
Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine psychische Störung, die nach einer seelischen Verletzung (Traumatisierung) auftreten kann. Eine PTBS kann sich nach einem einzigen Ereignis, z.B. nach einem Autounfall, entwickeln. Sie kann jedoch auch die Folge von wiederkehrenden seelischen Verletzungen sein. Menschen, die in ihrer Familie offene Gewalt erlebt haben, können genauso von einer PTBS betroffen sein wie Menschen, die als Kind vernachlässigt wurden. Bei einer „Ansammlung“ von Traumata – meist im frühen Kindesalter – entsteht eine „komplexe Posttraumatische Belastungsstörung“ (kPTBS).
Viele Menschen sind auch dadurch traumatisiert, dass sie dem Leiden anderer Menschen zusehen mussten.
Einschneidende Erlebnisse mit Folgen
Oftmals zeigen Menschen in einem katastrophalen Moment eine sogenannte „peritraumatische Reaktion“. Sie erleben Angst und Schrecken, sehen sich „von außen zu“, erstarren oder reagieren körperlich, z.B. mit Übelkeit, Erbrechen oder Atemnot. Nach wenigen Tagen oder Wochen folgt dann eine „akute Traumareaktion“ mit Schlafstörungen, Grübeln, oder intensiven inneren Bildern, die immer wieder an das dramatische Ereignis erinnern.
Die akute Trauma-Reaktion kann nach einigen Tagen oder Wochen wieder abklingen. Manchmal bleibt sie jedoch hartnäckig bestehen und es entwickelt sich eine posttraumatische Belastungsstörung.
Viele Menschen kommen auch daher nicht zur Ruhe, weil sie immer wieder neue Traumata erleben. Manche Verletzungen sind offensichtlich, weil sie mit Gewalt und Schrecken einhergehen. Doch immer wiederkehrende, von außen kaum sichtbare Verletzungen, können ebenso verheerend auf die Psyche wirken.
Typische Symptome der PTBS
Bei den Symptomen der PTBS sprechen Psychologen auch vom „Intrusiven Syndrom“. Das bedeutet, dass sich die Erinnerungen als „Flashbacks“ aufdrängen. Immer wieder kehren die schrecklichen Bilder zurück und bewirken, dass der Betroffene schreckhaft ist, unter Ängsten leidet und von Alpträumen geplagt wird.
Die Betroffenen sind übererregt, angespannt und gereizt. Der Körper reagiert deutlich: mit Herzrasen, Zittern oder Verdauungsstörungen.
Diese Situation führt dazu, dass sich die Betroffenen mehr und mehr isolieren – sie ziehen sich aus dem Gesellschaftsleben zurück.
Manche schwer traumatisierten Menschen haben keine Flashbacks und können auch kein spezielles Trauma eingrenzen oder benennen. Sie spüren nur, dass da etwas Unaushaltbares ist.
Traumatische Erlebnisse können abgekapselt werden. Die Betroffenen können sich daran zwar „irgendwie erinnern“, es ist auch „irgendwie“ in Bildern in ihren Kopf vorhanden, aber sie haben keinen Zugang dazu. Sie haben vielleicht psychische Symptome wie Ängste oder Zwänge, können diese aber nicht mit ihrem Trauma in Verbindung bringen.
Viele bringen ihr Trauma nicht zur Sprache – manche wollen es nicht, andere können es auch nicht, weil sie sich zu sehr schämen oder ihnen die Worte fehlen. Wieder andere Menschen kommen einfach nicht auf die Idee, darüber zu sprechen.
Andauernde Verletzungen in der Kindheit
Kinder, die in ihrer Familie Alkoholismus, sexuelle Übergriffe, Missbrauch, Demütigungen, Liebesentzug, Eingesperrtwerden und andere schreckliche Dinge erleben mussten, können sich meistens nicht auf gesunde Art entwickeln. Viele werden dann spätestens in der Jugend „auffällig“: Sie sind zutiefst misstrauisch, launisch, oft wütend oder ängstlich, sehr verletzlich und sie fühlen sich leer. Hier spricht man von einer „posttraumatischen Persönlichkeitsstörung“. Unter Umständen erhalten die Betroffenen auch die Diagnose „Borderline-Persönlichkeitsstörung“.
Bei psychotischen Menschen sind bei genauerer Untersuchung fast immer sehr schwere, oft subtile und/oder sehr frühe Beziehungstraumata vorhanden (siehe Bertram Karon: Psychotherapie der Schizophrenie).
