektivität, weil wir unseren Willen direkt an unseren Handbewegungen sehen können. Wir sehen, dass wir leben. Und manchmal wollen wir das gar nicht. Das Baby, das im Mutterleib das erste Mal seine Händchen bewusst entdeckt, fühlt sich vielleicht auch so. Doch wie wir zu unseren Händen stehen, hängt auch damit zusammen, wie wir angeblickt werden.

Hat sich unsere Mutter über uns im Bauch gefreut? Hat sie sich an unserer Subjektivität erfreut? Oder war es ihr unheimlich? Freud sagt, dass das Unheimliche oft das ist, was uns einst sehr vertraut war. Als wir noch nicht über unsere Hände nachdachten und sie uns nicht bewusst waren, waren sie uns vielleicht sehr vertraut. Sie waren selbstverständlich da.

Hände stehen für Forschergeist, Entdeckungsdrang, für Begreifen, Berühren, Zeigen, Festhalten, Loslassen, aber auch für Kämpfen.

Es gibt das „Fremde-Hand-Syndrom“, ein neurologisches Erscheinungsbild, bei dem die eigene Hand als nicht zu einem selbst zugehörig erscheint, nachdem unser Gehirn zu Schaden gekommen ist, z.B. nach einem Unfall. Es gibt Experimente, bei denen mit Spiegeln und der Hand von einem anderen der Effekt auftritt, dass wir die fremde Hand für unsere eigene halten.

Es ist kompliziert mit den Händen. Auch bei der Depersonalisation schauen wir mitunter auf unsere Hände. Sie erscheinen uns fremd. Oder erscheinen sie uns als so sehr zu uns gehörend, dass wir an unserem unheimlichen Selbst leiden? Interessant, dass das Wort „Hand“ in so vielem steckt: in der Manipulation (Manus = lateinisch: Hand), in Masturbation und gehört auch in „Manie“, doch „Manie“ kommt vom Griechischen: „mania“ = Wut, Raserei, Wahnsinn. In der Manie fühlen wir uns unabhängig von anderen Menschen – wir scheinen endlos kraftvoll zu sein.

Die Angst vor der eigenen Hand ist oft dann wieder verschwunden, wenn wir sie gebrauchen können, z.B. wenn wir nach einem Glas Wasser greifen, einen Hund streicheln oder ein „Hand-Werk“ ausüben. Dann können wir sie wieder fühlen und selbstverständlich nutzen und müssen nicht mehr in quälender Weise über sie nachdenken.

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