Psychose und Luzides Träumen: Menschen mit Psychose können gut luzide träumen

Traum und Psychose ähneln sich auf vielfache Weise – beispielsweise nimmt der Psychotiker Sinnesreize wahr, obwohl objektiv keine Reize von außen kommen. Auch im Traum ist das so: Wir hören, sehen, fühlen etwas, ohne dass es eine offensichtliche Reizquelle im Außen gibt. Bei genauerer Untersuchung finden sich beim Traum jedoch häufig doch Außenreize, die unterschiedlich innerlich verarbeitet werden. Ein Träumer erzählte kürzlich, dass er ein helles Licht am Ende eines Tunnels sah und als er wach wurde, sah er, dass der Vorhang nicht richtig geschlossen war und das Morgenlicht bereits hereinschien.

Sowohl im Traum als auch in der Psychose wird vieles quasi „kritiklos“ hingenommen. Gegensätze werden akzeptiert: Im Traum können wir gleichzeitig Kind und erwachsen sein oder wir sind gleichzeitig hier und dort. Für das kritische Denken ist das Frontalhirn zuständig – seine Aktivität ist sowohl beim Träumen als auch in der Psychose reduziert. Insbesondere in der REM-Phase (Rapid-Eye-Movement-Phase) des Schlafs ist die Aktivität des Frontalhirns herabgesetzt. In der REM-Phase sind die Träume häufig besonders aktiv, aber wir merken nicht bewusst, dass wir träumen.

Wenn Forscher das präfrontale Gehirn während der REM-Phase elektrisch stimulieren, dann kann der Träumer seinen Traum als Traum wahrnehmen. So wird künstlich „Luzides Träumen“ hergestellt.

Wenn wir im Traum wahrnehmen, dass wir träumen, spricht man vom „Luziden Träumen“ (Lucid Dreaming, LD). Hier ist ebenfalls ein Teil des Frontalhirns, nämlich die präfrontale Hirnrinde (= der präfrontale Cortex) besonders aktiv.

Wenn Psychotiker eine geringe Aktivität im Frontalhirn haben, kann man davon ausgehen, dass sie auch seltener oder weniger intensiv luzide träumen. Oder anders gesagt: Menschen mit einer milderen Ausprägung von Psychose könnten häufiger oder intensiver luzide träumen als Menschen, die von einer schweren Psychose betroffen sind.

Die Studie

Dies wollten Wissenschaftler um Natalia B. Mota, Brasilien, genauer wissen. Sie untersuchten 45 Patienten mit psychotischen Symptomen (25 Patienten mit Schizophrenie, 20 Patienten mit bipolarer Störung). Als Kontrollgruppe dienten 28 gesunde Menschen.

Das interessante Ergebnis: Psychotiker hatten häufiger die Kontrolle über ihre luziden Träume als Nicht-Psychotiker. Zu beachten dabei ist, dass die Patienten unterschiedliche Medikamente einnahmen.

In dieser Studie kam Luzides Träumen also besonders deutlich bei Psychotikern vor. Die Hypothesen, von denen die Forscher ausgegangen waren, erwiesen sich also als nicht richtig. Die Forscher gehen davon aus, dass Psychotiker die innere Welt stark über die äußere Realität stellen. So schließen sie aus den Ergebnissen auch, dass Luzides Träumen möglicherweise gesunde Menschen psychologisch stärkt, dass es jedoch bei Psychotikern die Neigung zu Halluzinationen noch steigert, weil die innere Realität zu leicht mit der äußeren Realität verwechselt werde.

Quelle:

Mota, Natalia B. et al. (2016)
Psychosis and the Control of Lucid Dreaming
Front. Psychol., 09 March 2016 | https://doi.org/10.3389/fpsyg.2016.00294
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2016.00294/full

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