
Das Dunkle macht uns Angst. Große Angst macht uns besonders das Dunkle in uns selbst. Manchmal haben wir vielleicht Sorge, das Dunkle in uns könnte sich immer weiter ausdehnen und uns verschlucken. Das Dunkle steht – ähnlich wie das Wasser – für das Unbewusste, aber auch für das Bedrohliche und das Böse. Wenn wir aggressiv sind, dann haben wir das Gefühl, „böse“ zu sein. Dann kann die Angst vor dem Dunklen auftauchen. Das Dunkle, Schwarze, steht aber auch für die Trauer, wohingegen „das kleine Schwarze“ mit sexueller Verführung assoziiert wird.
Die Depression wird oft auch als „dunkles Loch“ bezeichnet. Wir haben Angst, dort hinein gezogen zu werden. Ein schwarzes Loch ist aber auch die Pupille im Auge. Menschen mit psychotischen Ängsten malen auf Bildern oft Augen, die sie anstarren. Wenn wir in die Pupille eines Menschen sehen, haben wir vielleicht das Gefühl, direkt Eingang in seine „dunkle Seele“ zu haben. Doch auch das Gegenteil kann der Fall sein: Der Blick in die Augen eines Selbstporträts des Malers Hans-Joachim Stahlberg schmerzte mich in meiner Faszination.
Das Dunkle steht aber auch für Hohlräume in unserem Körper, also z.B. für das Darmrohr, den Magen, die Gebärmutter, den Mund, die Speiseröhre oder die Blase.
Strahlende und betrübte Gesichter
„Du strahlst ja wie die Sonne“, sagen wir, wenn es jemandem richtig gut geht. Das Gesicht der wohlgesonnenen Mutter erscheint dem Säugling wie die Sonne selbst. Ist die Mutter depressiv, verdunkelt sich ihr Gesicht. Die Angst vor der „schwarzen Sonne“ kann geboren sein. Dazu gehört auch die Angst vor der Sonnenfinsternis.
Dunkelschwarz ist auch das Weltall. Wenn wir uns verloren fühlen, stellen wir uns vielleicht manchmal vor, wir schwebten im Weltall, ganz einsam und verlassen. Verlassenheitsgefühle können die Angst vor der Dunkelheit wecken.
Dunkel wird es auch, wenn wir die Augen schließen – die Angst vor der Dunkelheit spiegelt auch die Angst vor dem Schlaf und dem Tod wider. Blind zu sein ist für viele Menschen die schlimmste Vorstellung, die es gibt. Menschen jedoch, die von Geburt an blind sind, fühlen sich mitunter wie Sehende. Ich hörte einmal, wie der blinde Bergführer Andy Holzer sagte, dass es für ihn genauso komisch sei wie für einen Sehenden, wenn er die beiden Worte „lila Apfel“ hören würde.
Das Dunkle repräsentiert das Nichts. Es ist nichts da, was uns stören könnte. Das kann beruhigen oder auch Angst machen. Es ist nicht leicht mit dem Dunklen.
Schwarzes Vertrautes
Im Radio hörte ich einmal in einer Morgenandacht, dass der Wissenschafts-Astronaut Gerhard Thiele gesagt haben soll, dass das Schwarze im Weltall für ihn etwas sehr Vertrautes hätte und dass es so etwas wie ein Zuhause gewesen sei. Wenn wir schwarze Zahlen schreiben, können wir beruhigt sein, denn sie bedeuten, dass Geld da ist. Das Schwarze wird häufig auch mit Ruhe assoziiert. Wenn wir ins Schwarze treffen, haben wir den Punkt erfasst, um den es geht.
Schwarze Löcher sind uns ein Rätsel. Wer da hineingerät, findet nie wieder heraus. Wir haben mitunter Sorge, dass sich das Schwarze, das Dunkle in uns ausdehnt. Wir können es beobachten. Meistens findet es seine natürliche Grenze.
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