
Das Schwierigste, worüber man in einer Partnerschaft wohl sprechen kann, ist über die Beziehung selbst. Man denkt etwas über eine gemeinsame Szene, es ist einem etwas peinlich oder man denkt etwas Peinliches über den anderen – doch wie soll man es sagen? Loriot hat in seinem Sketch „Die Nudel“ (Facebook) so gut auf den Punkt gebracht, wie schwierig es sein kann, im Moment zu sagen, was man am anderen oder an sich selbst entdeckt. „Da steht etwas zwischen uns“, sagen wir. In einer Partnerschaft taucht etwas auf, das man im Single-Leben für sich allein nicht hat: Ein zusätzliches inneres Kästchen, ein Raum in sich, in dem man über sich, den anderen und die Beziehung nachdenkt.
Es gebe in der Partnerschaft auch Dinge, die solle man für sich behalten, sagen Paarberater häufig. Jeder habe ein Recht auf seinen Privatraum.
Es gibt jedoch viele Privaträume. Es ist etwas anderes, ob ich eine Kindheitserinnerung habe, die ich für mich behalte, ob ich eine Affäre habe oder ob ich etwas über den anderen denke, das ich für mich behalte. Angeblich habe der Schriftsteller Arthur Schnitzler (1862-1931, Wikipedia) seine Frau bei einem Seitensprung ertappt und diese Beobachtung ein Leben lang für sich behalten (Quelle: Der Philosophiekalender, Harenberg, 16.2.2022).
Jeder darf auch für sich sein
Umgekehrt solle man beim anderen auch nicht bohren und nicht fragen, fragen, fragen, bis der andere sich völlig ausgeliefert fühlt. Wie ist es mit diesem neuen Raum, der in einer Partnerschaft entsteht? Einer Art Zwischenraum, in dem die bewussten, unbewussten und geheimen Dinge landen?
Ich denke manchmal an die Psychoanalyse und die Grundregel, dass man dort alles sagen soll, was immer einem einfällt. Doch wie kann man sich dann noch abgrenzen? Und wie unterscheidet sich eine Partnerschaft von der befreienden Situation einer Psychoanalyse, in der man alles sagen kann, weil man nach 50 Minuten wieder geht und der Analytiker Geld dafür bekommt? Die Beziehung in der Psychoanalyse ist asymmetrisch, was es einem leichter macht, alles zu sagen.
Die Dinge in sich bewegen und bewegen lassen
In einer Partnerschaft entsteht ein neuer Raum, der wachsen kann und in dem gefühlt werden kann. Wann ist etwas reif, gesagt zu werden? Was behalte ich in diesem Raum, wo treffen sich die beiden Räume des Ungesagten? Was behält wohl der andere für sich? Schmerzt der Gedanke, nicht alles zu wissen?
„Ich mache mal die Tür zu. Dann kannst Du ein bisschen für Dich sein.“
Dass man auch als Paar aus zwei getrennten Menschen besteht, ist manchmal sehr schmerzhaft zu fühlen.
Vielleicht ist die Frage, was man für sich behält und was man teilt, mit die schwierigste in einer Beziehung. Manchmal fühlt man sich vielleicht völlig frei und hat das Gefühl, es ist alles geklärt. Und manchmal drückt das innere Kästchen, ohne dass man so recht weiß, warum und wie man damit umgehen soll.
Stillwerden könnte hier die Lösung sein. Im Stillwerden kann ich verdauen, Dinge verarbeiten, Dinge wachsen und sich verändern lassen. Vieles erscheint im Laufe der Entwicklung in einem neuen Licht. Ein Paar entwickelt sich gemeinsam und die Gelegenheit, Dinge zu sagen, kommt. Wenn es gesagt ist, entsteht eine neue Situation, in der es wieder neue Entwicklungsmöglichkeiten und Räume gibt. Oft ist die Erleichterung groß.
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