Das Trauma ist noch immer gegenwärtig
Seelische Verletzungen sind schwer zu verarbeiten. Bei vielen Betroffenen sind die traumatischen Erlebnisse so gegenwärtig, als wäre sie eben erst passiert, obwohl sie vielleicht schon Jahre entfernt sind. Oft kreisen die Gedanken um die schrecklichen Erlebnisse. Die Gegenwärtigkeit des Traumas kann sich aber auch „versteckt“ durch Gefühle und Verhaltensweisen äußern, die eigentlich nicht zur aktuellen Situation passen.
Der Betroffene fühlt und handelt so, als würde ihm gerade wieder „vertraut-Schreckliches“ zustoßen.
Psychoanalyse kann helfen
So dramatisch die Erlebnisse auch waren und so tief sie sich eingeprägt haben, so sehr können Betroffene jedoch auch auf Hilfe hoffen. In einer Psychoanalyse, die je nach Trauma-Erfahrung von sehr langer Dauer sein kann, hat der Betroffene einen Begleiter, der es ihm möglich macht, das kaum Fassbare zu teilen.
Das Erlebte kann nach und nach „integriert“ werden, also in irgendeiner Form angenommen werden. Manchmal bleibt es jedoch „eckig“. Es wird vielleicht jedoch immer leichter, über das Erlebte nachzudenken und zu sprechen, ohne davon vollkommen überwältigt zu werden.
Unglückliche Namensgebung
Über den Begriff der Posttraumatischen Belastungsstörung wird viel diskutiert. Einige Experten sind der Meinung, dass er geändert werden sollte, weil die Betroffenen durch die Bezeichnung „Störung“ stigmatisiert werden. Den traumatisierten Menschen sind Dinge widerfahren, die das ursprünglich Gesunde angegriffen haben.
Der englische Begriff für die Posttraumatische Belastungsstörung lautet „Posttraumatic Stress Disorder (PTSD)“. Einen interessanten (englischsprachigen) Artikel zu diesem problematischen Begriff gibt es hier: Medpagetoday.com: American Psychoanalytic Association (APsaA): „Name change needed for PTSD“.
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- Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS): Es braucht viel Geduld
- Die seelische Wunde offen lassen
Buchtipp:
Dunja Voos:
Schatten der Vergangenheit.
Trauma liebevoll heilen und innere Balance finden.

Adressen von Psychotherapeuten:
- Deutsche Gesellschaft für Psychanalyse und Tiefenpsychologie (DGPT)
- Deutsche Psychoanalytische Vereinigung (DPV)
- Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft (DPG)
- Deutsches Institut für Psychotraumatologie e.V. (DIPT)
Lesetipps:
Gabriele Kahn:
Das Innere-Kinder-Retten
Psychosozial-Verlag 2010
Links:
DSM-IV-TR Criteria for PTSD
National Center for PTSD
United States Department of Veterans Affairs
Marion Sonnenmoser:
Sekundäre Traumatisierung – Mythos oder Realität?
Therapeuten von traumatisierten Patienten entwickeln zum Teil selbst posttraumatische Symptome.
Deutsches Ärzteblatt, PP 9, Ausgabe März 2010, Seite 117
Deutsches Institut für Psychotraumatologie, Köln
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 29.12.2012
Aktualisiert am 10.5.2021
Jay meint
Mein ehemaliger Therapeut, bei dem ich die Analyse machte, stammt ursprünglich aus einem Team rund um Prof. Dr. Hanscarl Leuner aus Göttingen, welcher das Katathyme Bilderleben als Therapieform erfand und – vor allem in Sachen PTBS – an der Psycholytischen Therapie forschte.
Traumatisierte und teils schwerst neurotische Probanden wurden mittels halluzinogener Substanzen (meistens LSD) in eine Modellpsychose versetzt und dann mit ihren Traumata konfrontiert.
Teils kamen dabei erstaunliche Ergebnisse zu Tage. So wurde u.a. ein traumatisierter Patient mit einer Konversionsstörung, in Form einer versteiften Kopfhaltung, während der Behandlung wieder in die Lage versetzt seinen Kopf ohne Einschränkung vollständig zu bewegen.
Leider wurden die Mittel immer knapper und mit Leuners Tod im Jahr 1996, war das Projekt beendet.
Zu erwähnen ist noch, dass Dr. Leuner eine höchst respektable Persönlichkeit war und nicht zu vergleichen ist, mit Timothy Leary oder Stanislav Grof, welche eine sehr abenteuerliche Herangehensweise an dieses Thema hatten und selbst auch konsumierten.